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Haftung für die Verbreitung fremder Facebook-Beiträge

Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 01.06.2018, Az. 4 U 217/18


Haftung für die Verbreitung fremder Facebook-Beiträge

Mit Urteil vom 01.06.2018 entschied das Oberlandesgericht Dresden, dass derjenige, der einen Facebook-Beitrag mit einer zustimmten Anmerkung (hier „wichtige und richtige Aktion“) teilt, sich diesen zu eigen mache und für diesen haften müsse.

Bezeichnung einer Seenotrettungsorganisation als "Schlepper" zulässig?
Die Parteien stritten um die Unterlassung von Äußerungen in einem Facebook-Post. Geklagt hatte eine  Hilfsorganisation, die im Mittelmeer Menschen vor dem Ertrinken rettet. Im Jahr 2017 wurden durch sie nach einen Angaben bereits 549 Menschen geborgen. Die Beklagten hatten auf Facebook einen Link der sog. Identitären Bewegung Dresden geteilt, in dem sie den Kläger als „Schlepper“ bezeichneten. Die Vorinstanz hatte zwei im Wesentlichen gleichlautende einstweilige Verfügungen erlassen, mit denen den Beklagten untersagt wurde, den Kläger als "Schlepper", "Schlepperorganisation" und "Schlepper-NGO" zu bezeichnen. Es handelte sich nach Meinung der Vorinstanz dabei zwar um eine Meinungsäußerung, die jedoch als Schmähkritik zu bewerten sei. Denn unter Schlepperbanden verstehe man Gruppen, die Menschen gegen Bezahlung eine illegale Einreise ermöglichten und dabei deren Leben aufs Spiel setzten. Ziel des Berichts sei somit keine sachliche Auseinandersetzung; es ging dabei vielmehr um die Diffamierung des Klägers. Hiergegen gingen die Beklagten in der Berufung vor. Sie waren der Auffassung, die Annahme einer Schmähkritik sei rechtsfehlerhaft und beeinträchtige sie in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung. Zudem sei das bloße Teilen eines Beitrags nicht mit einer eigenen Aussage gleichzusetzen.

Rechtsschutzbedürfnis bei kerngleicher Zuwiderhandlung
Aufgrund eines bereits in einem Vorprozess geschlossenen Vergleichs, der auch besagte Äußerungen umfasste, fehlte es nach Meinung des OLG Dresden bereits am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Im Vergleich verpflichtete sich einer der Beklagten es zu unterlassen, den Kläger als "kriminell agierende, private Schlepperorganisation" zu bezeichnen. Nach Ansicht des Gerichts würde es sich bei den umstrittenen Äußerungen um kerngleiche Verletzungen handeln. Denn nach ständiger Rechtsprechung erstrecke sich der Verbotsbereich eines auf eine konkrete Verletzungsform bezogenen Unterlassungstitels auch auf deren Abwandlungen. In diesen müsse das Charakteristische des titulierten Verbots zum Ausdruck kommen. Außerdem müssen die Abwandlungen bereits Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren gewesen sein. Die Begriffe "Schlepper" und "Schlepperorganisation" waren zwar nicht zusätzlich mit dem Attribut „kriminell agierend“ versehen, wie dies im Vorfeld geschehen war. Allerdings würde bereits die Bezeichnung als Schlepper zumindest nach dem Verständnis des hier zugrunde gelegten – nicht auf Differenzierung bedachten - Leserkreises einen Strafbarkeitsvorwurf beinhalten, der durch weitere Zusätze nur unwesentlich verstärkt werden könne.

Bloßes Teilen eines Post nicht mit eigener Aussage gleichzusetzen
Das Gericht war der Meinung, die vom zweiten Beklagten getätigten Äußerungen seien noch vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst. Der Kläger könne sich jedoch auf eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen, dessen Anwendbarkeit auf juristische Personen des Privatrechts in den Grenzen der ihr zugewiesenen Funktionen allgemein anerkannt seien. Auch habe sich der Beklagte die in dem Post der sog. Identitären Bewegung enthaltenen Äußerungen zu eigen gemacht. Denn er habe die fremde Äußerung dermaßen in den eigenen Gedankengang eingefügt, dass sie insgesamt als eigene erschienen. Das Gericht ließ jedoch bei der Annahme der Zueignung Zurückhaltung walten, um die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungsfreiheit nicht über Gebühr zu beeinträchtigen. So reiche das reine „Teilen“ eines Facebook-Beitrages für ein Zueigenmachen nicht aus. Denn anders als der „Gefällt mir“-Funktion komme dem „Teilen“ keine über die Verbreitung des Beitrages hinausgehende Bedeutung zu. Jedoch sei dies wieder anders zu bewerten, wenn die Weiterverbreitung mit einer positiven Bewertung verbunden werde. Eine solche positive Bewertung, die auf eine vollständige inhaltliche Übernahme der im Post enthaltenen Positionen hinauslaufe, enthalte aber der mit einem Ausrufezeichen unterstrichene Zusatz "wichtige und richtige Aktion", mit dem der Beklagte den streitgegenständlichen Post kommentiert habe.

