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„ernsthaften Benutzung“ einer Marke im Löschungsverfahren

OLG Frankfurt, Urteil v. 04.04.2019, Az.: 6 U 96/18


„ernsthaften Benutzung“ einer Marke im Löschungsverfahren

Das OLG Frankfurt hat klargestellt, dass in einem markenrechtlichen Löschungsverfahren zuerst der Kläger aufzeigen muss, dass der Markeninhaber die Marke nicht benutzt. Der Markeninhaber muss sodann das Gegenteil darlegen. Er muss die Marke in einer üblichen und wirtschaftlich sinnvollen Art und Weise nutzen. Es genügt nicht, dass er einem Dritten eine Lizenz erteilt hat, es sei denn, er kann die ernsthafte Benutzung durch den Lizenznehmer darlegen und beweisen. Andernfalls muss er wegen Verfalls der Marke der Löschung zustimmen.

Der Beklagte erteilte Lizenzen zur Nutzung seiner Marke
Dem Beklagten gehört unter anderem die deutsche Wort-/Bildmarke „You & Me“. Er betreibt auf seiner Website einen Onlineshop, auf dem er in erster Linie Bier anbot. Außerdem führt er in seiner Stadt ein Ladengeschäft mit der Unternehmenskennzeichnung „You & Me“. In diesem Geschäft bietet er unterschiedliche Waren an, die mit seiner Marke gekennzeichnet sind. Im Rahmen von Lizenzverträgen hat er Dritten außerdem die Nutzung seiner Marke gewährt. Die Benutzungsschonfrist der Marke war am 16.10.2013 abgelaufen.

Klägerin beantragte Markenlöschung wegen Verfalls
Mit Klage vor dem Landgericht verlangte die Klägerin von dem Beklagten die Löschung von vier Wort-/Bildmarken wegen Verfalls. Mit Urteil vom 30.05.2018 entschied das Landgericht zugunsten der Klägerin, dass die angegriffenen Marken vollumfänglich gelöscht werden. Im Wege der Berufung zum OLG Frankfurt wendete sich der Beklagte gegen die Löschung seiner Marke „You & Me“, soweit diese „Bett- und Tischdecken sowie Webstoffe, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind“, betrifft. Das OLG Frankfurt entschied jedoch, dass das Landgericht zu Recht einen Verfall nach § 49 Markengesetz angenommen hatte und der Beklagte zur Einwilligung zur Markenlöschung verpflichtet sei.

Löschungsantrag war nicht rechtsmissbräuchlich
Der Beklagte brachte im Berufungsverfahren zunächst vor, dass die Löschungsklagen der Klägerin als „Retourkutsche“ für seine Abmahnungen zu werten seien, weshalb schon überhaupt die Klageerhebung rechtsmissbräuchlich sei. Das OLG Frankfurt erwiderte, dass dieser Einwand ganz offensichtlich fehlschlage. Die Klägerin greife diejenigen Marken an, aus denen der Beklagte sie abgemahnt hatte. Das sei sachlich völlig nachvollziehbar. Der BGH habe außerdem die Grenze für das Schikane- und Schädigungsverbot nach §§ 826, 226 BGB sehr weit außen gezogen und nicht einmal im Ansatz für einschlägig gehalten. Das Interesse der Allgemeinheit an der Popularklage (das heißt, jedermann kann die Löschungsklage wegen Verfalls erheben), schließe alle Einwendungen und Einreden aus der Person des Klägers und seines Verhaltens aus.

EuGH hat Kriterien für Ernsthaftigkeit entwickelt
Weiter legte der Beklagte Nachweise vor, mit welchen er die ernsthafte Benutzung seiner Marke darlegen und beweisen wollte. Das OLG Frankfurt war davon jedoch nicht überzeugt. Für die Annahme der Ernsthaftigkeit der Markenbenutzung sei es notwendig, dass die Marke in einer üblichen und wirtschaftlich sinnvollen Art und Weise benutzt werde. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sei es erforderlich, dass der Inhaber seine Marke benutze, um für die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen einen Marktanteil zu gewinnen oder zu behalten (EuGH GRUR 2003, 435; BGH GRUR 2012, 180; BGH GRUR 2012, 1261). Die Kriterien für die Einstufung der Ernsthaftigkeit seien sehr unterschiedlich, stünden aber in Wechselwirkung zueinander. Allen voran seien hier die Umsatz- und Verkaufszahlen, der Geschäftsumfang, die Frequenz und Dauer der Benutzung, die Herstellungs- und Vermarktungskapazität, die Diversifikation des Geschäfts und die Natur der relevanten Waren und Dienstleistungen zu nennen (EuG T-203/02, GRUR Int 2005, 47 – Vitafruit; GRUR-Prax 2016, 237 – Frisa).

