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Zur Wirksamkeit von Nutzungsänderungen per Pop-Up

Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 19.11.2019, Az. 4 U 1471/19


Zur Wirksamkeit von Nutzungsänderungen per Pop-Up

Das Oberlandesgericht Dresden entschied per Beschluss am 19.11.2019, dass ein soziales Netzwerk seine Nutzungsbedingungen wirksam per Pop-Up-Fenster ändern könne.

Wie können Soziale Netzwerke ihre Nutzungsbedingungen ändern?
Der Kläger war Nutzer eines sozialen Netzwerkes. Er verklagte das Netzwerk wegen der Sperrung und Löschung eines Posts. Der Post „Wo lebst denn du, von den 1300 Kinderehen, Morden, Ehrenmorden, Vergewaltigungen von Goldstücken, Kinderarmut und Altersarmut hast Du noch nichts mitbekommen?“ wurde durch die Beklagte als Hassrede eingestuft. Diese Einstufung erfolgte auf Basis vorher geänderter Nutzungsbedingungen. Der Kläger war der Ansicht, dass die Nutzungsbedingungen nicht wirksam geändert worden seien und daher sein Post nicht unter Hassrede fallen könne.

Wirksamer Abschluss eines Änderungsvertrages
Das Oberlandesgericht Dresden entschied, dass die Nutzungsbedingungen der Beklagten wirksam seien. Diese seien durch Zustimmung des Klägers wirksam geworden, indem er die Schaltfläche im Pop-Up-Fenster angeklickt habe. Die allen Nutzern der Beklagten als „pop-up“ zugegangene Mitteilung über die beabsichtigte Änderung sei als Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages anzusehen. Ein per Klick erfolgter Vertragsabschluss sei auch grundsätzlich individueller Natur. Das gelte auch, wenn die Willenserklärungen aus vorformulierte Bestandteile zusammengesetzt seien. Denn die Neufassung der Nutzungsbedingungen werde nicht aufgrund einer vorformulierten Änderungsklausel, sondern aufgrund eines nach allgemeinen Regeln über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte geschlossenen Änderungsvertrages einbezogen.

Grund der Änderung ist egal
Das individuelle Angebot auf Vertragsänderung habe der Kläger unstreitig durch Anklicken der Schaltfläche angenommen, so das Gericht weiter. Dass Hauptgrund der Änderung die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gewesen sei und nur nebenher auch die Änderung der Nutzungsbedingungen stehe der Wirksamkeit nicht entgegen. Ob der Kläger seine Annahmeerklärung wegen eines Irrtums hätte anfechten können, stehe nicht zur Debatte. Denn eine solche Anfechtung sei nicht erfolgt.

Keine erzwungene Zustimmung
Auch sei das Angebot nicht als sittenwidrig anzusehen, urteilte das OLG. Zwar habe der Kläger nur die Wahl gehabt, die Nutzungsbedingungen zu akzeptieren oder seinen Vertrag mit der Beklagten zu beenden. Zudem nehme das soziale Netzwerke in Deutschland eine überragend wichtige Stellung ein. Trotzdem unterliege der Kläger keinem Kontrahierungszwang, sondern sei bei der Wahl seiner Vertragspartner frei. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Annahme der geänderten Bedingungen so unzumutbar gewesen sein solle, dass eine de-facto erzwungene Zustimmung als sittenwidrig einzustufen sei. Die mit der Änderung erfolgte Präzisierung u.a. des Begriffes der Hassrede und der damit einhergehenden Sanktionen begünstige sogar den Kläger. Denn die zuvor bestehenden uferlosen und damit rechtlich bedenklichen Sanktionsmöglichkeiten seien auf ein AGB-rechtlich unbedenkliches Maß zurückgestuft worden.

Meinungsfreiheit vs. virtuelles Hausrecht
Das OLG Dresden entschied auch, dass das Verbot der Hassrede weder eine überraschende Klausel darstelle noch den Kläger unangemessen benachteilige. Denn das Grundrecht der Meinungsfreiheit sei nicht immer vorrangig. Die Beklagte habe ein "virtuelles" Hausrecht, das auf dem Eigentumsrecht sowie auf der Haftungsgefahr für fremde Beiträge basiere. Ihr müsse daher das Recht zustehen, Beiträge zu löschen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.

Post verstößt gegen Gemeinschaftsstandards
Das Gericht stellte fest, dass der Post eine Hassrede entsprechend den Gemeinschaftsstandards beinhaltet habe. Die Beurteilung beruhe darauf, dass Hassrede jede Art von „entmenschlichender“ Sprache in Bezug auf eine konkrete Personengruppe erfasse. Die vom Kläger vorgetragene Erläuterung seines Kommentars, bei dem es sich um eine Stellungnahme zur „Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik“ handeln solle, finde weder im Wortlaut noch im Sinnzusammenhang des Post eine Stütze. Der Satz könne nur so verstanden werden, dass „Goldstücke“ für die aufgeführten Straftaten verantwortlich gemacht werden. Der Kläger sei der Meinung, dass sich die Situation in Deutschland allgemein verschlechtert habe, wofür er neben „Kinderarmut und Altersarmut“ auch „1300 Kinderehen, Morde, Ehrenmorde und Vergewaltigungen“ anführt. Diese laste er pauschal allen Flüchtlingen in Deutschland an. Eine solche, den einzelnen Flüchtlingen jede Individualität absprechende Einstellung sei als „entmenschlichende“ Sprache im Sinne der Gemeinschaftsstandards einzustufen. Sie schließe ebenso Menschen aus wie sie „ein Umfeld der Einschüchterung“ schaffe (siehe Ziff. 12. der Gemeinschaftsstandards).

Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 19.11.2019, Az. 4 U 1471/19


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