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Kein Fernabsatzvertrag bei persönlichem Kontakt

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.02.2018, Az. XI ZR 160/17


Kein Fernabsatzvertrag bei persönlichem Kontakt

In seinem Urteil vom 27.02.2018 entschied der Bundesgerichtshof, dass es an einem Vertragsschluss "unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmittel" fehle, wenn während der Vertragsverhandlung persönlicher Kontakt zwischen den vertragsabschließenden Parteien – sei es durch einen Mitarbeiter oder einen bevollmächtigten Vertreter - bestand. Zudem müsse das dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Exemplar seiner Vertragserklärung nicht von ihm unterzeichnet oder mit dem Abbild seiner Unterschrift versehen sein. Dieses Exemplar könne ihm auch, um die Widerrufsfrist in Lauf zu setzen, schon vor Abschluss des Vertrags überlassen werden. Außerdem unterfalle die Kombination von Darlehensvertrag und Bausparvertrag, bei der die darlehensfinanzierte Ansparleistung zur späteren Tilgung des Darlehens bestimmt sei, nicht der im Jahr 2007 geltenden Gesetzesfassung zu verbundenen Verträgen (§ 358 Abs. 3 BGB in der bis zum 03.08.2011 geltenden Fassung).

Anforderungen an Hinweis auf Fristbeginn bei Verbraucherdarlehen
Der Kläger und seine Ehefrau besprachen im Januar 2007 mit einem Außendienstmitarbeiter der Beklagten, einer Bausparkasse, Einzelheiten über die Gewährung zweier Darlehen. Im Anschluß übersandte die Bausparkase zwei Vertragsexemplare zum Abschluss eines Darlehensvertrages. In diesem Zusammenhang belehrte die Beklagte den Kläger auch über sein Widerrufsrecht. Vier Monate später sprachen der Kläger und seine Ehefrau wiederum mit einem Außendienstmitarbeiter über die Gewährung eines weiteren Darlehens. Die Beklagte übersandte anschließend erneut ein Vertragsexemplar verbunden mit einer Widerrufserklärung. Auch diese wurde vom Kläger unterzeichnet und zusammen mit einem unterzeichneten Vertragsexemplar an die Beklagte zurückgesandt. Im Juni 2015 widerrief der Kläger seine Willenserklärungen. Das vorinstanzliche Oberlandesgericht gab der Feststellungsklage des Klägers auf wirksamen Widerruf der Darlehensverträge sowie Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis teilweise recht. Der Kläger sei bei beiden Darlehensverträgen unzureichend über sein Widerrufsrecht belehrt worden, da er nicht ausreichend klar über den Beginn der Widerrufsfrist unterrichtet worden sei. Daher begann die Widerrufsfrist nicht zu laufen.

Unzulässige Feststellungsklage, da Leistungsklage vorrangig
Der Bundesgerichtshof erachtete die Feststellungsklage als unzulässig, da es am Feststellungsinteresse fehle. Ein Kläger habe vorrangig mit der Leistungsklage gegen einen Beklagten vorzugehen, wenn er die Umwandlung eines Verbraucherdarlehensvertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis geltend mache. Daher erschöpfe die Leistungsklage das Rechtsschutzziel. Dies gelte auch dann, wenn der Kläger das Bestehen verbundener Geschäfte behaupte. Abweichend von der Regel sei eine Feststellungsklage zwar ausnahmsweise zulässig, wenn feststehe, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigen werde. Dies stehe in diesem Fall jedoch gerade nicht fest.

Widerruf durch einen Darlehensinhaber ausreichend
Das Gericht sah den Widerruf der Willenserklärungen durch den Kläger als ausreichend an. Seine Ehefrau als Mitdarlehensinhaberin habe nicht zusätzlich auch einen Widerruf erklären müssen.

