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Schadesersatz bei eBay-Abbruchjäger

OLG Hamm, 28 U 199/13


Schadesersatz bei eBay-Abbruchjäger

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass ein Verkäufer, der eine Ware im Rahmen einer ebay-Auktion zum Verkauf anbietet, ein rechtlich verbindliches Angebot an den Höchstbietenden abgibt. Er ist weder nach den ebay-Geschäftsbedingungen noch gesetzlich berechtigt, seine Auktion ohne einen zwingenden Grund, der jenseits seiner Einflussnahme liegt, abzubrechen und die angebotene Ware anderweitig zu verkaufen, nur weil er auf diesem Wege einen höheren Verkaufspreis erzielt. Der Kläger als Höchstbietender hat aufgrund des ihm entgangenen Auktionszuschlages Anspruch auf Schadenersatz in Höhe des tatsächlichen Warenwertes der angebotenen Ware sowie auf Erstattung der Gerichtskosten.

Die Beklagte bot im Rahmen einer ebay-Verkaufsauktion einen Gabelstapler zum Startpreis von 1,00 Euro an. Der Kläger nutzte bei ebay verschiedene Identitäten und bot auf eine Vielzahl von Auktionen, die meistens Werkzeuge und Fahrzeugteile betrafen. Auch an der Auktion der Beklagten beteiligte er sich und gab als Maximalgebot 345,00 Euro an. Der Kläger wurde durch seine Mitbieter nicht überboten und so lag der Preis des Gabelstaplers zum Zeitpunkt des Abbruchs der Auktion bei 301,00 Euro. Die Auktion verzeichnete noch eine Restlaufzeit von mehr als 12 Stunden. Die Beklagte verkaufte sodann den Gabelstapler zu einem Verkaufspreis von 5.355,00 Euro an den Zeugen Y. Der Kläger reichte gegen die Verkäuferin des Gabelstaplers Klage aufgrund des vorzeitigen und grundlosen Auktionsabbruchs ein. Mit seiner Klage begehrt der Kläger entweder die Herausgabe des Gabelstaplers Zug um Zug gegen Zahlung von 301,00 Euro oder hilfsweise Schadenersatz in Höhe des tatsächlichen Verkehrswertes des Gabelstaplers. Gleichfalls beansprucht er vorgerichtliche Kosten und beantragt festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Kaufpreises in Verzug befindet. Die Rechtslage stellt sich folgendermaßen dar: Gemäß der ebay-Geschäftsbedingungen ist ein rechtswirksamer Kaufvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen. Die Beklagte war nicht zu einem vorzeitigen Auktionsabbruch berechtigt, denn es bestanden keine Anfechtungsgründe (§§ 119 BGB ff.). Es liegt keine Nichtigkeit im Sinne des § 138 BGB vor, denn es fehlt dem Kläger trotz des geringen Kaufpreises an dem subjektiven Tatbestand der verwerflichen Gesinnung. Es liegt auch kein Scherzgeschäft (§ 118 BGB) oder ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) vor. Die Beklagte hat ein verbindliches Angebot (§ 145 BGB) zum Verkauf des Gabelstaplers abgegeben. Ihr Angebot richtete sich an alle mitbietenden Personen, zu dem letztendlich der Höchstbietende den Zuschlag bekommen würde. Die Beklagte hätte dem Kläger den Gabelstapler Zug um Zug gegen Entrichtung des Kaufpreises herausgeben müssen.

