Jameda verfügt über teilweise unzulässige Funktionen
Das Oberlandesgericht Köln entschied am 14.11.2019, dass mehrere frühere und aktuelle Funktionen von Jameda unzulässig seien. Denn das Portal verlasse damit die Rolle eines "neutralen Informationsmittlers" und gewähre seinen zahlenden Ärzten auf unzulässige Weise verdeckte Vorteile.
Was darf Jameda anbieten?
Der Kläger, ein Facharzt, verlangte vom Ärztebewertungsportal Jameda die Löschung seiner ohne Einwilligung veröffentlichten Profildaten. Die Beklagte hatte für alle ihr bekannten, in Deutschland ansässigen Ärzte eine Profilseite mit Name, Fachrichtung, Kontaktdaten der Arztpraxis sowie einem mit einer grauen Silhouette versehenen Profilbild (sog. Basis-Profil) angelegt. Die Daten erlangte die Beklagte aus allgemein zugänglichen Quellen. Nutzer des Bewertungsportals konnten per Suchmaske nach geeigneten Ärzten für ihr Anliegen suchen. Eine Möglichkeit, die eigene Profilseite zu löschen, stand den Ärzten nicht zur Verfügung. Auch waren Nutzerbewertungen zu den Ärzten abrufbar. Außerdem bot die Beklagte an, das Ärzteprofil gegen ein Entgelt in ein "Premium-Profil" zu erweitern. Je nach gebuchtem Paket bestand in dem Fall die Möglichkeit, bestimmte Inhalte dem Profil hinzuzufügen und die Profilseite für Besucher ansprechender zu gestalten. Insbesondere konnte ein eigenes Foto eingestellt, die Praxishomepage verlinkt und Artikel veröffentlicht werden. Hiergegen ging der Kläger vor. Die 1. Instanz gab dem Kläger vollumfänglich recht, weswegen die Beklagte Berufung einlegte.
Medienprivileg greift nicht ein
Das Oberlandesgericht Köln entschied, dass sich Jameda nicht auf das Medienprivileg aus der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) berufen könne. Denn es liege bereits keine Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken vor. Zwar seien von dem Privileg nicht nur Medienunternehmen erfasst, sondern es müsse eine weite Auslegung erfolgen. Allerdings sei maßgeblich für die Einstufung, ob die betreffenden Tätigkeiten zur Verbreitung von Information, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit dienen. Daher falle nicht jede im Internet veröffentlichte Information, die sich auf personenbezogene Daten beziehe, unter den Begriff der „journalistischen Tätigkeiten“. Zwar habe auch die bloße Ansammlung und Verwaltung fremder Meinungsäußerungen einen Informationswert für die öffentliche Meinungsbildung. Dies allein stelle aber noch keine eigene journalistische Tätigkeit eines Portalbetreibers dar. Vielmehr liege im Kern nur eine vermittelnde Rolle vor, die als bloßer Hilfsdienst zur besseren Verbreitung der (Dritt-)Informationen diene.
Datenverarbeitung aufgrund berechtigter Interessen
Das OLG befand, dass die Datenverarbeitung nur rechtmäßig sei, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen „erforderlich“ sei. Dies erfordere aber eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung. Außerdem dürfen die Interessen der betroffenen Person nicht überwiegen. Hierbei spiele insbesondere Art und Umfang der betroffenen Daten, die drohenden Folgen der Datenverarbeitung für den Betroffenen sowie der Kontext und die „vernünftigen Erwartungen der betroffenen Personen“ eine ausschlaggebende Rolle. Gerade letzteres habe Bedeutung bei Bewertungsportalen. Denn das Interesse der betroffenen Personen sei bereits aufgrund ihrer Marktteilnahme herabgesetzt, während auf der anderen Seite das Interesse der Öffentlichkeit an Transparenz und Wettbewerb groß sei. Daher habe eine Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung bzw. dem Schutz des Privatlebens und seiner Daten und dem Recht der Beklagten sowie der Nutzer des Portals auf Kommunikationsfreiheit zu erfolgen.