Klarstellung zur Beweislast im Löschungsverfahren
Zur Prüfung der Frage, ob die Ernsthaftigkeit der Markenbenutzung gegeben sei, äußerte sich das OLG noch zum Thema Beweislast. Im Verletzungsprozess trage der Markeninhaber die Beweislast für die rechtserhaltende Benutzung oder die berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung der Marke. Anders sei dies im Löschungsverfahren. Hier müsse der Löschungskläger die rechtsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen. Allerdings müsse der Markeninhaber dennoch substantiiert vortragen und darlegen, dass die Voraussetzung der Löschung, also die Nichtbenutzung der Marke, eben nicht gegeben sei. Dies führe zu einer abgestuften Darlegungslast. Als erstes müsse der Kläger darlegen, weshalb die Markenbenutzung anzuzweifeln sei, etwa durch Rechercheergebnisse. Anschließend sei es Sache des Beklagten, ernsthafte Benutzungshandlungen vorzutragen und durch Unterlagen zu belegen.

Die Angabe des Gesamtumsatzes für drei Jahre sei viel zu pauschal
Im vorliegenden Fall habe die Klägerin dargelegt, dass der Beklagte die Marke für die in Rede stehenden Dienstleistungen nicht benutzt habe. Der Beklagte habe die aufgeführten Waren weder heute noch früher in seinem Online-Shop angeboten. Nun wäre es an dem Beklagten gelegen, die rechtserhaltende Benutzung aufzuzeigen. Das OLG Frankfurt sah in dem Vortrag des Beklagten jedoch keinerlei substantiierte Darlegung. Zunächst sei die Behauptung des Beklagten, er würde in seinem Ladengeschäft Kissenbezüge, Kissen, Handtücher, Baumwoll-Kappen sowie Tischläufer mit dem Zeichen „You & Me“ vertreiben, viel zu pauschal. Von diesen Waren komme überhaupt nur der „Tischläufer“ als rechtserhaltend für „Tischdecken“ in Betracht. Der Beklagte habe keine Einzelangaben über den erzielten Umsatz gemacht, sondern nur für eine Mehrzahl von Waren einen Gesamtumsatz in Höhe von 25.000 Euro innerhalb von drei Jahren angegeben.

Lizenzverträge nach Anhängigkeit der Klage irrelevant
Ferner habe der Beklagte auch angebliche rechtserhaltende Benutzungen durch Lizenznehmer nicht substantiiert dargelegt. Die Erteilung von Lizenzen selbst sei keine rechtserhaltende Benutzung. Es sei noch nicht einmal ein Hinweis auf eine tatsächliche Markennutzung. Der Beklagte hätte zu Art und Umfang der Markennutzung durch die Lizenznehmer umfassend vortragen müssen. Er habe aber überhaupt nicht dargelegt, dass seine Vertragspartner von der Lizenz Gebrauch machen. Zu einem Lizenzvertrag vom 10.04.2018 stellte das OLG fest, dass dieser gar nicht zu berücksichtigen sei. Eine Marke, die zur Zeit der Stellung des Löschungsantrags verfallen ist, sei unheilbar löschungsreif. Der Lizenzvertrag sei erst am 10.04.2018 geschlossen worden. Die Löschungsklage sei zu diesem Zeitpunkt schon lange anhängig gewesen, weshalb der Vertrag unerheblich sei.

Weitere Lizenzverträge nur für andere Waren und Nutzungsduldung
Zwei andere Verträge beinhalten nur Lizenzierungen für Bettwäsche. Für die Marke sei aber nur die Warengruppe „Bettdecken“, nicht „Bettwäsche“ eingetragen. Also seien auch diese Verträge nicht relevant. Auch ein weiterer vorgelegter Lizenzvertrag sei für die Darlegung einer ernsthaften Benutzung nicht geeignet. Dieser verpflichte den Beklagten lediglich zur Duldung einer Benutzung von „You & Me“ auf sämtlichen Produkten des Lizenznehmers. Vereinbart wurde nur eine pauschale Bezahlung, die als typische Abgeltungsregelung angesehen werden könne. Hierdurch solle der Verletzer Rechtssicherheit hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche erlangen. Die ernsthafte Benutzung der Marke könne dadurch allerdings nicht dargelegt werden. Das OLG ließ die Revision gegen das Urteil nicht zu.

OLG Frankfurt, Urteil v. 04.04.2019, Az.: 6 U 96/18

von Jacqueline Dischler, LL.M.


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