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YouNow: Exhibitionisten im Kinderzimmer

Zu den Gefahren von Live-Streams von Minderjährigen am Beispiel der Plattform YouNow


YouNow: Exhibitionisten im Kinderzimmer

Das Konzept der Plattform YouNow scheint ebenso simpel wie nützlich. Seine eigene kreative Leistung in Bild und Ton direkt live ins Internet streamen. Jeder User kann über eine Kommentarfunktion seine Sicht der Dinge dazu äußern, den YouNower liken oder ihm sogar Geschenke machen. Je mehr Empfehlungen und Betrachter der YouNower hat, desto höher klettert sein „Level“ auf der Plattform und ist somit ein erstes Indiz für seine Beliebtheit. Will man zu den „TRENDING PEOPLE“ gehören, muss man ordentlich Likes von seinen Zuschauern sammeln um sein Ranking zu verbessern. Der Run nach immer mehr Likes, Views, Visitors hat begonnen.

Laut den (durchaus ehrenwerten aber in der Umsetzung völlig unzureichenden) Nutzungsbedingungen ist YouNow nicht für Personen unter 13 Jahren gedacht. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen nach den YouNow Nutzungsbedingungen nur mit dem Einverständnis ihrer Eltern teilnehmen. Das ist die Theorie. Wer jedoch über einen Facebook, Google+ oder Twitter- Account verfügt, kann diesen nutzen, um sich bei YouNow anzumelden. So wird es auch zu erklären sein, dass allein in den vergangenen zwei Monaten die Zahl der deutschen Nutzer auf der Plattform YouNow angeblich um 250 Prozent angestiegen sein soll.

Wer lange genug zuschaut erfährt so einiges
YouNow, eigentlich als Promotion- Plattform für Musiker und andere Kreative gedacht, hält nunmehr Einzug in deutsche Kinderzimmer. Soweit so gut. Das eigentlich Bedenkliche daran ist jedoch die Tatsache, dass hier auch Kinder, die noch nicht einmal den Zenit ihrer Grundschulzeit überschritten haben dürften, über sich, ihr Leben und was sonst noch interessiert –oder auch nicht- allzu freizügig live in die Welt posaunen.

So auch Lara (Name geändert). Zu einer Uhrzeit, zu der gewöhnlicher Weise Kinder mit ca. 12 bis 14 Jahren in der Schule sitzen, streamt Lara mobil mit ihrem Smartphone direkt aus der Kosmetikabteilung einer großen deutschen Drogeriemarktkette. Beim Bezahlen lässt sich sogar ungefähr erkennen, wie viel Bargeld sie bei sich führt. Ebenso, wo Lara nach ihrem Einkauf in den Bus einsteigt, wer mit ihr im Bus sitzt und wo sie ihn wieder verlässt. Auf dem Fußweg nach Hause reißt der Stream zwar immer mal wieder ab. Durch die weite Kameraeinstellung von Laras Smartphone lässt sich jedoch der Straßenname erkennen, in dem Lara wohnt. Hausnummer ist die 17. In ihrem Zimmer angekommen, legt sie erstmals eine CD ihrer Lieblingsband ein und dreht auf. Es folgt eine minutenlange Tanzeinlage. Die Musik ist von nun an andauernd im Hintergrund zu hören.

Einen Kanal weiter streamt sich gerade der kleine Ben (Name geändert), geschätzte 11 Jahre, wie er sich bei Minecraft einloggt um seinen Beobachtern stolz seinen neuen Level zu präsentieren. Das Passwort lautet „Illidan“.

Hinzu kommen noch weitere Umstände, die die Möglichkeiten einer „Datensammlung“ durch den Betrachter abrunden. So bekommen die Kids häufig von den Eltern ein Smartphone geschenkt, das auf den Realnamen angemeldet ist oder das YouNow Profil wurde mit den entsprechenden Informationen gefüttert.

Die Möglichkeit sich auf YouNow über ein verknüpftes Facebook, Google+ oder Twitterkonto einzuloggen tut ihr Übriges. Die Nachnamen von Lara und Ben sind hierdurch auch bekannt; trotz verwendetem YouNow- Pseudonym. Der Sportverein von Ben ebenfalls. Und das innerhalb von nicht mal einer Minute.

Über den parallel zu Stream laufenden Chat versuchen Zuschauer dem YouNower weitere Informationen zu entlocken und mit dem YouNower in engeren Kontakt zu treten. Da der kleine Ben die ganze Zeit alleine vor seiner Webcam zu sehen war, dauerte es auch nicht lange, bis  Ben von einem User gefragt wurde, wo seine Eltern wären.

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Einen Stream weiter wurde einer minderjährigen YouNowerin Geld zum Shoppen angeboten.

