Irreführendes kostenpflichtiges Adressenverzeichnis
Das Versenden von Formularschreiben zur Registrierung von Unternehmen in einem Online-Verzeichnis ist wettbewerbswidrig, wenn diese einen amtlichen Charakter vortäuschen, tatsächlich jedoch kostenpflichtig sind.
Versendet ein Anbieter Formulare an Unternehmen mit dem Angebot zur Eintragung in ein Online-Adressverzeichnis, ist dieses wettbewerbswidrig, wenn es einen scheinbar amtlichen Charakter aufweist, tatsächlich jedoch kostenpflichtig ist. Die Aufforderung, die in dem Formular enthaltenden Angaben zu bestätigen, zu korrigieren oder zu ergänzen vermittelt zudem den Eindruck, dass bereits eine rechtliche Beziehung zwischen dem Anbieter und dem Adressaten besteht.
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verband, der die gewerblichen Interessen zahlreicher angeschlossener Unternehmen und Freiberufler fördert. Die Beklagte ist Betreiberin eines Online-Registers, in dem Gewerbetreibende kostenlose Unternehmensrecherchen durchführen können. Deutschlandweit übersendet sie Schreiben an Unternehmen und Freiberufler, um für ihr Geschäftsmodell zu werben. Das streitgegenständliche Schreiben ist mit mehreren offenbar individualisierten Angaben, einem Logo und den Adressdaten der Beklagten versehen. Weiterhin enthält das Angebot zwei Absätze kleingedruckten Fließtextes. Im unteren Drittel des Schriftfeldes wird darauf hingewiesen, dass es sich um ein nicht amtliches, kostenpflichtiges Angebot handelt. Zudem werden die Adressaten aufgefordert, die in dem Schreiben enthaltenden, scheinbar personalisierten Angaben zu korrigieren, zu bestätigen oder zu ergänzen.
Die Rückseite enthält die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit dem Hinweis auf einen kostenpflichtigen Firmeneintrag, das Widerrufsrecht und die involvierten Kosten. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Die Klage ist zulässig und begründet, da ihm ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 4 Nr. 3, Nr. 11, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG gegen die Beklagte zusteht. Mit der Versendung des Werbeschreibens nimmt die Beklagte eine geschäftliche Handlung vor. Diese liegt immer dann vor, wenn eine Person im eigenen oder fremden Interesse handelt und ihre Aktivität auf den Abschluss oder die Durchführung eines Vertrages zur Abnahme von Waren und Dienstleistungen gerichtet ist. Die Beklagte versendet ihr Schreiben mit der Absicht, die Adressaten zu einem Vertragsabschluss hinsichtlich der angebotenen Dienstleistung zu bewegen. Das Gericht folgt der Eingabe der Klägerin, indem es einen amtlichen beziehungsweise quasi-amtlichen Charakter des Streitgegenstandes feststellt und damit eine Irreführung §§ 3 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 S. 2, Nr. 2, 3 UWG der angesprochenen Verkehrskreise als gegeben ansieht.
Die Richter legen das allgemeine Verkehrsverständnis für die Auslegung dieser Rechtssache zugrunde. Sie beurteilen das Angebotsschreiben aus eigener Erfahrung, da auch Handelsregister regelmäßig Adressaten dieser Angebote sind. Insbesondere das Logo, das der europäischen Flagge ähnelt, erweckt bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Anschein eines amtlichen beziehungsweise quasi amtlichen Charakters. In Verbindung mit den Zusätzen „Deutsches Firmenregister“, „Erfassung“ und „Registrierung“ sowie dem fehlenden Hinweis auf die Rechtsform der Beklagten erweckt das Werbeschreiben die Durchführung eines hoheitlichen Aktes, der sich bundesweit erstreckt und zudem in einem europäischen Kontext zu sehen ist. Die Verfassung auf Recyclingpapier und die Fristsetzung für eine Rückantwort verstärken den Eindruck eines behördlichen Schreibens.
Die Aufmachung des Schreibens ist absichtlich so gestaltet, dass sich dem Leser nicht erschließt, in welcher Verbindung das Deutsche Firmenregister zu der „E AG“ der Beklagten und zu der angegebenen Internetadresse „V.de“ steht. Auch die auf der Rückseite abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen vermögen den amtlichen Charakter des Schreibens nicht aufzuheben, da staatliche Behörden gleichfalls hoheitliche Aufgaben in privater Rechtsform vornehmen dürfen. Der kleingedruckte Fließtext mit dem Hinweis auf das kostenpflichtige Angebot ist nach Anordnung und Schriftgröße darauf ausgelegt, nicht wahrgenommen zu werden. Die Werbung verstößt gegen das Irreführungsgebot gemäß § 4 UWG, indem es die angesprochenen Verkehrskreise über das Angebot täuscht und den Werbecharakter verschleiert. Zudem erweckt das Werbeschreiben durch die personalisierten Angaben und Zusätze den Anschein, die beworbene Dienstleistung sei bereits bestellt. Die Adressaten erhalten den Eindruck, dass es sich um eine gesetzliche Pflicht und eine reine Formalität handelt. Auch das von der Beklagten angeführte Ankündigungsschreiben ist nicht dazu geeignet, die Täuschung über den Angebotscharakter und die damit verbundenen Fehlvorstellungen aufzuheben.
Der Hinweis auf einen Vertragsabschluss und die Möglichkeit zur Annahme des Angebotes fehlen. Das beanstandete Werbeschreiben ist dazu geeignet, die Markterschließung in wettbewerbsrelevanter Weise maßgeblich zu beeinflussen. Dieser Lauterkeitsverstoß ist in der Lage, die Adressaten zu einer Entscheidung zu veranlassen, die sie unter anderen Umständen vielleicht nicht treffen würden.
LG Bonn, Urteil vom 09.12.2015, Az. 16 O 11/15