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Zugangssperrung zu rechtsverletzender Internetseite

Landgericht München I, Urteil vom 07.06.2019, Az. 37 O 2516/18


Zugangssperrung zu rechtsverletzender Internetseite

Das Landgericht München I entschied mit Urteil vom 07.06.2019, dass kein Unterlassungsanspruch aus Störerhaftung gegenüber dem Internetprovider wegen rechtverletzender Inhalte Dritter bestehe. Allerdings könne der Rechteinhaber einen Sperranspruch gegen den Provider geltend machen. Dafür müsse der Rechteinhaber jedoch hinreichende Anstrengungen unternommen haben, den Rechtsverletzer selbst in Anspruch zu nehmen.

Wann liegen die Voraussetzungen für eine Zugangssperrung vor?
Klägerin war ein deutsches Tonträgerunternehmen; Beklagte ein Telekommunikationsunternehmen. Die Beklagte betreibt ein Telefonnetz, über das sie DSL-Internetzugänge zur Verfügung stellt und auch Netzzugänge für andere Serviceprovider bereithält. Über den beklagtenseitigen Internetzugang war auch eine bestimmte Webseite abrufbar, über die Urheberrechtsverletzungen per Sharhoster-Downloads begangen wurden. Die Klägerin beantragte eine Zugangssperrung der Webseite. Aufgrund Anonymisierungen und fehlender Betreiberangaben konnte der Webseitenbetreiber selbst nicht identifiziert werden. Hoster der Webseite war ein in Russland ansässiges Unternehmen. Die Klägerin nahm daher die Beklagte nach den Grundsätzen der Störerhaftung auf Unterlassung der Zugangsvermittlung zur Internetseite in Anspruch. Hilfsweise wollte sie den Zugang im Wege des DNS-Blockings sperren lassen.

Kein Unterlassungsanspruch aufgrund Störerhaftung
Das Landgericht München I entschied, dass der Unterlassungsantrag unbegründet sei. Die Inanspruchnahme der Beklagten aufgrund Störerhaftung laufe auf eine Unterlassungsverpflichtung hinaus. Diese werde jedoch im Telemediengesetz (TMG) ausdrücklich ausgeschlossen. Der Widerspruch lasse sich nur dadurch auflösen, dass die Anwendbarkeit auf Diensteanbieter beschränkt werde, die den Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk vermittele. Diese Auslegung stehe aber im Widerspruch zum gesetzlichen Wortlaut. Zudem widerspreche es auch der systematischen Stellung der zugrundeliegenden Norm als Konkretisierung zur Verantwortlichkeit der Diensteanbieter. Ohnehin sei auch der Grundsatz gleicher Verantwortlichkeit von Anbietern drahtgebundener und drahtloser (lokaler) Netzwerke zu berücksichtigen.

Sperranspruch aufgrund analoger Anwendung von § 7 Abs. 4 TMG
Das Gericht stellte aber fest, dass der Klägerin vielmehr ein Sperranspruch zustehe. Dabei orientierte es sich an der BGH-Entscheidung „Dead Island“. Der Sperranspruch resultiere aus der analogen Anwendung der einschlägigen Norm (§ 7 Abs. 4 TMG). Denn eine rein wortlautgetreue Auslegung liefe darauf hinaus, dass Anbieter drahtgebundener Internetzugänge gänzlich aus der Verantwortung genommen seien. Dies liefe aber dem Sinn und Zweck der Vorschriften zuwider. Denn ein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen drahtgebundenen und drahtlosen Zugangsanbietern sei nicht ersichtlich.

Urheberrechtsverletzung durch Filesharing
Auch eine Verletzung am Recht des geistigen Eigentums liege vor, so das Gericht weiter. Der Klägerin stünden die ausschließlichen Nutzungsrechte als Tonträgerhersteller an den Musiktitel zu, die über das rechtsverletztende Portal öffentlich zugänglich seien. Die Musiktitel seien über ein Filesharingsystem abrufbar, was sich anhand von entsprechenden Screenshots nachvollziehen ließ.

Zugang zu rechtsverletzenden Inhalten ausreichend
Das Landgericht legte die zugrundeliegende Rechtsnorm dahingehend aus, dass eine Verletzung bereits durch den Zugang zu den Inhalten gegeben sei. Es komme somit nicht darauf an, ob die Beklagte selbst die Inhalte hochlade bzw. zur Verfügung stelle oder ihr Kunde. Denn die zugrundeliegende Norm diene gerade dazu, gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler zu beantragen, deren Dienste für Urheberrechtsverletzungen genutzt werden. Dabei seien die Urheberrechtsverletzungen aber nicht nur abzustellen, sondern auch vorzubeugen. Dies setze aber voraus, dass die Rechtsinhaber tätig werden können, ohne einen tatsächlichen Zugriff nachweisen zu müssen. Dies gilt umso mehr, als eine Handlung bereits dann vorliege, wenn das Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde. Auf einen tatsächlichen Zugriff komme es folglich nicht an.

Alle Möglichkeiten ausgeschöpft, den Rechtsverletzer selbst in Anspruch zu nehmen
Die Klägerin habe außer der Inanspruchnahme der Beklagten keine andere Möglichkeit, der Rechtsverletzung abzuhelfen, so das Gericht weiter. Sie habe alle zumutbare Maßnahmen unternommen, die Identität des Webseitenbetreibers aufzudecken. Sie habe staatliche Ermittlungsbehörden eingeschaltet, private Nachforschungen angestellt und Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchgeführt. Trotzdem seien die Betreiber der Webseite nicht zu ermitteln gewesen. Insbesondere sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, gerichtliche Maßnahmen gegen Hostprovider in Russland einzuleiten bevor sie in Deutschland gegen die Beklagte als bloße Vermittlerin vorging. Es habe die begründete Befürchtung bestanden, dass die Seitenbetreiber (erneut) den Hostprovider wechseln und somit ein zuvor erstrittener Titel gegen den bisherigen Hostprovider wirkungslos wäre.

Sperrung ist verhältnismäßig
Das Landgericht befand, dass die Maßnahme auch verhältnismäßig sei. Die Sperrmaßnahme sei hinreichend effektiv gewesen, um unerlaubte Zugriffe zu verhindern oder zu erschweren. Zwar könne eine derartige Sperrmaßnahme einfach umgangen werden, indem anstelle des Domainnamens unmittelbar die numerische IP-Adresse anfragt werde. Da sich aber der Rechtsverletzer eines Anonymisierungsdienstes bedient habe, blieb im vorliegenden Fall diese Möglichkeit versagt. Auch stehe die Gefahr des sog. Overblockings dem nicht entgegen. Zwar sei eine DSN-Sperre grundsätzlich bedenklich, da sie den Zugang zur Website insgesamt blockiere. Damit seien auch legale Inhalte nicht mehr abrufbar. Allerdings dürfe sich der Anbieter eines rechtsverletzenden Angebotes nicht hinter wenigen legalen Angeboten verstecken können.

Landgericht München I, Urteil vom 07.06.2019, Az. 37 O 2516/18


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