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Keine Verwendung von Pseudonymen bei Facebook

Oberlandesgericht München, Urteil vom 08.12.2020, Az. 18 U 5493/19


Keine Verwendung von Pseudonymen bei Facebook

Das Oberlandesgericht München entschied am 08.12.2020, dass Facebook die Nutzung von Pseudonymen verbieten dürfe und damit Klarnamen verlangen könne. Denn aufgrund des weitverbreiteten Verhaltens im Internet wie Belästigungen, Beleidigungen und Hassrede sei eine solche Verpflichtung legitim.

Klarname oder Pseudonym?
Klägerin war eine Facebook-Nutzerin. Sie verlangte von Facebook die Freischaltung ihres unter einem Pseudonym angelegten Nutzerkontos. Das Konto hatte Facebook gesperrt, nachdem die Klägerin der Aufforderung, ihren Profilnamen zu ändern, nicht nachkam. Die Vorinstanz hatte zu Gunsten der Klägerin entschieden. Denn die Regelung in den Nutzungsbedingungen von Facebook, wonach Facebook-Nutzer ihre wahren Namen und Daten anzugeben hätten, verstoße gegen das Telemediengesetz (TMG). Es bestehe ein Interesse der Klägerin, ihre Meinung auch anonym zu äußern und persönlich für andere Nutzer nicht ohne Weiteres identifizierbar zu sein. Gegen das Urteil legten beide Parteien Berufung ein.

Pflicht zu Echtnamen rechtskonform
Das Oberlandesgericht München entschied, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Freischalter unter einem Pseudonym habe. Denn die maßgeblichen Nutzungsbedingungen der Beklagten und die Verpflichtung zur Verwendung des wahren Namens halte der rechtlichen Überprüfung stand. Insbesondere sei die Klausel nicht mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Bestimmung des § 13 Abs. 6 TMG unvereinbar.

Europäisches Recht vs. Nationales Recht
Das OLG befasste sich mit einem möglichen Anwendungsvorrang der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Ein solcher Anwendungsvorrang greife immer dann, wenn zwischen dem europäischen Recht (DSGVO) und dem nationalen deutschen Recht (TMG) ein Widerspruch auftrete. Das Recht der Europäischen Union dränge das nationale Recht in dessen Anwendung soweit zurück, wie es die Verträge erfordern und es die Rechtsanwendungsbefehle erlauben. Es sei daher Sache der innerstaatlichen Gerichte, die Vorschriften des nationalen Rechts so auszulegen, dass sie in einer zur Verwirklichung des Unionsrechts beitragenden Art und Weise angewandt werden können.

§ 13 Abs. 6 TMG ist eine Datenschutzregelung
Grundsätzlich sei auch § 13 Abs. 6 TMG als datenschutzrechtliche Regelung zu qualifizieren, so das Gericht. Die ursprüngliche Regelung habe nach der Gesetzesbegründung das Ziel der Datenminimierung bzw. -vermeidung verfolgt. Zudem ergebe sich der datenschutzrechtliche Charakter auch aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Abschnitt 4 - Datenschutz des Gesetzes.

DSGVO enthält keine Pflicht zur pseudonymen Nutzung von Telemedien
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die in § 13 Abs. 6 TMG statuierte Verpflichtung zur anonyme oder pseudonyme Nutzung von Telemedien im Konflikt mit den Bestimmungen der DSGVO stehe. Die DSGVO enthalte keine dem § 13 Abs. 6 TMG entsprechende Bestimmung. Grundsätzlich sei bei Einführung der DGSVO eine Pseudonymisierung als eine mögliche geeignete Maßnahme zur Datenminimierung oder zur sicheren Datenverarbeitung genannt worden. Allerdings sei eine entsprechende Entscheidung darüber dem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen übertragen worden. Es sei also gerade keine entsprechende Verpflichtung begründet worden. Daneben schweige die DSGVO zum Recht des Nutzers auf eine pseudonyme Nutzung von Telemedien.

