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Löschungsanspruch gegen Google

Recht auf Vergessenwerden wegen Zeitablauf


Löschungsanspruch gegen Google

Ein weiteres Urteil zum „Recht auf Vergessenwerden“ in den Google-Suchergebnissen: das Landgericht Frankfurt am Main vertritt die Ansicht, an einem fast 35 Jahre zurückliegenden Ereignis besteht kein Informationsinteresse mehr. Die Links in den Suchergebnissen zu Veröffentlichungen dazu muss Google löschen, wenn noch dazu in den Beiträgen falsche Tatsachen behauptet werden und das Persönlichkeitsrecht des Klägers dadurch verletzt wird.

Gewalttätige Auseinandersetzung mit späten Folgen 
Diesmal handelte es sich bei dem Kläger um einen früheren iranischen Staatsbürger, der heute eingebürgert ist und in Deutschland lebt. Er ist Geschäftsführer und teilweiser Gesellschafter dreier Unternehmen, die Handelsbeziehungen in den Iran unterhalten. Die Klage gegen Google fand vor dem Hintergrund der folgenden Geschehnisse statt: Im Jahr 1982 kam es in einem Mainzer Studentenwohnheim zwischen mehreren hundert Studenten zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung, bei der u. a. ein Tötungsdelikt und Körperverletzung begangen wurden. Im Zusammenhang mit dieser Auseinandersetzung wurde damals auch der Kläger verhaftet.

Kläger soll mit iranischem Geheimdienst kooperiert haben
Gab man nun, viele Jahre später, den Vor- und Nachnamen des Klägers in die Google-Suchmaske ein, so erschien in den Suchergebnissen eine URL, auf deren Seite über die Beziehungen eines iranischen Geheimdienstmitarbeiters berichtet wurde. Genannt wurde auch der Kläger, mit Geburtsdatum und -ort, mit dem der Geheimagent eng zusammengearbeitet haben soll. Außerdem wurde behauptet, der Kläger sowie der Geheimdienstmitarbeiter seien an der Auseinandersetzung in Mainz 1982 beteiligt gewesen. Auch weitere Google-Suchergebnisse führten auf Webseiten, auf denen der Kläger als Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes genannt und seine Verhaftung im Jahr 1982 erwähnt wurde.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht durch Internetberichte verletzt
Die streitgegenständlichen URLs waren im Laufe des Verfahrens nicht mehr abrufbar und wurden auch in den Google-Suchergebnissen nicht mehr angezeigt. Bereits vorher, mit Schreiben vom 02.08.2016, forderte der Kläger Google auf, die URLs aus den Suchergebnissen zu seinem Namen zu löschen. Er habe ein Recht auf Vergessenwerden bzgl. der 35 Jahre zurück liegenden Ereignisse, die auch nicht mehr Gegenstand justizieller Verfahren seien. Wegen der Auseinandersetzung 1982 habe nicht einmal ein Ermittlungsverfahren gegen ihn stattgefunden. Wegen der Veröffentlichungen habe er berufliche und private Nachteile erlitten. Sein allgemeines Persönlichkeitsrecht sowie sein Ansehen in der Öffentlichkeit und sein Resozialisierungsinteresse seien hier verletzt worden. Google hingegen war der Ansicht, an den beanstandeten Veröffentlichungen bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse. Daraufhin erhob der Kläger gegen Google Klage auf Unterlassung der Verlinkung seines Namens mit den verschiedenen streitgegenständlichen URLs.

Datenlöschung betrifft auch die Zukunft
Das Landgericht stellte zunächst fest, dass aus dem in Art. 17 Abs 1 DS-GVO normierten Löschungsanspruch ein Anspruch auf Unterlassung der Datenverarbeitung für die Zukunft folge. Der Betroffene habe hier nach den Erwägungsgründen der DS-GVO einen Anspruch darauf, „dass seine personenbezogenen Daten gelöscht und nicht mehr verarbeitet werden“. Dies spreche dafür, dass die Unterlassung der Datenverarbeitung in der Zukunft auch Teil der Löschung im Sinne des Art. 17 DS-GVO sei. Das „Recht auf Vergessenwerden“ laufe leer, wenn der Verantwortliche die Daten nach der Löschung erneut verarbeiten dürfe. Der Kläger habe einen Löschungsanspruchs, weil Google seine personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet habe. Eine Verarbeitung sei rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sei, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen.

