Gericht muss eine Entscheidung nicht kostenfrei übersenden
Laut LG Flensburg besteht an der kostenlosen Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen kein vermehrtes öffentliches Interesse. Die Anwendung von § 4 Abs. 7 JVKostenO scheidet aus, wenn im Internet frei zugängliche Daten in mittelbarer Art und Weise gewerblich genutzt werden. Trotz gerichtlicher Publikationspflicht bestehe keine Verpflichtung für Gerichte, ihre Entscheidungen kostenfrei zu veröffentlichen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 LJVKostenG).
Maßgeblich für den vorliegenden Rechtsstreit ist § 4 Abs. 7 JVKostenO, der besagt, dass Gebühren dann nicht zu erheben sind, wenn die im Internet veröffentlichen Daten nicht für gewerbliche Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Komplettiert wird diese Vorschrift durch § 7a Abs. 3 JVKostenO, dem eine ähnliche Aussagekraft zukommt. Er bezieht sich explizit auf im Internet veröffentliche Entscheidungen, für die keine Gebühren zu erheben sind, vorausgesetzt, sie werden nicht für gewerbliche Zwecke eingesetzt und die Veröffentlichung liegt überwiegend im öffentlichen Interesse.
Beschwerdeführer ist die juristische Datenbank openJur, die am 27.09.2011 die Übersendung einer Entscheidung durch den Beschwerdegegner einforderte. Der Beschwerdeführer folgte dem Wunsch der Gegenpartei und übersendete die angeforderte Entscheidung zusammen mit einer Kostennote in Höhe von 12,50 €. Mit Erinnerung vom 11.11.2011 wendete sich der Beschwerdeführer gegen diese in Rechnung gestellten Auslagen. Zur Begründung führte er an, bei dem Rechtsportal openJur handele es um ein Portal, welches regelmäßig Urteile und Entscheidungen veröffentliche, an denen ein überwiegend öffentliches Interesse bestehe. Seine Argumentation unterstrich er mit § 7 JVKostenO. Der Beschwerdegegner führt an, eine Pflicht zur kostenfreien Übersendung der streitgegenständlichen Entscheidung bestehe nicht, da die auf openJur zur Verfügung gestellten Daten für jedermann frei zugänglich seien und damit eine gewerbliche Verwendung nicht ausgeschlossen werden könne.
Das Amtsgericht wies die Erinnerung am 20.12.2011 zurück mit der Begründung, der Tatbestand zur Kostenbefreiung sei in diesem Fall nicht erfüllt. Von diesem Tatbestand sei erst dann auszugehen, wenn ein überwiegend öffentliches Interesse zweifelsfrei nachgewiesen sei. Die Anwendung der zuvor zitierten Paragraphen ist für den Beschwerdeführer damit ausgeschlossen. Gegen diese Entscheidung der zweiten Instanz ist der Antragsteller mit dem Rechtsmittel der Beschwerde vom 10.01.2012 vorgegangen.
Der Beschwerdeführer vertieft seinen Vortrag und führt aus, es komme nicht darauf an, ob eine gewerbliche Nutzung der veröffentlichen Daten stattfinde oder nicht, da alleine die freie Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen relevant sei. Dabei handele es sich um verkündete Rechtsnormen im öffentlichen Interesse. Er räumt ein, dass openJur zwar die gewerbliche Nutzung seiner Inhalte erlaube, er unterscheidet dabei jedoch zwischen „gewerblicher Nutzung“ und „gewerblicher Weiterverwendung“ und verweist auf die Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 3.0, die Drittparteien letztere verbietet.
Mit seiner Beschwerde vom 11.07.2012 wendet er sich gegen die durch das Gericht vorgenommene Differenzierung zwischen gewerblichen und privaten Lesern der auf openJur veröffentlichen Daten. Er beruft sich darauf, dass die durch openJur veröffentlichen Entscheidungen sowohl der wissenschaftlichen Förderung als auch der Berufs- und Volksbildung dienen.
Abschließend bleibt festzustellen, ein Kostenbefreiungstatbestand liegt laut LG Flensburg nicht vor, da bereits entsprechend der Einlassung des Beschwerdeführers darauf abzustellen ist, dass eine gewerbliche Nutzung der bereitgestellten Daten nicht auszuschließen ist. Die angeführte Differenzierung zwischen „gewerblicher Nutzung“ und „gewerblicher Weiterverwendung“ läuft nach Ansicht der Richter ins Leere, da sie durch das Gesetz nicht gedeckt ist. Es kommt nicht darauf an, ober der Beschwerdeführer durch sein Portal openJur kommerziell tätig wird oder nicht. Es spielt keine Rolle, ob Dritte die zur Verfügung gestellten Entscheidungen kommerzialisieren oder nicht. Es kommt alleine darauf an, dass die gewerbliche Nutzung der Daten möglich ist. Ein öffentliches Interesse verneinen die Richter, da dieses nicht bereits durch die Veröffentlichung der Daten vorliegt. Nur im Rahmen einer wissenschaftlichen oder beruflichen Förderung sei eine nicht gewerbliche Verwendung der Daten anzunehmen.
Was ist von dieser Entscheidung zu halten?
Der Beschwerdeführer veröffentlicht bereits seit vielen Jahren kostenlose Gerichtsentscheidungen auf seinem Rechtsportal openJur. Das LG Flensburg hat eingeräumt, dass das OLG Schleswig, auf das sich der Beschwerdeführer gleichfalls bezogen hat, in den Jahren 2011 und 2012 nicht ausnahmslos alle Entscheidungen kostenlos veröffentlicht hat. Die Differenzierung nach Projekten wie openJur und wissenschaftlichen Studien im vorliegenden Rechtsstreit ist ein rechtlich nicht fundierter Vorwand, da auch im Rahmen wissenschaftlicher Studien veröffentliche Entscheidungen einer gewerblichen Verwendung zugeführt werden können.
LG Flensburg, Beschluss vom 23.03.2016, Az. 5 T 152/14