Facebook-Nutzer haften für Missbrauch ihres Accounts
Das OLG Frankfurt am Main hat entschieden, dass der Inhaber eines Facebook-Accounts für Rechtsverletzungen haftet, die ein Dritter durch eine missbräuchliche Nutzung dieses Accounts begeht, wenn der Inhaber seine Login-Daten nicht ordnungsgemäß verwahrt hat.
Ein Dritter postete über den Facebook-Account des Beklagten beleidigende Äußerungen
Auf seiner Facebook-Pinnwand bewarb der Kläger eine von ihm erstellte Veranstaltung. Auf dieser Seite postete ein Freund oder Bekannter des Beklagten über dessen Facebook-Account beleidigende Äußerungen. Dies war möglich, da sich der Beklagte nach eigenem Vortrag auch über den Computer von Freunden und Bekannten eingeloggt habe, ohne dafür Sorge zu tragen, sich danach ordnungsgemäß auszuloggen. Sowohl Kläger, als auch Beklagter gehören dem persischen Kulturkreis an. Die Texte selbst waren ebenfalls in persischer Sprache verfasst. Unter anderem spielten die Äußerungen auf herabwürdigende Weise in Bezug auf den Kläger auf homosexuelle Handlungen an, benannten die primären Geschlechtsorgane der Mutter des Klägers und beschrieben die Vornahme sexueller Handlungen an dieser. In dem darauffolgenden Verfahren vor dem Landgericht Wiesbaden gab der Beklagte zwar eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Das Landgericht verneinte jedoch einen Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung. Der Kläger verfolgte sein Begehren sodann im Wege der Berufung weiter.
Das Landgericht gestand dem Kläger keine Entschädigung zu – zum Unverständnis des Berufungsgerichts
Das Berufungsgericht war der Ansicht, der Kläger könne vom Beklagten sehr wohl eine Geldentschädigung in Höhe von 3.000,00 Euro verlangen, da die Äußerungen des Beklagten auf Facebook in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreifen. Das Landgericht habe die Äußerungen in den Facebook-Postings zu isoliert und nur nach ihrem Wortlaut beurteilt. Es komme aber vor allem auch auf die Wertvorstellungen des Sender- und Empfängerhorizonts an. In diesem Fall handele es sich um den persischen Kulturkreis, was zu berücksichtigen sei. Homosexualität sei ein Tabuthema im Iran und homosexuelle Handlungen dort strafbar. Die Äußerung über die Mutter des Klägers stelle zweifelsfrei eine schwerwiegende Beleidigung des Angesprochenen dar. Das Posting sei in seiner Gesamtbetrachtung eindeutig sexuell abwertend und drücke eine Missachtung und Entwertung des Klägers aus, weshalb der Eintrag insgesamt eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts darstelle.
Die Grundsätze zur Haftung des Inhabers eines eBay-Kontos seien hier analog anwendbar
Die Abgabe einer bindenden Unterlassungsverpflichtung und eines Vertragsstrafeversprechens sei nicht ausreichend, um die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers wiedergutzumachen. Eine Geldentschädigung sei darum zwingend geboten. Die eigentliche Frage des Rechtsstreits sei dagegen gewesen, ob der Beklagte der Täter der Persönlichkeitsrechtsverletzung gewesen sei. Dies sei nach den Grundsätzen des BGH zur sogenannten „Halzband“-Entscheidung zu beurteilen. Darin ging es um die Haftung eines privaten Inhabers eines eBay-Mitgliedskontos. Ein Dritter hatte dessen Account missbraucht und dadurch eine Rechtsverletzung begangen. Der Inhaber des eBay-Kontos musste sich nach dieser höchstrichterlichen Entscheidung so behandeln lassen, als habe er die Rechtsverletzung selbst vorgenommen, da er seine Zugangsdaten nicht ausreichend vor fremdem Zugriff geschützt hatte. Dadurch konnte ein Dritter den eBay-Account des Beklagten nutzen, um u. a. Wettbewerbsverstöße vorzunehmen. Der Account-Inhaber habe hierbei seine Pflicht verletzt, die Zugangsdaten sicher zu verwahren. Diese Pflichtverletzung stelle gegenüber den Grundsätzen der Störerhaftung einen eigenen Zurechnungsgrund dar.
Die Haftung des Account-Inhabers ist auf den „sorglosen“ Umgang mit den Zugangsdaten zurückzuführen
Bei einem Facebook-Mitgliedskonto seien diese Grundsätze entsprechend anzuwenden. Die Accounts bei eBay und Facebook haben eine Identifikationsfunktion, weshalb die Zugangsdaten unbedingt geheim zu halten seien. Der Inhaber eines Facebook-Accounts müsse sich unwiderleglich so behandeln lassen, als habe er die Äußerungen selbst gepostet. Es komme nicht darauf an, ob der Account-Inhaber die Postings selbst eingestellt habe oder ob er die Verwendung seines Kontos durch einen Dritten veranlasst oder geduldet habe. Für die Zurechnung als eigenes täterschaftliches Handeln komme es vielmehr darauf an, dass die Rechtsverletzung auf der unzureichenden Sicherung der Zugangsdaten beruhe. Zudem könne der Beklagte nicht darlegen, wer die Postings tatsächlich eingestellt habe. Pauschale Behauptungen und Vermutungen können nicht darlegen, dass ein Dritter die Verletzungshandlungen mit alleiniger Tatherrschaft begangen habe.
Die Revision wurde zugelassen, da die Rechtssache grundsätzlich Bedeutung habe und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere. Insofern bleibt abzuwarten, welche Stellung der Bundesgerichtshof zu der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main bezieht.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.07.2016, Az. 16 U 233/15