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Individuelle Vereinbarungen gehen eBay-AGB vor

BGH, Urteil vom 15.02.2017, Az. VIII ZR 59/16


Individuelle Vereinbarungen gehen eBay-AGB vor

Mit Urteil vom 15. Februar 2017 (Az. VIII ZR 59/16) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei eBay-Angeboten ein individuell vereinbarter Preis dem Sofortkaufpreis vorgeht. Zwar seien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay bei der Auslegung der von den Vertragsparteien abgegebenen Willenserklärungen prinzipiell zu berücksichtigen. Insoweit eine Partei erkennbar von den eBay-AGB abweiche, seien Letztere für den Vertragsinhalt hingegen unmaßgeblich. Den Willen eines Käufers, am Sofortkaufpreis trotz gegenteiliger Vereinbarung festzuhalten, interpretieren die Karlsruher Richter als Anfechtungserklärung.
 
Sachverhalt
Der Beklagte bot auf eBay ein E-Bike zu einem Sofortkaufpreis von 100 Euro zuzüglich 39,90 Euro Versandkosten an. Die Artikelbezeichnung lautete allerdings "Predelec neu einmalig 2600 €. Beschreibung lesen!". In der Artikelbeschreibung führte der Beklagte aus: "Bitte Achtung, da ich bei der Auktion nicht mehr als 100 € eingeben kann (wegen der hohen Gebühren), erklären Sie sich bei einem Gebot von 100 € mit einem Verkaufspreis von 2600 + Versand einverstanden."
 
Der Kläger wollte das Elektrofahrrad zu 100 Euro erwerben und klickte auf den Sofortkauf-Button. In der anschließenden Korrespondenz wies der Beklagte nochmals auf die geforderte Kaufpreissumme von 2.600 Euro hin, während der Kläger am Sofortkaufpreis von 100 Euro festhielt. Auf die Aufforderung, innert fünf Tagen zu zahlen, überwies der Kläger 139,90 Euro und verlangte die Lieferung des Rads. Nach erfolgloser Fristsetzung klagte er auf Herausgabe und Übereignung des E-Bikes.
 
Damit drang er weder vor dem Amtsgericht Bielefeld noch vor dem Landgericht Bielefeld durch. Das Landgericht war der Meinung, ein Kaufvertrag sei nicht zustande gekommen, denn das Sofortkaufangebot zu 100 Euro sei wegen mangelnder Ernstlichkeit nichtig gemäß § 118 BGB.
 
Aus den Gründen
Der Bundesgerichtshof weist die gegen die landgerichtliche Entscheidung gerichtete Revision des Klägers zurück. Im Gegensatz zur Berufungsinstanz gehen die Richter aus Karlsruhe indes davon aus, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen ist – und zwar zu einem Kaufpreis von 2.600 Euro.
 
Um das Angebot des Beklagten nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen, sei der gesamte Wortlaut zu berücksichtigen. Der Widerspruch zwischen dem Sofortkaufpreis von 100 Euro und dem geforderten Betrag von 2.600 Euro werde im Angebotstext aufgelöst. Ein Schutz vor überraschenden Vertragsklauseln im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB bestehe bei Individualangeboten nicht.
 
Grundsätzlich seien bei mehrdeutigen Angeboten auf eBay die eBay-AGB in die Auslegung einzubeziehen. Das gelte jedoch nicht, wenn der Verkäufer – wie vorliegend – erkennbar von den eBay-AGB abrücke. Wenngleich das streitgegenständliche Angebot gegen die eBay-AGB verstoße, zähle bloß das individuell vereinbarte, zumal das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien von ihrem Verhältnis zu eBay unabhängig sei.
 
Durch seinen Klick auf den Sofortkauf-Button habe der Kläger das Kaufangebot des Beklagten zu einem Preis von 2.600 Euro angenommen. Er habe zu diesem Zeitpunkt keinen Willen geäußert, die Annahmeerklärung auf einen Betrag von 100 Euro zu beschränken.
 
Dass sich der Kläger anschließend auf einen Preis von 100 Euro berief und dem Beklagten 139,90 Euro überwies, interpretiert der Bundesgerichtshof als Anfechtung, durch die der Vertrag von Anfang an nichtig war. Der Kläger habe zwar den Begriff "anfechten" nicht verwendet. Zur Anfechtung reiche indessen eine (konkludente) Willensäußerung, die sich objektiv so verstehen lasse, dass er den Kaufpreis von 2.600 Euro nicht anerkenne. Den Anfechtungsgrund erkennt der Senat in einem Inhaltsirrtum nach § 119 BGB. Dabei spiele keine Rolle, ob der Irrtum entstanden sei, weil der Kläger – wie behauptet – den Angebotstext nicht gelesen habe oder ob er den Text angesichts der eBay-AGB für irrelevant gehalten habe.
 
Die Anfechtungserklärung sei auch nicht unwirksam, weil der Kläger primär die Durchsetzung des Kaufvertrags zum irrtümlich angenommenen Kaufpreis verlange. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs handelt es sich um eine Eventualanfechtung, also eine Anfechtung nur für den Fall, dass der angenommene vom effektiven Vertragsinhalt abweicht. Obwohl die Anfechtung als Gestaltungsrecht bedingungsfeindlich sei, sei eine Eventualanfechtung zulässig. Sie sei nämlich nicht von einem unsicheren zukünftigen Ereignis abhängig, sondern von einem unter den Parteien strittigen, aber bereits bestehenden Rechtszustand.
 
BGH, Urteil vom 15.02.2017, Az. VIII ZR 59/16


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