Plattformbetreiber hat Interesse an Echtnamen
Den Widerspruch zwischen den Regelungen löste das OLG durch eine unionsrechtskonforme Auslegung von §13 Abs. 6 TMG auf. Diese Norm verpflichte den Anbieter von Telemedien nur insoweit dazu, deren Nutzung anonym oder unter einem Pseudonym zu ermöglichen, als dies zumutbar sei. Die Zumutbarkeit sei jeweils im Rahmen einer auf den konkreten Fall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu ermitteln. Vorliegend falle die Abwägung zugunsten der Beklagten aus. Denn das von Facebook mit der Verwendung des wahren Namens verfolgte Ziel erschöpfe sich nicht darin, Nutzer bei Verstößen leichter identifizieren zu können. Angesichts eines mittlerweile weitverbreiteten sozialschädlichen Verhaltens im Internet - Cyber-Mobbing, Belästigungen, Beleidigungen und Hassrede - habe die Beklagte ein legitimes Interesse daran, bereits präventiv auf ihre Nutzer einzuwirken. Die Verpflichtung zur Verwendung des wahren Namens sei grundsätzlich geeignet, Nutzer von einem rechtswidrigen Verhalten im Internet abzuhalten. Bei der Verwendung eines Pseudonyms liege die Hemmschwelle nach allgemeiner Lebenserfahrung deutlich niedriger.

Widerspruch zwischen Dienste und Kommunikationskonzept
Zwar verweise die Klägerin zu Recht darauf, dass auch anonyme oder unter einem Pseudonym abgegebene Äußerungen vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit umfasst seien. Außerdem sei dem Internet eine anonyme Nutzung immanent. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sei allerdings zu berücksichtigen, dass es noch andere soziale Netzwerke gebe, die ein anderes Grundprinzip verfolgen und gerade keine realen Namen und Daten verlangen, wie z.B. Instagram oder YouTube. Zudem sei unter Berücksichtigung der DSGVO der Beklagten ein größerer Spielraum im Hinblick auf die in § 13 Abs. 6 TMG enthaltene „Zumutbarkeit“ zuzubilligen. Sie könne sich daher auf Unzumutbarkeit berufen, wenn die Nutzung der von ihr angebotenen Dienste unter Nutzung eines Pseudonyms im Widerspruch zu dem verfolgten Kommunikationskonzept stehe.

Facebook-Nutzervertrag als Vertrag sui generis
Das OLG befand, dass die streitgegenständliche Klausel auch nicht die Erreichung des Vertragszwecks gefährde. Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag handele es sich um einen nicht normierten Vertrag sui generis. Für die angebotenen Dienste beanspruche die Beklagte keine Vergütung. Der Nutzer räume der Beklagten aber eine nicht-exklusive, übertragbare und weltweite Lizenz für die Nutzung jedweder IP-Inhalte ein, die er auf Facebook postet. Zudem sei die Inanspruchnahme der von der Beklagten angebotenen Dienste nicht nur unter Verwendung eines Pseudonyms sinnvoll möglich (z.B. Instagram). Bei der Frage, ob diese vertragliche Gestaltung mit den Grundwerten der Rechtsordnung in Einklang stehe, seien wiederum die Vorgaben der DSGVO zu berücksichtigen. Diese wiederum sehe gerade keine Verpflichtung des Diensteanbieters vor, die pseudonymisierte Nutzung zu ermöglichen. Aus der Natur des mit der Beklagten abgeschlossenen Nutzungsvertrages könne die Klägerin deshalb keinen Anspruch auf Verwendung eines Pseudonyms im Rahmen ihres eigenen Profils ableiten.

Revision zugelassen
Das Gericht ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Die Frage, ob eine in den Nutzungsbedingungen vorgesehene Pflicht zur Verwendung des Klarnamens wirksam sei und § 13 Abs. 6 TMG dieser Pflicht entgegenstehe, sei höchstrichterlich noch nicht entschieden. Angesichts der Bedeutung und Reichweite der von der Beklagten betriebenen Social Media-Plattform sei die Frage klärungsbedürftig, weil sie sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen könne.

Oberlandesgericht München, Urteil vom 08.12.2020, Az. 18 U 5493/19


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