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Werbeblocker mit Whitelist-Funktion zulässig

LG Hamburg, Urteil vom 25.11.2016, Az. 315 O 293/15


Werbeblocker mit Whitelist-Funktion zulässig

Spiegel Online unterliegt vor dem Landgericht Hamburg im Verfahren um ein Verbot des Werbeblockers AdBlock Plus (Urteil vom 25.11.2016, Az. 315 O 293/15). Die Hamburger Richter sehen im Handeln der Herstellerin von AdBlock Plus, die ihre Einnahmen generiert, indem sie gewisse Werbung gegen Entgelt zulässt, keinen Wettbewerbsverstoß. Sie begründen ihre Entscheidung damit, dass die Blockade der Werbung aufseiten des Nutzers erfolgt und auf dessen informationellem Selbstbestimmungsrecht beruht. Außerdem habe Spiegel Online die Möglichkeit, Nutzer von Werbeblockern von ihrem Angebot auszuschließen.

Sachverhalt
Den Werbeblocker AdBlock Plus von Eyeo GmbH zeichnet aus, dass er Werbung nicht unterschiedslos blockiert. Neben einer Blacklist, in der Kriterien für den Ausschluss von Werbung festgelegt sind, enthält die Software zusätzlich eine Whitelist. Darin sind Ausnahmen von der Werbeblockade definiert. Webseitenbetreiber können bei Eyeo die Aufnahme ihrer Werbung in die Whitelist beantragen. Voraussetzung ist, dass die Werbung nach den Kriterien des Softwareherstellers als akzeptabel gilt. Insbesondere muss sie unaufdringlich sein, darf keine Animationen enthalten und den Inhalt nicht verdecken.

Für das Whitelisting verlangt Eyeo von den Betreibern großer Webseiten eine Gebühr von 30 Prozent der dadurch entstandenen Zusatzeinnahmen. Für Webseiten mit geringerer Reichweite ist die Freischaltung akzeptabler Werbung kostenlos. Die Benutzer von AdBlock Plus können die Whitelist-Funktion ausschalten, sodass alle Werbeinhalte blockiert werden. Standardmäßig ist sie allerdings aktiviert.

Die Betreiberin von Spiegel Online sieht im Geschäftsmodell von Eyeo einen Wettbewerbsverstoß. Durch AdBlock Plus trenne sie das Kölner Softwareunternehmen von ihrer hauptsächlichen Einnahmequelle und zwinge sie für die Freischaltung der Werbung zu zahlen. Sie verklagte Eyeo daher auf Unterlassung, Auskunft und die Feststellung einer Schadensersatzpflicht.

Aus den Gründen
Das Landgericht Hamburg weist die Klage vollumfänglich zurück. Eine gezielte Behinderung gemäß § 4 Nr. 4 UWG verneint es. Die Beklagte handle ohne Schädigungsabsicht. Auch liege keine übermäßige Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Klägerin vor. Die Beklagte greife nicht in die betrieblichen Vorgänge der Klägerin ein. Werbung und redaktionelle Inhalte lägen auf getrennten Servern und würden erst auf dem Rechner des Nutzers zusammengeführt. AdBlock Plus störe nicht das Absenden der Datenströme, sondern unterbinde, dass einzelne Datenpakete abgerufen würden.
Die Richter betonen, die Werbeblockade beruhe auf einer eigenständigen Entscheidung des Nutzers und finde in dessen Sphäre statt. Der Nutzer könne aufgrund der negativen Informationsfreiheit selbst bestimmen, welche Inhalte er in seiner Sphäre wahrnehmen wolle. Die Software der Beklagten sei mithin ein Instrument zur Stärkung seiner Privatautonomie.

Zwar schütze die Medienfreiheit die Finanzierung journalistischer Inhalte durch Werbung. Sie finde aber ihre Schranken in kollidierenden Grundrechten. So gestatte sie Medienanbietern nicht, Internetnutzern unerwünschte Werbung aufzudrängen. Im Übrigen müsse die Klägerin akzeptieren, dass ihre Nutzer die Werbefinanzierung unterliefen, da sie keine technischen Schutzmaßnahmen gegen Werbeblocker ergriffen habe.

Was das selektive Zulassen von Werbung durch Whitelisting betrifft, kann die Kammer ohnehin keine gezielte Behinderung erkennen.
Ebenso wenig vermag sie im Geschäftsmodell der Beklagten eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a Abs. 1 UWG auszumachen. Es handle sich nicht um Nötigung. Das Whitelisting übe einen erheblichen Anreiz auf die Klägerin aus, eine Vergütung zu zahlen. Die Zahlung sei indes nicht alternativlos. Gleichermaßen negieren die Hamburger Richter das Vorliegen einer unzulässigen Beeinflussung. Weder habe die Beklagte die Klägerin zu irrationalem Verhalten verleitet noch habe sie ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt. Vielmehr habe sich die Klägerin dem Druck der Beklagten entzogen, indem sie auf ein Whitelisting verzichtet habe. Überhaupt sei das Whitelisting nicht geeignet, Druck auf die Klägerin auszuüben, zumal es ihre Werbemöglichkeiten ausweite und nicht einschränke.

Sodann liegt für das Landgericht keine allgemeine Marktbehinderung vor. Der Werbeblocker der Beklagten behindere zwar das Finanzierungsmodell der Klägerin. Er sei jedoch nicht geeignet, journalistische Inhalte im Internet grundsätzlich vom Markt zu verdrängen. Zudem habe die Klägerin die Möglichkeit, Nutzer von Werbeblockern von ihrem Angebot auszusperren oder eine Bezahlschranke einzurichten. Das Verbot der allgemeinen Marktbehinderung diene nicht dem Erhalt des Status quo. Dass sich Unternehmen an neue Marktbedingungen anpassen müssten, gehöre zum Wesen des Wettbewerbs.

LG Hamburg, Urteil vom 25.11.2016, Az. 315 O 293/15


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