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Keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Wikipedia-Eintrag

LG Tübingen, Urteil vom 18.07.2012, Az. 7 O 525/10


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Eine Veröffentlichung im Online-Lexikon Wikipedia war Auslöser eines Rechtsstreits zwischen einem Universitätsprofessor und der Betreiberin von Wikipedia. In dem Wikipedia-Eintrag waren die Person und der Lebenslauf des Professors vorgestellt und dabei seine Mitgliedschaft in zwei katholischen Studentenverbindungen erwähnt worden. Nachdem der Professor von der Betreiberin vergeblich die Löschung des von ihm beanstandeten Eintrags und eine Unterlassungserklärung verlangt hatte, erhob er Klage zum Landgericht Tübingen. Er berief sich auf eine Verletzung seines allgemeinen Persönlickeitsrechts durch die Veröffentlichung persönlicher Daten auf der Website der Beklagten.

Das LG Tübingen hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Aus dem klägerischen Vortrag ergebe sich keine Anspruchsgrundlage, aus der der Kläger einen Anspruch auf die begehrte Unterlassung und Kostenerstattung herleiten könne. Eine Verletzung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG liege nicht vor. In den Schutzbereich dieses Grundrechts falle zwar auch das sog. "Recht auf informationelle Selbstbestimmung", nach dem jeder selbst entscheiden dürfe, wann und inwieweit Sachverhalte aus seinem persönlichen Lebensbereich preisgegeben werden dürften. Daher liege die Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Informationen über seine Person auf Wikipedia veröffentlicht werden dürften, grundsätzlich beim Kläger. Durch die Veröffentlichung des Eintrags ohne seine Mitwirkung habe die Beklagte in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen.

Allerdings habe die Beklagte dabei nicht rechtswidrig gehandelt.

Die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei keine absolute und feste Größe, sondern müsse im Einzelfall unter Abwägung der gegenläufigen Interessen der Beteiligten bestimmt werden. Nur wenn im konkreten Einzelfall das Interesse des Betroffenen an einem Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts schwerer wiege als die schützenswerten Belange der Gegenseite, sei ein Eingriff auch rechtswidrig. Anders als bei unwahren Tatsachenbehauptungen habe der Betroffene es regelmäßig hinzunehmen, wenn zutreffende Tatsachen über ihn berichtet würden. Wenn allerdings durch eine wahre Tatsachenbehauptung ein Persönlichkeitsschaden drohe, der zu dem Informationsinteresse außer Verhältnis stünde, könne eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegen. Dies käme bei Veröffentlichungen in Betracht, die erhebliche Breitenwirkung entfalten und zu einer besonderen Stigmatisierung der betroffenen Person mit drohender Isolierung und sozialer Ausgrenzung führen könnten.

Diesen Abwägungsmaßstab hat das LG Tübingen auf die widerstreitenden Interessen von Kläger und Beklagter angewendet und im Ergebnis ein überwiegendes Interesse der Beklagten festgestellt.

Im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers hat das Gericht keinen Schaden feststellen können. Der bei Wikipedia zum Abruf bereitgestellte Eintrag entfalte keine erhebliche Breitenwirkung. Er enthalte zwar persönliche Daten des Klägers, beschränke sich jedoch auf die korrekte Mitteilung von dessen Lebenslauf. Außerdem richte sich der Wikipedia-Eintrag - anders als etwa ein Zeitungsartikel - nicht an die Gesamtbevölkerung, sondern werde nur von Personen gelesen, die sich gezielt und aktiv über den Kläger informieren wollten. Daher eigne er sich auch nicht als Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung oder eine Isolierung des Klägers.

Dem stehe - so das Gericht - andererseits ein erhebliches öffentliches Interesse gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG, Art. 10 Abs. 1 S. 1 EMRK an der Bereitstellung der Informationen in der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia gegenüber. Die Beklagte könne sich auf die Pressefreiheit, die grundsätzlich die Informationsverbreitung und das Recht zur Veröffentlichung wahrer Tatsachen schütze, berufen. Damit gehe das öffentliche Interesse an einer ausreichenden Informationsversorgung einher. Der besondere Stellenwert dieser beiden demokratischen Grundrechte verlange gewichtige Gründe, damit einem kollidierenden Rechtsgut Vorrang eingeräumt werden könne.

Solche gewichtigen Gründe auf Seiten des Klägers hat das LG Tübingen nicht gesehen. Der beanstandete Eintrag habe wahre Tatsachen enthalten, und der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei nur geringfügig gewesen und habe lediglich den Bereich der Sozialsphäre betroffen. Etwaige negative Reaktionen auf die Bekanntgabe der wahren Tatsachen habe der Kläger hinzunehmen.

LG Tübingen, Urteil vom 18.07.2012, Az. 7 O 525/10

 


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