Abgrenzung Tatsachenbehauptung zu Meinungsäußerung
Das OLG befand auch, dass es sich bei der Äußerung nicht um eine Tatsachenbehauptung sondern um eine Meinungsäußerung gehandelt habe. Bei der Einordnung einer Äußerung komme es auf deren Inhalt nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Adressaten an. Davon ausgehend sei eine Schlepperorganisation dadurch geprägt, dass sie Verstöße gegen Einwanderungsgesetze und Einreisebestimmungen des Ziellandes bewusst in Kauf nehme. Auch handle eine solche Organisation gewerblich und mit Gewinnerzielungsabsicht. Allerdings könne dem Post kein konkreter, zur Beweiserhebung geeigneter Vorwurf in dieser Hinsicht entnommen werden. Ziehe man nicht nur den in das Berufungsverfahren gelangten Teil, sondern auch den vom Kläger behaupteten Rest in die Betrachtung ein, werde an keiner Stelle der konkrete Vorwurf erhoben, der Kläger habe bei der in Rede stehenden Rettungsaktion vorsätzlich Flüchtlinge in das Bundesgebiet gebracht. Vielmehr werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger selbst von der Rechtmäßigkeit seines Handelns ausgegangen sei. Nichts anderes folge daraus, dass in dem Begriff „Schlepper“ der pauschale Vorwurf strafbaren Verhaltens anklinge. Auch die Wertung eines Geschehens und dessen laienhafte Einordnung als strafbares Handeln stehe dem Verständnis als Meinungsäußerung nicht entgegen.

Kriterien zu Schmähkritik nicht auf juristische Person des Privatrechts übertragbar
Nach Auffassung des Berufungsgerichts habe allerdings die Vorinstanz durch die Einstufung der Äußerungen als Schmähkritik die verfassungsrechtlichen Maßstäbe verkannt. So wurde nicht berücksichtigt, dass die Grenze zulässiger Meinungsäußerung nicht schon bei einer polemischen Zuspitzung erreicht sei. Zudem fehle es an einer das sachliche Anliegen der Äußerung völlig in den Hintergrund drängenden  persönlichen Kränkung. Eine solche könne vorliegend jedoch nicht schon deswegen angenommen werden, weil sich die Äußerungen nicht persönlich gegen Mitarbeiter des Klägers sondern gegen den Kläger als juristische Person richtet ("Schlepper-NGO"). Auf juristische Personen des Privatrechts aber können die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Schmähkritik nicht übertragen werden. Denn Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht juristischer Personen des Privatrechts blieben auf deren Sozialsphäre beschränkt. Eine Prangerwirkung, die nicht lediglich ihre wirtschaftliche, sondern auch ihre soziale Existenz gefährdet, haben sie nicht zu befürchten. Daher bestehe kein Grund, Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer juristischen Person in bestimmten Fällen als so schwerwiegend anzusehen, dass die Meinungsäußerungsfreiheit ausnahmslos zurücktrete.

Substanzarmer Äußerungsgehalt sowie nur Sozialsphäre betroffen
Bei der Abwägung der Schutzinteressen des Klägers gegenüber dem Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit berücksichtigte das Gericht auch, dass der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm war, dass er gegenüber der subjektiven Wertung in den Hintergrund trat. Zudem war der Kläger durch die Äußerungen allein in seiner Sozialsphäre betroffen. Außerdem wurde die Facebookseite des Beklagten in weit überwiegenden Maße von Personen zur Kenntnis genommen wird, die dessen Weltbild und dessen Einstellungen zu Organisationen wie dem Kläger ohnehin teilten. Eine Prangerwirkung durch die beanstandeten Äußerungen über diesen Kreis hinaus hätte der Kläger also nicht zu befürchten, so das Gericht. Dagegen sei aber die Meinungsfreiheit des Beklagten im Kern betroffen, würde ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt. Im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit müsse die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung auf das unbedingt Erforderliche beschränkt werden.

Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 01.06.2018, Az. 4 U 217/18


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