YouNow Aufforderung4
Ob den Kids hierbei bewusst ist, dass sie diese Informationen, die sie mit einem angeblich so harmlosen Stream über sich preisgeben, nicht mehr zurücknehmen können, mag ich sehr zu bezweifeln. Vielmehr werden diese Informationen blauäugig und nichtsahnend als Gegenleistung für die gesuchte Anerkennung herausgegeben. Oft sicherlich völlig unbedacht und ohne Hilfestellung eines Erwachsenen mit dem entsprechenden „Fingerspitzengefühl“, was an den möglichen Folgen jedoch nichts ändert.

Diese Folgen können jedoch fatal sein, wie mein „Selbstversuch“ zeigte. Insofern kann Eltern nur angeraten werden, sich mit diesem neuen Dienst eingehend auseinander zu setzen und mit den Kids gemeinsam die Gefahren zu besprechen, die ein solches Livestreaming mit sich bringt.

Bei einem Dienst wie YouNow müssen Eltern wissen, worüber sie sprechen und was ihre Kinder aus dem eigenen Kinderzimmer für Risiken eingehen. Nur mit diesem Wissen können die Gefahren erkannt und (vielleicht auch) in der Zukunft vermieden werden.

Cybermobbing leicht gemacht
Kinder können grausam sein. Erwachsene noch mehr. Beleidigungen und sexuelle Anmachen sind bei YouNow keine Ausnahme. Zwei harmlosere Beispiele:

YouNow Beleidigung1

YouNow Beleidigung2
Von einer Netiquette kann keine Rede sein. Von den YouNowern werden insofern auch Nehmerqualitäten gefordert, die sicherlich für die ein oder andere schlaflose Nacht bei zart besaiteten YouNowern sorgen dürften. Jedoch scheint der Wunsch ein YouNow-Star, ähnlich den YouTube Größen zu werden es wert zu sein, sich auch solchen Anfeindungen auszusetzen.

Ein Eldorado für Pädophile
So viele Minderjährige live auf dem Rechner in der eigenen Wohnung. Mit direktem Blick ins Kinderzimmer des minderjährigen YouNowers. Da kommt eine Frage wie „Welchen Körperteil von Dir magst du am liebsten?“ oder die Aufforderung „Deine Strings möchten wir sehen…“ nicht unerwartet. Dies insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass bei YouNow keinerlei Zugangskontrollen stattfinden, somit jeder Zugriff auf die Streams und Chatverläufe hat und bei geplantem und bedachtem Vorgehen ein weitgehend anonymes Zuschauen durchaus möglich ist.

YouNow Aufforderung2

YouNow Aufforderung1 1Auch hier beschränke ich mich auf „harmlosere“ Fragen und Aufforderungen. Die Realität sieht anders aus. Aufforderungen sich auszuziehen sind im Schutz der angeblichen Anonymität schnell ausgesprochen. Jedoch ist hier endgültig Schluss mit lustig.

§ 184c StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz jugendpornographischer Schriften) bestimmt hierzu:

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. eine jugendpornographische Schrift verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; jugendpornographisch ist eine pornographische Schrift (§ 11 Absatz 3), wenn sie zum Gegenstand hat:
a) sexuelle Handlungen von, an oder vor einer vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person oder
b) die Wiedergabe einer ganz oder teilweise unbekleideten vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alten Person in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung.

Als sogenannte Jugendpornografie werden somit "sexuelle Handlungen von, an oder vor" einer Person unter 18 ebenso wie die Wiedergabe eines "ganz oder teilweise unbekleideten" Minderjährigen "in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung" definiert.

Eltern sollten in jedem Falle ihre Kinder im Umgang mit Chatpartnern aufklären, damit mit derartigen Situationen umzugehen wissen. Letztendlich besteht auch die Möglichkeit, solche Vorgänge den Strafverfolgungsbehörden zu übergeben. In diesem Fall ist es von großer Wichtigkeit, dass die entsprechenden Chatverläufe gesichert werden.

Auch die Pornoindustrie „streamt“ nebenan
Die Pornoindustrie hat YouNow schon längst als Werbeplattform für sich entdeckt. Ob hier tatsächlich Livestreams stattfinden oder einfach nur Videos eingespielt werden, lässt sich schwer feststellen. Die sexuellen Inhalte sind jedoch eindeutig und für jeden User frei zugänglich. Auch für Kinder. Die völlige Kapitulation des Jugendschutzes.

YouNow Sex
Persönlichkeitsverletzungen massenweise
Nochmal zurück zu Lara und ihrer gestreamten Shoppingtour. Auf dem Stream waren zahlreiche weitere Personen zu sehen. Im Laden, in der Fußgängerzone und im Bus. Wissen diese Personen nichts davon, dass sie gefilmt und im Internet gestreamt werden und liegt kein Einverständnis oder eine Einwilligung dieser Personen vor, werden diese Personen in Ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Der YouNower setzt sich insofern der Gefahr einer Abmahnung aus, zumal das Filmen Dritter diese in ihrem Recht am eigenen Bild verletzt.

