Zu unterlassende Äußerung als Text innerhalb eines Links
Das Oberlandesgericht Celle entschied am 19.08.2022, dass auch dadurch gegen eine Unterlassungsverfügung verstoßen werde, wenn zwar der ursprüngliche Beitrag gelöscht sei, nicht aber auch Verlinkungen auf den Beitrag und sich aus diesen Links der Kern der zu unterlassenden Äußerung entnehmen lasse.
Bezieht sich eine Unterlassungs- und Löschungsverpflichtung auch auf Verlinkungen?
Der Antragsgegner verbreitete auf Facebook öffentlich unter der Überschrift „Jugendhilfestation O.: Ist Frau K. S. eine Kinderrechteschänderin“ einen von ihm selbst verfassten Beitrag. Einen Link auf den Artikel verbreitete der Antragsgegner auch in mehreren Facebook-Gruppen. Die Überschrift des Artikels – „Jugendhilfestation O.: Ist Frau K. S. eine Kinderrechteschänderin“ – war in den Links erkennbar. Hiergegen ging die Antragstellerin per einstweiliger Verfügung vor. Daraufhin wurde der Antragsgegner verpflichtet es zu unterlassen, sich über die Antragstellerin identifizierend zu äußern oder zu verbreiten, sie sei eine Kinderrechteschänderin. Der Antragsgegner löschte in der Folge seinen Beitrag auf Facebook. Die Links in zwei Facebook-Gruppen blieben aber weiter abrufbar. Daher wurde wegen Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft verhängt. Gegen diesen Beschluss ging der Antragsgegner vor. Er habe schließlich nicht gewusst, in welchen Gruppen der Beitrag geteilt worden sei. Die von ihm stammenden Links habe er freiwillig und fristgerecht gelöscht.
Linktext selbst fällt unter Unterlassungsgebot
Das Oberlandesgericht Celle entschied zu Ungunsten des Antragsgegners. Unstreitig sei es nach Zustellung der einstweiligen Verfügung zu zwei objektiven Verstößen gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot gekommen. Der Antragsgegner habe in zwei Facebook-Gruppen einen Link zum Facebook-Beitrag gepostet. Dies habe die Antragstellerin durch zwei Screenshot nachgewiesen. Die Posts habe der Antragsgegner auch nicht in Abrede gestellt. Vielmehr habe er per eidesstattlichen Versicherung eingeräumt, die Löschung in den beiden Gruppen vergessen zu haben.
Äußerungskern ist ausschlaggebend
Das OLG befand es für unerheblich, dass der Facebook-Beitrag selbst zu diesem Zeitpunkt bereits gelöscht gewesen sei. Denn die Links mit dem Wortlaut "Jugendhilfestation O.: Ist Frau K. S. eine Kinderrechteschänderin?" selbst hätten gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot verstoßen. Ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Unterlassungsgebot greife nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt werde. Vielmehr greife es auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Äußerung seien. Insoweit komme es auf die "Identität des Äußerungskerns" an.
Leichte Unterscheidung zu Verbotstenor
Zwar unterscheide sich die jetzige Zuwiderhandlung teilweise vom tenorierten Verbot, so das Gericht. So sei die zu unterlassende Äußerung in Frageform dargestellt. Diese Frageform sei bereits Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens über den Erlass der einstweiligen Verfügung gewesen. Gemessen daran sei die nun erfolgte Äußerung aber sogar identisch mit der vom Antragsgegner zu unterlassenden. Unerheblich sei dabei, dass mit der Verlinkung auf den (gelöschten) Beitrag nicht mehr die gesamte ursprüngliche Äußerung verbreitet werde. Denn dem Link sei gerade die zu unterlassende Äußerung (in Frageform) - wie im ursprünglichen Beitrag als Überschrift gewählt - zu entnehmen.
Alle möglichen und zumutbaren Löschungshandlungen notwendig
Den Antragsgegner treffe auch das notwendige Verschulden, so das Gericht weiter. Zwar gebe es gewisse Darlegungs- und Beweiserleichterungen beim Verschulden. So könne es dem vermeintlichen Täter auferlegt werden, zur Aufklärung seines Verhaltens beizutragen, indem er die ihn entlastenden Umstände dem Gericht mitteilt. Es können aber auch für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden, wenn er dieser Aufklärungspflicht nicht nachkommt. So sei es auch vorliegend. Denn der Antragsgegner habe nach eigener Angabe die Löschung der Verlinkung in den beiden Facebook-Gruppen vergessen. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, umfasse die Vornahme aller möglichen und zumutbaren Handlungen zur Beseitigung dieses Störungszustandes. Das bedeutet bei Aussagen im Internet, dass alle von der Unterlassungsverpflichtung betroffenen Inhalte nicht mehr im Internet aufgerufen werden können.
Aktives Nachforschen erforderlich
Das OLG Celle urteilte, vorliegend habe es sich um Äußerungen des Antragsgegners selbst gehandelt. Daher habe es ihm als aktiven Facebook-Nutzer oblegen, in den von ihm frequentierten Gruppen aktiv auch nach länger zurückliegenden Beiträgen zu forschen und diese zu löschen. Wenn die Zahl der vom Antragsgegner verfassten Beiträge und Verlinkungen so groß sei, dass er den Überblick verliert, gehe das zu seinen Lasten.
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 19.08.2022, Az. 5 W 25/22