Kläger lieferte „konkreten Hinweis“ auf „offensichtliche Rechtsverletzung“
Auf Seiten des Klägers stehe sein Recht auf Schutz seiner personenbezogenen Daten, sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, die Unschuldsvermutung sowie seine Berufs- und unternehmerische Freiheit. Auf der anderen Seite stehe vor allem die Freiheit der Meinungsäußerung sowohl der Google-Betreiberin als auch der Internetnutzer. Die Besonderheit bei Internet-Suchmaschinen wie Google sei, dass erst dann Verhaltenspflichten – vor allem zunächst Prüfpflichten – einzuhalten seien, wenn die Betreiber durch einen „konkreten Hinweis“ Kenntnis von einer „offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Verletzung der Rechte einer betroffenen Person“ erlangt haben. Diesen Grundsatz habe der BGH in seiner Entscheidung „Internetforum“ (BGH, GRUR 2018, 642, 645) festgelegt.

Interessenabwägung zugunsten des Klägers
Das Schreiben des Klägers an Google enthalte einen solchen „konkreten Hinweis“, da hieraus die Erledigung jeglichen Informationsinteresses durch Zeitablauf hervorgehe. Der Kläger habe deutlich beschrieben, dass die Ereignisse fast 35 Jahre zurück liegen und er von seinem „Recht auf Vergessenwerden“ Gebrauch mache. Er wies außerdem darauf hin, dass alle justiziellen Verfahren gegen ihn ohne Verurteilung abgeschlossen wurden und über die Geschehnisse auch in den Medien nicht mehr berichtet werde. Daher bestehe das öffentliche Interesse hieran auch nicht aus anderen als zeitlichen Gründen fort. Auch die Unschuldsvermutung spiele eine Rolle. Er sei nie wegen einer Agententätigkeit verurteilt worden. Dies werde in den Veröffentlichungen jedoch behauptet. Ebenso habe der Kläger ein berechtigtes Resozialisierungsinteresse. Denn wenn dies schon bei verurteilten Straftätern von Belang ist, muss dies erst recht bei Publikationen über mutmaßliche Straftäter gelten, die nie verurteilt wurden. Die Veröffentlichungen führen außerdem zu einem gesellschaftlichen Unwerturteil, was die berufliche Tätigkeit des Klägers beeinträchtige. Für ein überwiegendes Interesse Googles spreche hingegen nicht viel. Eine Interessenabwägung falle zugunsten des Klägers aus.

Es ging um Tatsachen – nicht um Schmähkritik
Das Landgericht wies auch darauf hin, dass es vorliegend nicht um Schmähkritik gehe. Dies sei wichtig, da der BGH in einigen Urteilen zur Haftung der Suchmaschinenbetreiber eine „Offenkundigkeit der Rechtsverstöße“ abgelehnt hatte, weil Google nicht sicher und eindeutig feststellen konnte, ob die kritisierten Tatsachen wahr waren oder nicht. Nach dem oben genannten BGH-Grundsatz entstehen seitens Google eben nur bei „offenkundigen Rechtsverstößen“ Verhaltenspflichten. Das heißt, Suchmaschinenbetreiber haben grundsätzlich schon eine Prüfpflicht. Die Anforderungen an einen „konkreten Hinweis“ auf einen „offenkundigen Rechtsverstoß“ seien jedoch sehr hoch, da die Nutzbarmachung des Internets durch Suchmaschinen sonst gefährdet wäre. Vorliegend habe der Kläger alle Tatsachen mitgeteilt, die nötig waren, um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Publikationen zu ermöglichen. Google habe lediglich noch die rechtliche Bewertung vornehmen müssen. Der Aufwand der Überprüfung wäre auch gering und damit zumutbar gewesen.

Zwischenzeitliche Löschung steht Unterlassungsanspruch nicht entgegen
Zuletzt kam das Landgericht auch noch darauf zurück, dass die Unterlassung der Datenverarbeitung in der Zukunft auch Teil der Löschung im Sinne des Art. 17 DS-GVO sei. Die beanstandeten URLs seien zwischenzeitlich nämlich nicht mehr in den Suchergebnissen angezeigt worden. Bei europarechtlich autonomer Auslegung des Art. 17 DS-GVO bedürfe es nach Ansicht des Landgerichts aber nicht der Annahme einer Wiederholungsgefahr, wie dies bei einem Unterlassungsanspruch der Fall sei, der auf nationales Recht gestützt ist. Daher stehe die zwischenzeitliche Löschung der Veröffentlichung einem Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Im Ergebnis sei festzustellen, dass dem Kläger der Unterlassungsanspruch nach Art. 17 Abs.1 DS-GVO gegen die beklagte Google-Betreiberin zustehe.

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.06.2019, Az. 2-03 O 315/17


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