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Versicherung darf Gutachterfotos nicht in Restwertbörse veröffentlichen

BGH, Urteil vom 29.04.2010, Az. I ZR 68/08


Versicherung darf Gutachterfotos nicht in Restwertbörse veröffentlichen

Die Lichtbilder eines Sachverständigengutachtens sind Gegenstand des Urheberrechtsschutzes. Erstellt ein Sachverständiger im Auftrag einer eintrittspflichtigen Versicherung ein Gutachten und fertigt dafür Lichtbilder an, ist der Haftpflichtversicherer nicht berechtigt, diese in eine Restwertbörse zwecks Überprüfung des festgestellten Restwertes einzustellen. Für diese Veröffentlichung muss der Haftpflichtversicherer die Einwilligung des Sachverständigen einholen. Dem Kläger steht ein Auskunftsanspruch hinsichtlich der festgestellten Rechtsverletzung (§ 242 BGB) gegen die Beklagte zu.

Der Kläger hatte für die beklagte Haftpflichtversicherung ein Gutachten über einen Unfallwagen erstellt. Für dieses Gutachten fertigte er mehrere Fotos in Papierform an, die er der Versicherung übergab. Diese stellte die Aufnahmen des Unfallautos in eine Restwertbörse im Internet ein, um den ermittelten Restwert zu überprüfen. Der Sachverständige sah seine Urheberrechte an den Aufnahmen verletzt und nahm die Versicherung auf Unterlassung in Anspruch. Zurecht, wie das Gericht befindet. Die Unfallversicherung hätte vor der Veröffentlichung der Aufnahmen die Einwilligung des Sachverständigen einholen müssen, da er die alleinigen Urheberrechte an den streitgegenständlichen Aufnahmen hält und eine Eigentumsübertragung zu keinem Zeitpunkt stattgefunden hat.

Den Weg über die Restwertbörsen bestreiten die Versicherer immer dann, wenn der Unfallwagen einen Totalschaden aufweist und anderweitig nicht mehr zu verkaufen ist. Für professionelle Schrotthändler sind diese vermeintlich wertlosen Autowracks jedoch durchaus eine interessante Investition. Bei einem Totalschaden zahlt die eigene Vollkaskoversicherung oder der gegnerische Haftpflichtversicherer den Wiederbeschaffungswert eines gleichwertigen Gebrauchtwagens. In Abzug wird der durch einen Sachverständigen ermittelte Restwert gebracht. Die Versicherung muss dem Geschädigten im Zweifelsfall jedoch nachweisen, wie die Restwertermittlung zustande gekommen ist.

Der Vertragszweck beschränkt sich auf die Erstellung eines Gutachtens, für den die Eigentumsübertragung an den Aufnahmen des verunfallten Wagens nicht notwendig ist. Das Gutachten dient alleine zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Unfallgegner. Eine Veröffentlichung der Aufnahmen im Internet ist nicht notwendig. Der Sachverständige ist nicht verpflichtet, eine Erklärung dahingehend abzugeben, dass er mit der Veröffentlichung nicht einverstanden ist, da das Urheberrecht automatisch greift. Die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung kann sich nicht auf den üblichen Gang des Verfahrens berufen, um eine börsenkontrollierte Restwertkontrolle vorzunehmen. Ein Gutachter, der mit einer Veröffentlichung nicht einverstanden ist, steht nach Meinung der Versicherer der Regulierung des Unfallschadens im Weg. In der Vergangenheit hatten die Versicherer das Recht, diese Gutachten wieder zurückzuschicken und eine Regulierung der Unfallsache zu verweigern. Diese Vorgehensweise ist nach der regelmäßigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht mehr zulässig.

Angesichts der neuen Rechtsprechung wird das System der Restwertbörsen empfindlich gestört. Die Versicherer versuchen jedoch weiterhin, Restwertkontrolle zu betreiben. In erster Linie betrifft diese Rechtsprechung das Verhältnis zwischen der eintrittspflichtigen Versicherung und dem Sachverständigen. Allerdings sind auf lange Sicht auch die Unfallgeschädigten und die beauftragten Kfz-Werkstätten betroffen.

Erteilt ein Sachverständiger das begehrte Einverständnis, setzt er das übliche Verfahren des Restwertüberbietens in den einschlägigen Börsen in Gang. Verweigert er sich dem Anliegen, wird der klassische Weg bestritten und der Restwertaufkäufer persönlich ins Haus geschickt, um das Unfallobjekt in Augenschein zu nehmen. So ist der Sachverständige zwar in der Lage, den Weg der Unfallregulierung zu beeinflussen, nicht jedoch das Ziel der Versicherungen, weiterhin Herr der Lage zu bleiben. Zudem befürchten Experten, dass die Versicherungen versuchen, die Regulierung des Unfallschadens zu verzögern, indem sie zeitintensive Einzelfallprüfungen ankündigen. Für die Versicherungen bestehen auch andere Wege der Restwertkontrolle, man wählt jedoch den Weg des geringsten Widerstandes. Werkstätten und Autohäuser sitzen zwischen den Stühlen. Einerseits leben sie auch von den Aufträgen der Versicherer und wollen diese Auftraggeber nicht verprellen. Andererseits müssen sie sich bei Verzögerungen eventuell die Kritik der Kunden als Unfallgeschädigte anhören. Besonders freie Sachverständige sind auf Aufträge aus der Versicherungswirtschaft angewiesen und erteilen bereits im Vorfeld ihre Einverständniserklärung.

Im Fall einer Teilreparatur darf der Versicherer nicht überbieten. Verkauft der Unfallgeschädigte den Unfallwagen laut Restwert des Gutachtens, bevor das höhere Angebot der Versicherung eintrifft, ist der Versuch des Überbietens zu spät. Notfalls kann der ursprüngliche Restwert gerichtlich durchgesetzt werden. Der Weg der börsenkontrollierten Restwertüberprüfung mit anschließender Überbietung wird auf lange Sicht nicht aufhören, denn der Aufkäufertermin durch den Regulierer und das lichtbildlose Verfahren in den Restwertbörsen sind möglich.

BGH, Urteil vom 29.04.2010, Az. I ZR 68/08


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