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Urheberrechtsverletzung bei sog. „Anhängen an Amazon Angebote“

Landgericht Köln, Urteil vom 22.08.2022, Az. 14 O 327/21


Urheberrechtsverletzung bei sog. „Anhängen an Amazon Angebote“

Das Landgericht Köln entschied am 22.08.2022, dass ein Händler, der sich bei Amazon an ein fremdes Angebot hängt und in dessen Namen ein bebildertes Verkaufsangebot veröffentlicht, für dessen Urheberrechtsverletzungen als Täter haften könne. Dies gelte, auch wenn der Händler selbst nicht auf das Angebot eingewirkt könne.

Wann haftet ein Händler bei Urheberrechtsverletzung in Fällen des sog. „Anhängens an Amazon Angebote“?
Die Klägerin war Designerin, Fotografin und Herausgeberin von Bildwerken. Beklagte war eine Online-Händlerin, welche über eine eigene Webseite sowie über Amazon Marketplace gebrauchte Bücher an- und verkaufte. Mit diesem Geschäftsmodell erzielte sie recht hohe Umsätze. Die Beklagte wollte auch ein Buch der Klägerin über Amazon Marketplace verkaufen. Dafür „hängte“ sie sich an ein dort bereits bestehendes Verkaufsangebot für das Buch an. Dieses „anhängen“ ist bei Amazon grundsätzlich möglich. Zur Bewerbung wurden von dem bestehenden Verkaufsangebot (im Folgenden „Produktseite“) das Coverbild des Buches verwendet sowie zwei weitere Bilder. Diese zwei weiteren Bilder wurden jedoch nicht von der Beklagten eingeblendet. Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen Urheberrechtsverletzung ab. Sie sie Urheberin und Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte der zwei weiteren Bilder; diese seien damit unrechtmäßig im Internet zugänglich gemacht worden. Die Beklagte wies die Ansprüche zurück. Denn sie selbst habe bei dem vollautomatisierten Geschäftsmodell keine Möglichkeit, Änderungen an der Produktseite vorzunehmen und damit auch keinen Einfluss, welche Bilder genutzt werden. Das könne nur der Erstanleger der Produktseite oder Amazon selbst. Die Beklagte könne sich selbst maximal an den Support von Amazon wenden und auf eine Änderung der Produktseite hinwirken.

Beklagte haftet als Täterin
Das Landgericht Köln entschied, die Beklagte hafte als Täterin. Denn sie habe auf Amazon in ihrem Namen ein bebildertes Verkaufsangebot veröffentlicht. Dies sei erfolgt, obwohl sie dessen inhaltliche Gestaltung nicht vollständig beherrscht. Denn nur Amazon und dem Erstanleger seien Auswahl und Änderung der Bilder vorbehalten.

Zurechnung der Urheberverletzung durch Amazon
Das Gericht hielt Erwägungen des BGH aus verwandten Rechtsgebieten wie dem Wettbewerbs- und Markenrecht auf die vorliegende Situation übertragbar. Dort sei in ähnlichen Fällen von einer Täterschaft der „sich anhängenden“ Verkäufer ausgegangen worden. Aufgrund der hier maßgeblichen Grundsätze der deliktsrechtlichen Haftung sei von einem Gleichlauf auch im Urheberrecht auszugehen. Insbesondere die Gefahr, dass Amazon bei einem Angebot unter dessen alleiniger Entscheidungshoheit Lichtbilder auch ohne ausreichende Berechtigung verwendet, sei für die Beklagte nicht grundsätzlich unvorhersehbar. Damit sei ihr als Händlerin diese Gefahr auch zuzurechnen; sie sei adäquat kausale Folge der Angebotserstellung unter den Bedingungen von Amazon. Anbieter, welche ihre Produkte über Amazon Marketplace einpflegen, machen sich die dortigen Angaben für das angebotene und beworbene Produkt zu eigen. Dies gelte auch dann, wenn die Beklagte selbst die Lichtbilder nicht eingeblendet und auf die Auswahl keinerlei Einfluss habe.

Beherrschung der Verletzungssituation
Die Beklagte sei Herrscherin über ihre eigene Urheberrechtsverletzung, so das Landgericht. Der Tatbeitrag der Beklagten zur Rechtsverletzung liege im „anhängen“ an bereits bestehende Angebote. Damit verfüge sie über ihre eigene Entscheidungsbefugnis. Sie habe es jederzeit in der Hand, die Urheberrechtsverletzung zu beenden oder gar nicht erst zu beginnen.

Eigener Namen und eigene Rechnung
Das Gericht war zudem der Ansicht, die Beklagte habe das Produkt auch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung über die Plattform zum Verkauf angeboten. Damit habe sie den Eindruck vermittelt, sie übernehme die Verantwortung für das konkrete Angebot. Gleiches gelte für die Bewerbung mit den streitgegenständlichen Lichtbildern. Die Nutzer seien davon ausgegangen, dass diese den Zustand des angebotenen Produktes zutreffend wiedergeben.

Risiko von Rechtsverletzungen auf Verkaufsplattformen bekannt
Wer aber ein eigenes Angebot abgebe, sei für dieses auch verantwortlich, so das LG weiter. Dies gelte auch dann, wenn das Angebot von Dritten erstellt werde, die Beklagte vom Inhalt keine Kenntnis habe und den Inhalt auch nicht kontrollieren könne. Das Risiko von Urheberrechtsverletzungen liege bei einem solchen Geschäftsmodell bei der Beklagten. Das gelte auch, da die Problematik von Urheberrechtsverletzungen auf Verkaufsplattformen einem Händler mit den Umsätzen der Beklagten generell bekannt sei. Trotzdem habe sie ihr Geschäftsmodell ohne hinreichende Prüfung beibehalten. Es könne nicht zu Lasten der Klägerin gehen, wenn ein „sich anhängender“ Verkäufer mit Verweis auf automatisierte Prozesse die Kontrolle seiner Verkaufsangebote unterlasse. Es bestehe keinerlei Unterschied zu einem Händler, der händisch Angebote erstellt und dabei eine Prüfung unterlasse.

Kein Eingreifen von Haftungsprivilegien
Das Landgericht befand, die Beklagte könne sich auch nicht auf Haftungsprivilegien berufen, wie sie für Suchmaschinenbetreiber und Host-Providern gelten. Denn sie sei weder das eine, noch das andere. Die Beklagte sei Händlerin, die auf eigene Rechnung Waren verkauft. Damit erbringe sie keine vergleichbar schützenswerte Leistung für die Funktionsfähigkeit des Internets.

Löschungsbitte kam zu spät
Der Haftung stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte versucht habe, bei Amazon eine Löschung der zwei streitgegenständlichen Lichtbilder zu erreichen. Denn die Beklagte habe unstreitig bereits vor dieser Kontaktaufnahme das streitgegenständliche Angebot eingestellt und einen Verkauf getätigt. Somit seien bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Haftungskriterien erfüllt gewesen. Somit könne die spätere Löschungsbitte die bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht beseitigen oder neutralisieren. Dieses Verhalten sei allenfalls bei einer Prüfung im Rahmen einer Zwangsvollstreckung, ob dem Unterlassungsgebot nachzukommen ist, maßgeblich.

Landgericht Köln, Urteil vom 22.08.2022, Az. 14 O 327/21


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