Ebenfalls beliebt ist das Streamen einer Party live ins Internet. So kann doch dann jeder sehen, was für coole Partys man feiert. Wer z.B. eine Party live ins Internet streamt, verletzt zudem die Rechte der Betroffenen am gesprochen Wort. Auch dies kann in einer Abmahnung enden.

Des Weiteren kann sich der YouNower u.U. auch strafbar gem. § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) machen. § 201 StGB bestimmt hierzu:

„(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt
1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder
2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt
1. das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder
2. das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.“

§ 201 StGB schützt die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes und stellt die Aufnahme und Veröffentlichung heimlich aufgenommener Gespräche unter Strafe. Streamt der YouNower bei der Party (auch) Gespräche, die vertraulich und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, sollte er sich der u.U. auf ihn zukommenden strafrechtlichen Konsequenzen bewusst sein.

Wenn die GEMA schreibt
Zugegeben, in diesem Zusammenhang wird wohl kaum ein minderjähriger YouNower an die GEMA denken. Fakt ist jedoch, dass Tondarbietungen, somit auch Musik, die öffentlich über das Internet gestreamt werden, zu vergüten sind. Das gilt für den Stream von der Vereinsfeier ebenso wie für den Kinderzimmer- Stream. Die öffentliche Nutzung des Großteils der in dieser Altersgruppe konsumierten Musik muss bei der GEMA angemeldet werden. Die Nichtbeachtung kann erhebliche Forderungen der GEMA nach sich ziehen.
Risiko von Kopien inklusive
Auch sollte den YouNowern bewusst sein, dass es heute mit einfachsten technischen Mitteln möglich ist, solche Livestreams aufzuzeichnen und auf dem eigenen Rechner zu speichern. In diesem Moment verliert der YouNower jegliche Kontrolle über „seinen“ Stream. Die Tür steht sodann für Cybermobbing weit offen.

Urheberrechtliche Abmahnungen (auch gegenüber Minderjährigen) drohen
Neben der GEMA können auch die Inhaber der Urheberrechte, so insbesondere die Musikindustrie, zur Gefahrenquelle werden. Wird zum Beispiel der Stream aus dem Kinderzimmer auch bloß beiläufig z.B. mit Musik aus den aktuellen Charts „untermalt“, könnten die Rechteinhaber eine rechtswidrige Verletzung ihres Senderechts oder ihres Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung sehen.

§ 15 Abs. 2 UrhG bestimmt:

"Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

    1.das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
    2.das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
    3.das Senderecht (§ 20)."

Nach § 20 UrhG handelt es sich bei dem Senderecht, um das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Als Funksendung durch „ähnliche technische Mittel“ werden alle Arten von Sendungen im Internet erfasst, die zu einem vom Sendenden bestimmten Zeitpunkt zeitgleich an eine Öffentlichkeit gerichtet sind. Deshalb sind nach herrschender Meinung z.B. Sendungen im Webradio oder Internet-TV Funksendungen im Sinne von § 20 UrhG (Schricker/Loewenheim/v. Ungern-Sternberg Vor §§ 20 ff. Rn. 7 und § 20 Rn. 45; BDS/Haberstumpf § 19a Rn. 5; Fromm/Nordemann/Dustmann § 19a Rn. 20 und Rn. 24 f.).

§ 19a UrhG definiert ferner:

"Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist."

Sollte eine Urheberrechtsverletzung vorliegen, können auch Minderjährige zur Haftung herangezogen werden. In seinem Beschluss vom 03.02.2011 führt der Bundesgerichtshof (BGH) unter dem Aktenzeichen I ZA 17/10 aus:

Der Beklagte macht hinsichtlich seiner Verurteilung zur Unterlassung und zur Zahlung von Schadensersatz geltend, die Frage der Zurechenbarkeit des rechtswidrigen Tuns eines Dritten zum Nachteil eines Minderjährigen habe grundsätzliche Bedeutung. (…) Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es im Streitfall nicht um die rechtsgeschäftliche Tätigkeit eines Minderjährigen im Internet geht, sondern um seine Haftung für ein deliktisches Verhalten, nämlich eine Verletzung fremder Urheberrechte. Die vom Beklagten in seinem Prozesskostenhilfeantrag erörterten Rechtsfragen des Minderjährigenschutzes nach §§ 104 ff. BGB stellen sich daher nicht.

Der Jugendliche musste insgesamt 9.015,38 € zahlen und zusätzlich die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Ob sich Minderjährige dieser möglichen Konsequenzen und Risiken bewusst sind, erscheint fraglich, sodass auch hier das Elternhaus zum Schutze der Kinder dringend gefordert ist.

Fazit
Letztendlich muss jeder selbst wissen, ob er einen solchen Dienst auf diese Art und Weise nutzen möchte. Ob Minderjährige über diese Urteilsfähigkeit verfügen, mag ich zu bezweifeln. Insofern sind die Erziehungsberechtigten zum Schutz ihrer Kinder verpflichtet, präventiv tätig zu werden. Bevor es zu spät ist.


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