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Arzt kann keine Wiederveröffentlichung von gelöschten positiven Bewertungen verlangen

Landgericht München, Urteil vom 16.04.2019, Az. 33 O 6880/18


Arzt kann keine Wiederveröffentlichung von gelöschten positiven Bewertungen verlangen

Das Landgericht München entschied mit Urteil vom 16.04.2019, dass ein Arzt von einem Internetbewertungsportal nicht verlangen könne, positive Bewertungen wieder zu veröffentlichen, die wegen Zweifels an ihrer Echtheit gelöscht wurden. Grund hierfür sei, dass die Allgemeinheit ein großes Interesse an der Glaubwürdigkeit derartiger Bewertungen habe, da dies die Arzt-Auswahl stark beeinflusse.

Löschung der guten Bewertungen aufgrund der Kündigung?
Ein Arzt verklagte das Internetportal Jameda. Der Kläger hatte ursprünglich insgesamt 60 Bewertungen mit einer Gesamtnote von 1,5 auf dem Portal erhalten. Bis Ende 2018 nahm der Kläger als Premienkunde besondere Leistungen in Anspruch. Dazu gehörte auch, sein eigenes Basisprofil auszugestalten. Die Premienkundschaft kündigte der Kläger, worauf die Beklagte zehn seiner positiven Bewertungen ohne Ankündigung und Begründung löschte. Die gelöschten Bewertungen befanden sich vorher ca. zwei Jahre auf dem Bewertungsportal. Der Kläger verlangte die Wiederveröffentlichung der gelöschten Bewertungen. Er vermutete, dass die Beklagte die Löschung aufgrund seiner Kündigung vorgenommen habe.

Bewertungen nicht vom Vertragsverhältnis erfasst
Das Landgericht München entschied, dass dem Kläger kein schuldrechtlicher Anspruch auf Wiederveröffentlichung zustehe. Denn zwischen den Parteien bestand bis zur Kündigung ein vertragliches Schuldverhältnis, nämlich das Premiumpaket. Allerdings sei Hauptleistung des Vertrages ausdrücklich nur die Ausgestaltung des Klägerprofils auf dem Bewertungsportal gewesen. Nicht dazu gehörten die von Dritten abgegebenen Bewertungen. Darauf habe die Beklagte auch vor Vertragsabschluss gesondert hingewiesen.

Recht auf eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Das Gericht urteilte weiter, dass eine Wiederveröffentlichungspflicht grundsätzlich aufgrund des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs bestehen könne. Denn dieses Recht sichere die ungestörte Betätigung und Entfaltung eines funktionierenden Betriebs im Wirtschaftsleben. Dies gelte auch für freie Berufe wie Ärzte. Allerdings müsse ein geltend gemachter rechtswidriger Eingriff betriebsbezogen sein. Er müsse sich also gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und eine Schadensgefahr in sich tragen. Eine bloße Behinderung sei nicht ausreichend.

Kein betriebsbezogener Eingriff erkennbar
Einen rechtswidrigen betriebsbezogenen Eingriff konnte das Landgericht jedoch nicht erkennen. Denn zunächst hätte der Kläger ggf. auch anonymisiert jeden behaupteten Rechtsverstoß rügen müssen. Dazu hätte er zu jeder einzelnen Bewertung näher ausführen müssen. Dies war ihm auch möglich, da aus den Bewertungen Anhaltspunkte wie Bewertungszeitpunkt, Versicherungsstatus, Wohnort, Alternsangabe etc. hervorgingen. Danach hätte er seine eigene Patientenkartei durchsehen können. Daran war er auch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht gehindert. Dies gelte umso mehr, da der Kläger in Absprache mit seinen Patienten dokumentiert habe, wann welcher Patient eine Bewertung im Portal abgegeben habe.

Keine Schädigung des Klägers sichtbar
Das Gericht erachtete zudem den Eingriff als so gering, dass eine Schädigung des Klägers ausgeschlossen werden könne. Denn nach Löschung der Bewertungen seien im Klägerprofil immer noch 51 Bewertungen abrufbar. Auch sei die Gesamtnote des Klägers dadurch nur minimal abgesenkt worden. Es seien auch keine besonderen Inhalte in den gelöschten Bewertungen erkennbar gewesen, die für den Kläger von essentieller Bedeutung gewesen wären.

Rechte des Informationsportals sind höher einzuschätzen
Auch die Güterabwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte der Beteiligten, nämlich das Recht auf freie Berufsausübung des Klägers und die Eigentumsgarantie der Beklagten, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn das Interesse der Beklagten am ordnungsgemäßen Betrieb ihres Portals überwiege. Sie könne daher Bewertungen, deren Validität nicht feststehe, im Zweifel löschen. Positive Bewertungen seien für Ärzte von hoher Bedeutung. Denn eine Bewertung verfüge über eine erhebliche Breitenwirkung, beeinflusse die Arztwahl der Patienten und wirke sich auf die Chancen des Arztes im Wettbewerb mit anderen Ärzten aus. Allerdings sei auch die Missbrauchsgefahr und deren Folgen für die Leistungstransparenz nicht zu unterschätzen. Daher müsse die Beklagte Bewertungen entweder im Verdachtsfall oder auch stichprobenhaft auf ihre Validität hin überprüfen und ggf. löschen dürfen, um den ordnungsgemäßen Betrieb ihres Portals zu gewährleisten. Daran habe die Öffentlichkeit ein außerordentlich hohes Interesse. Denn gefälschte Bewertungen könnten mit gravierenden negativen Folgen für die potentiellen Patienten verbunden sein. Die Löschung dürfe nur nicht willkürlich erfolgen, wie z.B. als Sanktion für eine Vertragskündigung des bewerteten Arztes.

Kein direktes Wettbewerbsverhältnis zwischen Arzt und Bewertungsportal
Ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch auf Wiederveröffentlichung stehe dem Kläger nicht zu, so das Gericht weiter. Denn der Anwendungsbereich des UWG sei nicht eröffnet. Vorliegend biete die Beklagte weder ärztliche Dienstleistungen an, noch vermittele sie solche. Als bloße Portalbetreiberin trete sie mit dem Kläger daher nicht in einen Wettbewerb.

Auch kein mittelbares Wettbewerbsverhältnis
Auch ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis konnte das Landgericht nicht erkennen. Denn durch die Möglichkeit, das vorhandene Basisprofil eines Arztes auszugestalten, verlasse die Beklagte nicht ihre „neutrale“ Informationsvermittlungsfunktion. Damit sei die Förderung fremden Wettbewerbs zu weit entfernt, um von einer geschäftlichen Handlung auszugehen. Es handele sich vielmehr um einen Fall, in dem die anderen Unternehmer nur irgendwie – gleichsam reflexartig – in ihrem Marktstreben betroffen sind. Dies genüge jedoch nicht der Förderung fremden Wettbewerbs.

Keine relevante Irreführung
Es liege im Übrigen sowieso keine wettbewerblich relevante Irreführung vor, so das Gericht weiter. Denn der Kläger konnte schon nicht beweisen, dass die Beklagte valide Bewertungen gelöscht habe. Darüber hinaus sei das Löschen von zehn Bewertungen bei einer noch verbleibenden erheblichen Anzahl von 51 Bewertungen und das geringfügige Absinken der Gesamtnote nicht dazu geeignet, eine irrige Vorstellung über die Qualität der angebotenen ärztlichen Dienstleistungen hervorzurufen.

Landgericht München, Urteil vom 16.04.2019, Az. 33 O 6880/18


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