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Kündigung einer Online- Mitgliedschaft ohne Sachgrund

Amtsgericht Saarlouis, Urteil vom 01.04.2020, Az. 25 C 1233/19 (12)


Kündigung einer Online- Mitgliedschaft ohne Sachgrund

Das Amtsgericht Saarlouis hat mit Urteil vom 01.04.2020 entschieden, dass der Betreiber eines kostenlosen Online Forums eine Mitgliedschaft nur dann sofort kündigen darf, sofern dafür ein sachlicher Grund besteht. Eine Klausel in den AGB, die besagt: „wir erhalten uns ebenso das Recht vor, Benutzer ohne Angaben von Gründen auf unserer Plattform zu sperren und zu entfernen" ist rechtswidrig.

Sachverhalt
Der Kläger ist ehemaliges Mitglied der von der Beklagten betriebenen öffentlichen Internetplattform www.gvmp.de, auf der er am 3.8.2017 ein Benutzerkonto angelegt und in der Folgezeit den Account genutzt hat. Durch das Freischalten des Benutzerkontos bzw. des Accounts durch den Beklagten war gem. § 145 ff. BGB ein Nutzungsvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen. Nachdem es zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu Differenzen kam, kündigte letzterer dem Kläger die Mitgliedschaft, was jedoch ohne sachlichen Grund geschehen war. Hiergegen ging der Kläger gerichtlich vor. Nachdem der Beklagte bestritten hatte, dass der in Rede stehende Account dem Kläger nicht zustehe, konnte dieser durch das Einreichen eines Screenshots des Benutzerprofils in einer § 286 ZPO genügenden Art und Weise darlegen, dass das streitgegenständliche Benutzerkonto auch tatsächlich ihm zuzuordnen war.

In den AGB der Internetplattform hieß es unter anderem:

„wir erhalten uns ebenso das Recht vor, Benutzer ohne Angaben von Gründen auf unserer Plattform zu sperren und zu entfernen“

Hausrecht darf nicht willkürlich ausgeübt werden
Eröffnet ein Eigentümer sein Geschäft für den allgemeinen Publikumsverkehr, so bringt er zum Ausdruck, dass er an jedem Kunden Leistung erbringen will. In diesen Fällen erteilt er eine Zutrittsbefugnis, die generell für jeden gilt unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall. Die Zutrittsbefugnis gilt, solange und soweit der Besucher keinen Anlass dazu gibt, ihn von dieser Befugnis wieder auszuschließen (BGH, NJW 1994,188 f. mit weiteren Nachweisen). Gerechtfertigt wäre ein solcher Ausschluss insbesondere bei Störungen des Betriebsablaufes. Es gilt jedoch der Grundsatz, dass das Verbot widersprüchlichen Verhaltens eine Bindung des Eigentümers an den Zutritt veranlasst, die es ihm verbietet, sein Hausrecht willkürlich auszuüben (Christensen, Taschenkontrolle im Supermarkt und Hausverbot, JuS 1996,873).

Virtuelles Hausrecht hat gleiche Einschränkungen
In vorliegender Konstellation verhält es sich nicht anders. Indem der beklagte Betreiber generell jedem Internetbesucher anbietet, seine Internetplattform kostenlos zu nutzen, hat er generell an jedem Kunden ein Leistungsinteresse. Zwar steht ihm grundsätzlich das sogenannte virtuelle Hausrecht zu, es gelten hier jedoch die gleichen Regeln wie beispielsweise für den Eigentümer eines Ladens, sodass er bei seinen Angeboten an die Allgemeinheit nicht gegen das genannte Willkürverbot verstoßen darf. Da abgesehen von der Registrierung zur Mitgliedschaft, welche lediglich die Eingabe von Passwort, Geburtsdatum und E-Mail Adresse auf der Internetplattform voraussetzt, keine besonderen Zugangskontrollen stattfinden, war der Beklagte nicht berechtigt, Benutzer von seiner Plattform nach Belieben auszuschließen.

Unwirksamkeit der Klausel aus den AGB
Das Gericht war der Ansicht, dass eine voraussetzungslose Sperre des Benutzerkontos nicht möglich sei (so auch das Landgericht Frankfurt, Urteil vom 14.5.2018, Az. 2-03 O 182/18). Selbst, wenn der zwischen den Parteien bestehende Nutzungsvertrag dienstvertragliche Elemente aufweise, so gebe § 626 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Nutzungsbedingungen, in denen es wörtlich heißt: „wir erhalten uns ebenso das Recht vor, Benutzer ohne Angaben von Gründen auf unserer Plattform zu sperren und zu entfernen“ dem Beklagten nicht das Recht, Nutzer nach Belieben auszuschließen. Das Amtsgericht stellte klar, dass die Klausel gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt und deshalb unwirksam sei. Ohne weiteres handele es sich bei den zitierten Nutzungsbedingungen um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 I BGB, da diese vorformuliert vom Beklagten gestellt werden und für alle abgeschlossenen Nutzungsverträge gelten. Insbesondere ergebe sich ein Verstoß gegen das Willkürverbot daraus, dass die zitierte Klausel dem Betreiber der Plattform ermögliche, Nutzer ohne das Vorliegen sachlicher Gründe auszuschließen. Hierbei spiele auch keine Rolle, dass es sich bei dem Nutzungsverhältnis um ein unentgeltliches handelt, da die Geltung der Regelungen zu allgemeinen Geschäftsbedingungen der §§ 305 ff. nicht nach der Art des Vertrages differenzieren, sondern für alle Verträge gelten, in denen vorformulierte Vertragsbedingungen gestellt werden.

Die Freiheit des Nutzers
Schutzpflichten des Betreibers, die aus dem zwischen ihm und dem Nutzer geschlossenen Vertrag aus § 241 Abs. 2 BGB hervorgehen, veranlassen auch, im Wege der mittelbaren Drittwirkung die Grundrechte des Nutzers zu berücksichtigen. Dies führt insbesondere dazu, dass der Nutzer grundsätzlich ohne Furcht vor Sperren zulässige Aktionen auf der Plattform vornehmen darf. Voraussetzung für einen Ausschluss ist, wie uns dieses Urteil verdeutlicht, dass dieser sachlich gerechtfertigt ist und nicht willkürlich erfolgt.

Amtsgericht Saarlouis, Urteil vom 01.04.2020, Az. 25 C 1233/19 (12)


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