Kein Fernabsatzvertrag bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit
Da den Vertragsabschlüssen im Jahr 2007 unstreitig eine persönliche Beratung durch einen Außendienstmitarbeiter der Beklagten vorausging, seien zwischen den Parteien keine Fernabsatzverträge geschlossen worden. Denn an einem Vertragsschluss "unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln" fehle es, wenn der Verbraucher während der Vertragsanbahnung persönlichen Kontakt zu einem Mitarbeiter des Unternehmens oder einem vom Unternehmen bevollmächtigten Vertreter gehabt habe. Dies ergebe die gebotene Auslegung des zugrundeliegenden Unionsrecht. Danach setze der Abschluss eines Fernabsatzvertrages voraus, dass beide Vertragsparteien bei der Anbahnung und zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht gleichzeitig körperlich anwesend sind.

Bedingungen für Beginn der Widerrufsfrist
Nach Ansicht des BGH informierten die verwendeten Widerrufsbelehrungen den Kläger hinreichend deutlich über die Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist. Die Bedingungen für das Anlaufen der Frist richten sich dabei allein nach dem alten, im Jahre 2007 geltenden Gesetzeswortlaut. Danach müsse die Widerrufsbelehrung einen "Hinweis auf den Fristbeginn" enthalten, was vorliegend der Fall gewesen sei. Mittels der Wendung "… nachdem Sie den von Ihnen unterschriebenen Darlehensvertrag mit der ebenfalls unterschriebenen Widerrufsbelehrung an uns abgesandt haben ..." sei mitgeteilt worden, der Beginn der Widerrufsfrist setze ausschließlich die Abgabe der Vertragserklärung voraus. Zwar enthalte die Widerrufsbelehrung keinen Hinweis darauf, dass dem Kläger während der Widerrufsfrist ein Exemplar seiner Vertragserklärung und der Widerrufsbelehrung zu Verfügung gestellt werden müsse. Jedoch werde dadurch die Deutlichkeit der Belehrung nicht geschmälert. Das Gesetz fordere nicht, sämtliche Vorgaben ausdrücklich in der Widerrufsbelehrung zu nennen. Allerdings dürfe durch die Widerrufsbelehrung nicht suggeriert werden, für den Fristbeginn genüge allein die Vorlage des Vertragsantrags.

Widerrufsregeln für verbundene Verträge nicht anwendbar
Die Widerrufsbelehrung weise nach Meinung des Gerichts auch keine sonstigen Fehler auf. Zwar habe die  Beklagte den Kläger und seinen Ehefrau nicht nach den damals geltenden Widerrufsregeln für verbundene Veträge belehrt. Jedoch seien Darlehensvertrag und dazugehöriger Bausparvertrag auch nicht als  verbundenen Verträge anzusehen. Denn die Kombination von Darlehensvertrag und Bausparvertrag, bei der die darlehensfinanzierte Ansparleistung zur späteren Tilgung des Darlehens bestimmt sei und mit der die Parteien im Ergebnis zwei Darlehensverträge hintereinander schalten, werde von der alten gesetzlichen Regelung nicht erfasst.

"Oder" durch "und" zu ersetzen nicht schädlich
Auch genügten die Hinweise der im Mai 2007 erteilten Widerrufsbelehrung als Sammelbelehrung den gesetzlichen Vorgaben. Zwar wurde das Wort "oder" in der gesetzlichen Regelung ("… wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient ...") durch das Wort "und" in der Widerrufsbelehrung ersetzt ("… wenn wir uns bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen …"). Trotzdem habe sich die Beklagte an die Formulierung des gesetzlichen Gestaltungshinweises orientiert. Denn diese lasse einen Rückschluss darauf zu, dass der Gesetzgeber auch eine Belehrung wie von der Beklagten erteilt nicht für undeutlich erachtet habe. Anders liege jedoch der Fall, wenn beide Varianten entgegen der gesetzlichen Vorgabe mit "und" verbunden sein würden, da dies durch den Gesetzgeber nie intendiert gewesen sei.

Fehlende Unterschrift auf Vertragsexemplar des Klägers
Zudem habe die Beklagte die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, wenn sie dem Kläger und seiner Ehefrau ein Exemplar des Vertrags zur Verfügung gestellt habe. Zwar sei dieses Exemplar nicht vom Kläger unterzeichnet gewesen oder mit dem Abbild seiner Unterschrift versehen gewesen. Dies genüge aber den im Jahr 2007 geltenden gesetzlichen Anforderungen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.02.2018, Az. XI ZR 160/17

von Jana Krzewsky


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