Die Unsicherheit, wer letztendlich der Höchstbietende bei einem regulären Auktionsende gewesen wäre, betrifft die Position des Klägers nicht. Entscheidend ist, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Auktionsabbruchs der Höchstbietende war. Nach der regelmäßigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt eine Willenserklärung incertam personam (Angebot an unbestimmte Personen) vor. Die in das Angebot aufgenommene Formulierung „der Käufer sorgt innerhalb von 5 Tagen nach der Auktion selbst für Abholung und Bezahlung der Ware“ ist keine auflösende Bedingung, die den Käufer verpflichtet, tätig zu werden und selbst die Vertragserfüllung anzubieten, da kein Fixgeschäft vorliegt. Die für ein derartiges Geschäft notwendigen Formulierungen „fix“ oder „spätestens“ fehlen. Der Käufer befindet sich lediglich im Annahmeverzug und trägt das Risiko für eine eventuelle Beschädigung oder den Untergang der Ware. Der Kläger hat das Angebot der Beklagten gemäß § 10 der ebay-AGB angenommen. Die abgegebene Willenserklärung wird ihm im Rahmen seiner ebay-Identität, die gleichfalls eine Visitenkarte betreffend die Seriosität für andere ebay-Teilnehmer ist, zugerechnet und nicht einem unbekannten Dritten, für den der Kläger angeblich an der Auktion teilgenommen hat. Willenserklärungen werden gemäß § 164 BGB nur dann einem Dritten zugerechnet, wenn dieser nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung tritt. Es liegt gleichfalls keine Ausnahme von dem Offenkundigkeitsgrundsatz für ein „Geschäft den es angeht“ vor. Dem Rechtsbindungswillen des Klägers kann eine grundsätzliche Plausibilität nicht abgesprochen werden, da er nachvollziehbar zur Sache vorgetragen hat. Der Kläger ist dem Vorwurf der Beklagten, er habe seine Zahlungsunfähigkeit gemäß § 123 BGB arglistig verschwiegen, erheblich entgegengetreten.

Unstreitig ist, dass er sich an einer erheblichen Anzahl von Auktionen in einem Gesamtwert von ca. 200.000 Euro beteiligt hat. Die Beklagte trägt vor, der Beklagte sei letztendlich nicht in der Lage, seinen Zahlungsverbindlichkeiten nachzukommen, da er lediglich Leistungen nach SGB III beziehe. Ferner verdächtigt die Beklagte ihn, sich als „Abbruchjäger“ gezielt an Auktionen zu beteiligen, von denen er erwartet, dass sie vorzeitig beendet werden, um so einen Schadenersatz einzuklagen. Selbst wenn man dem Kläger eine derartig unlautere Gesinnung unterstellen würde, ist es nicht Aufgabe dieses Rechtsstreites, der Frage nachzugehen. Mit seinem vertieften Vortrag hat der Kläger glaubhaft gemacht, es wäre zu keiner finanziellen Kumulation gekommen. Der Vertrag ist nicht durch die AGB des Verkäufers, sondern aufgrund der ebay-Richtlinien zustande gekommen. Ein Auktionsabbruch ist nur bei Beschädigung, Untergang oder dem Abhandenkommen der Ware zulässig (§ 9). Gemäß § 308 BGB liegt keine unangemessene Benachteiligung der Beklagten vor. Beide Parteien sind sich über die Bedingungen einer ebay-Auktion bewusst und haben diese akzeptiert. Verkäufer sind nicht verpflichtet, eine hochwertige Ware zu einem unrealistischen Startpreis von 1,00 Euro einzustellen, sondern können einen angemessenen Warenwert fordern. Ein nichtiges Wuchergeschäft gemäß § 138 BGB liegt nicht vor, da der Kläger keine Schwächesituation der Beklagten ausgenutzt hat. Auf Seiten der Beklagten besteht eine subjektive Unmöglichkeit zur Herausgabe des Gabelstaplers (§ 275 BGB), da sie nicht mehr Besitzerin ist und die Ware bereits an den Zeugen Y veräußert hat. Sie hat diese Umstände subjektiv zu vertreten (§ 280 BGB) und sich damit wegen Vertragsbruch schadenersatzpflichtig in Form eines Ersatzes des Warenwertes gemacht (§ 249 BGB). Ein anspruchsminderndes Mitverschulden an der Eigentums- und Besitzverschaffung des Käufers liegt nicht vor (§ 254 BGB).

Das Gericht spricht dem Käufer Schadensersatzansprüche (§§ 280, 283, 275, 433 BGB) in einer Gesamthöhe von 5.054,00 Euro zu. Das Urteil ist mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar.

OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2014, Az. 28 U 199/13


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