Nicht mehr nur neutraler Informationsvermittler
Grundsätzlich erfülle das von der Beklagten betriebene Ärztebewertungsportal eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftsrechtlich erwünschte Funktion, so das Gericht. Allerdings komme es darauf an, ob die Plattform ihre grundsätzlich geschützte Position als "neutrale Informationsmittlerin" dadurch verlasse, dass sie zahlenden Kunden "verdeckte Vorteile" zukommen lasse. Das sei anzunehmen, wenn ohne ihre Einwilligung aufgenommenen Basiskunden als "Werbeplattform" für Premiumkunden benutzt würden. In dem Fall werde den Premiumkunden durch die Darstellung ein Vorteil gewährt, der für die Nutzer nicht erkennbar sei. Dann aber diene das Portal nicht mehr allein dem Informationsaustausch zwischen (potentiellen) Patienten. Dies müssten die Basiskunden auch nicht hinnehmen. Denn andersrum werde von den Profilen der Premiumkunden auch nicht auf das Profil des Klägers verwiesen. Damit verlasse das Portal die Funktion als "neutraler Informationsmittler".
Diverse versteckte Vorteile
Das OLG entschied, dass Jameda bei Basiskunden die örtliche Konkurrenz auch nicht anzeigen dürfe. Denn bei den Premiumkunden unterbleibe dies gerade. Auch dies stelle einen verdeckten Vorteil dar. Gleiches gelte für die unterschiedliche bildliche Darstellung von Basis- bzw. Premiumkunden. Zwar werden Basiskunden und Premiumkunden nicht unmittelbar auf dem Profil des Basiskunden unterschiedlich behandelt. Dies erfolge erst auf einer per Link erreichbaren weiteren Portalseite. Allerdings sei auch darin die Gewährung eines verdeckten Vorteils zu Lasten der Basiskunden zu sehen. Denn die Portalseite werde als Werbeplattform benutzt.
Eingriff in den Wettbewerb per Farbfoto
Zudem werde der falsche Eindruck erweckt, Premiumkunden verfügten über keine örtliche Konkurrenz, so das Gericht weiter. Dem Nutzer werde der Eindruck vermittelt, einen vollständigen Überblick über die im betreffenden Gebiet praktizierenden Ärzte der entsprechenden Fachrichtung zu erhalten. Allerdings würden die Premiumkunden durch ihr Farbfoto besonders herausstechen und sich somit optisch aus der Masse der örtlichen Konkurrenten abheben. Dadurch greife Jameda im Vorfeld der endgültigen Arztwahl lenkend in den Wettbewerb zwischen den örtlichen Konkurrenten ein. Es erzeuge ein erhebliches „optisches Gefälle“ zwischen Basiskunden und Premiumkunden, was für sich bereits als Vorteil angesehen werden könne. Denn damit werde zwar nicht die fachliche Kompetenz, wohl aber das Bemühen des jeweiligen Arztes um eine ansprechende Außendarstellung in die Patientenüberlegung einbezogen. Der Vorteil liege darin, dass sich das Foto der Premiumkunden optisch von den lieblosen“ Schattenrissen der Basiskunden abhebt und diese damit lediglich als Füllmasse fungieren lässt.
Verlinkung von Fachartikeln
Auch habe es zu unterbleiben, auf dem Profil des Klägers Fachartikel von Premiumkunden zu verlinken, während dies auf Profilen von Platin-Kunden unterbleibe, entschied das OLG. Denn soweit auf Ärzte desselben Fachgebiets verwiesen werde, nutze die Beklagte auch hier die Basiskunden als Werbeplattform und gewähre Premiumkunden einen „verdeckten Vorteil“. Das Profil des Basiskunden werde in der Form als Werbeplattform genutzt, indem medizinische Begriffe aufgeführt werden, die Nutzer auf der Suche nach einem Arzt teilweise interessieren und zum Weiterklicken animieren könnten. Auf der durch einen solchen Klick nachgewiesenen Liste werden sodann örtliche und andere Konkurrenten des Basiskunden aufgeführt. Dagegen finde sich auf den Profilen der Premiumkunden die entsprechende Rubrik am Ende der Seite nicht. Damit werde hier der potentielle Patient erst gar nicht auf die Idee gebracht, nach anderen Ärzten desselben Behandlungsgebietes zu suchen. Dem Nutzer auf dem Profil eines Basiskunden werde durch den vorhandenen Hyperlink der Eindruck vermittelt, der dort aufgeführte Arzt sei möglicherweise nicht ausreichend qualifiziert, weil noch auf weitere Kollegen für das „spezielle“ medizinische Fachgebiet verwiesen werde.
Revision zugelassen
Das OLG ließ die Revision für beide Seiten zu. Denn die Frage, in welchen Fällen eine Bewertungsplattform die Rolle als "neutrale Informationsmittlerin" verlasse, sei bisher nicht vollständig geklärt und für eine Vielzahl künftiger Verfahren von Bedeutung.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 14.11.2019, Az. 15 U 126/19