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Zugang einer außerhalb der Geschäftsstunden übersandten E-Mail

AG Meldorf, Urteil vom 29.03.2011, Az. 81 C 1601/10


Zugang einer außerhalb der Geschäftsstunden übersandten E-Mail

Das Amtsgericht Meldorf hat im März 2011 entschieden, dass eine E-Mail nicht bereits zum Zeitpunkt ihrer Ankunft im Mail-Account ihres Empfängers als zugegangen gewertet werden kann, sondern erst wenn eine Kenntnisnahme tatsächlich möglich und erwartbar ist.

Im verhandelten Fall hatte der Kläger ein Reisebüro damit beauftragt, eine Reise für ihn zu buchen, sobald sie zu einem von ihm festgelegen Preis verfügbar war. Da der Reiseveranstalter die Fahrt zu ständig wechselnden Preisen anbot, war es nötig, das Angebot regelmäßig zu überprüfen, um es zum gewünschten Preis buchen zu können. Da die Reise sowohl für Privatpersonen im Internet als auch über die Buchungssysteme des Reisebüros erhältlich war, recherchierte der Kläger selbst im Internet, fand schließlich ein Angebot zum gewünschten Preis und buchte die Reise ohne weitere Rücksprache mit dem Reisebüro direkt vom Veranstalter. Dem Reisebüro schickte er abends um 20.38 Uhr eine E-Mail, in der er seinen Auftrag stornierte. Telefonisch hatte er das Reisebüro nicht mehr erreicht. Die Mitarbeiterin des Reisebüros buchte am folgenden Morgen die Reise. Das E-Mail-Postfach kontrollierte sie erst anschließend. Dem Kläger entstanden daher Kosten in Höhe von 881 Euro für die Stornierung einer der beiden Buchungen. Er nahm aber den Standpunkt ein, dass seine E-Mail bereits vor der Buchung zugegangen sei, die Mitarbeiterin die Reise also nicht hätte buchen dürfen.

Der Sachverhalt wurde noch etwas verkompliziert dadurch, dass der Kläger nicht etwa die Buchung des Reisebüros stornierte, sondern seine eigene. Er hatte im Online-Buchungs-Formular nämlich seinen Vor- und Nachnamen vertauscht, weshalb er die durch das Reisebüro korrekt vorgenommene Buchung in Anspruch nehmen wollte. Er verlangte vom Reisebüro Schadenersatz für die ihm entstandenen Stornierungskosten. Da das Reisebüro zur Kostenerstattung nicht bereit war, musste das Amtsgericht Meldorf entscheiden.

Vor Gericht argumentierte das beklagte Reisebüro, dass dem Kläger die Stornierungskosten auch entstanden wären, wenn nur er selbst online gebucht hätte, denn durch den Fehler bei der Eingabe seines Namens wäre ohnehin eine Stornierung nötig gewesen. Außerdem habe die Mitarbeiterin nicht damit rechnen müssen, dass der Kunde selbst eine Buchung vornimmt. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Reisebüro hat nach Ansicht des Gerichts lediglich einen bestehenden Vermittlungsvertrag erfüllt. Die Kündigung dieses Vertrages war dem Beklagten erst nach der beauftragten Buchung zugegangen. Die Kündigung wird nämlich nach geltender Rechtsprechung erst wirksam, wenn die Kenntnisnahme durch den Empfänger möglich und zu erwarten ist. Dazu verwies das Gericht unter anderem auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, WM 1994, 903), der entschieden hat, dass vom Zugang eines außerhalb der Geschäftszeiten zugestellten Schriftstücks nicht vor Beginn der Geschäftszeiten am nächsten Arbeitstag ausgegangen werden kann. Bei einer elektronischen Nachricht besteht zwar teilweise die Auffassung, dass sie bereits zum Zeitpunkt ihrer Abrufbarkeit zugegangen sei. Andere Urteile, denen sich das Gericht anschloss, besagen aber, dass ein Brief oder eine E-Mail erst zu dem Zeitpunkt zugeht, an dem der Empfänger üblicherweise die Post an sich nimmt oder seine Mails abruft. Bei einem Unternehmen sei dies frühestens mit Beginn der Geschäftszeit zu erwarten, könne aber auch anders organisiert sein. Dabei könne man vom Empfänger nicht verlangen, dass er den Posteingang ständig überwache, da er in der Ausübung seines Berufes grundsätzlich frei über die Reihenfolge der Arbeiten entscheiden könne. Ein Unternehmer müsse in der Lage sein, Prioritäten selbst zu setzen und sei nicht verpflichtet, ohne besonderen Grund ständig mit dem Eingang von Nachrichten zu rechnen, die beispielweise dringende Buchungen unnötig machten. Auch sei vom Unternehmer nicht zu erwarten, dass er zuerst sämtliche eingegangenen Nachrichten überprüfe, bevor er andere geschäftliche Handlungen vornehme. Die Buchung der Reise gleich zu Beginn der morgendlichen Tätigkeit war von der Mitarbeiterin des Reisebüros als wichtiger eingestuft worden als die Überprüfung des Mail-Eingangs. Dies war eine normale und nicht zu beanstandende Geschäftsentscheidung. Das Reisebüro musste zudem nicht damit rechnen, dass der Kläger nach Erteilung des Buchungsauftrags selbst eine Buchung durchführt. Es sei keine entsprechende Absprache erfolgt, das Risiko der Überschneidung der beiden Buchungen lag also allein beim Kläger.

AG Meldorf, Urteil vom 29.03.2011, Az. 81 C 1601/10


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