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Irreführende Verwendung eines Gütesiegels

KG Berlin, Urteil vom 27.03.2012, Az. 5 U 39/10


Irreführende Verwendung eines Gütesiegels

Das Kammergericht Berlin hat durch Urteil vom 27.03.2012 zum Aktenzeichen 5 U 39/10 als Berufungsgericht einen wettbewerbsrechtlichen Streit entschieden. Als Kläger war ein Verband aufgetreten, dem neben anderen Mitgliedern auch Industrie- und Handelskammern angehörten. Deshalb berief er sich auf eine Klagebefugnis aus § 8 Absatz 2 Nr.3 UWG. Die Beklagte war als Anbieterin von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Hygiene für verschiedene Auftraggeber tätig. Als Kunden betreute sie Hotels, Friseure und Nagelstudios, aber auch Massagebetriebe und Tattoo-Studios. Als nach außen hin erkennbares Zeichen ihrer Tätigkeit stellte die Beklagte ihren Kunden eine Kennzeichnungs-Plakette zur Verfügung. Diese Plakette sollten die Kunden so anbringen, dass sie wiederum von deren Kundschaft gesehen und als Versprechen besonders hygienischer Verhältnisse gewertet würden. Der Kläger erkannte eine Gefahr der Irreführung der Kundschaft darin, dass die Beklagte, ohne zur Erteilung von Gütesiegeln befugt zu sein, Zeichen verwendete, die von Verbrauchern mit solchen Gütesiegeln gleichgesetzt werden könnten. Wenn durchschnittlich informierte Kunden der Betriebe, die die von der Beklagten angebotenen Hygienedienstleistungen in Anspruch nehmen, glaubten, dass aufgrund der offiziell wirkenden Plaketten ein besonders hoher Hygienestandard garantiert werde, könne es sich bei der Vergabe und Verwendung der Plaketten gemäß § 5 Absatz 1 UWG um eine unlautere Wettbewerbsmaßnahme handeln. Diese Handlung müsste dann unverzüglich eingestellt werden.

Auf die vom Kläger ausgesprochene Abmahnung mit Unterlassungserklärung ging die Beklagte nicht ein. Sie vertrat die Ansicht, dass dem Kläger schon die Berechtigung fehle, wettbewerbsrechtliche Abmahnungen auszusprechen oder Klagen einzureichen. Die Beklagte bewertet die von ihr ausgegebenen Siegel lediglich als Zeichen dafür, dass der Kundenbetrieb Hygieneleistungen in Anspruch nimmt und an von ihr angebotenen Schulungsmaßnahmen im Hygienebereich teilgenommen hat. Der vom Kläger beim Landgericht Berlin erhobenen Klage wurde in erster Instanz stattgegeben. Die gegen das erstinstanzliche Urteil von der Beklagten beim Kammergericht eingereichte Berufung wurde als zulässig, aber unbegründet abgewiesen.

Zunächst hatte sich das Kammergericht von Amts wegen mit der Klagebefugnis auseinanderzusetzen. Wesentliche Problempunkte waren dabei die Mitgliederstruktur des Klägers und die Sicherstellung der Prozessfinanzierung. Das Kammergericht sah die in § 8 Absatz 3 Nr. 2 UWG festgesetzten Voraussetzungen für eine Prozessführungsbefugnis im vorliegenden Fall als gegeben an. In Übereinstimmung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ging der 5. Senat davon aus, dass die Mitgliedschaft von Industrie- und Handelskammern, die selbst über eigene Klagebefugnisse verfügen, in diesem Rahmen auch eine Klagebefugnis auf den Verband, in dem sie zusammengeschlossen sind, übertragen. Der Nachweis entsprechender Mitgliedschaften konnte im Wege des Freibeweises erfolgen. Dabei reichte es aus, die Vornahme von Beitragszahlungen zu beweisen, ohne deren konkrete Höhe im Einzelfall belegen zu müssen. Für die Erhärtung des von der Beklagten geäußerten Verdachts, die Form des klagenden Verbands solle ausschließlich dazu dienen, die Voraussetzung für Abmahn- und Klageverfahren der hier vorliegenden Art zu liefern, fand das Kammergericht keine ausreichenden Indizien. Auch hinsichtlich der finanziellen Ausstattung des Klägers als weiteres Kriterium für seine Klagebefugnis folgte das Kammergericht dem Vortrag der Beklagten nicht. In der Urteilsbegründung führten die Richter aus, dass es nicht notwendig sei, liquide Geldmittel zur Abdeckung des gesamten Kostenrisikos aller gerade geführten Rechtsstreitigkeiten vorrätig zu haben. Die Finanzierung muss nicht ausschließlich durch Erhebung von Mitgliedsbeiträgen gesichert werden. Einnahmen aus Einigungen in Abmahnverfahren dürfen zur Finanzierung von Streitverfahren benutzt werden.

In der Sache hat das Kammergericht entschieden, dass die Verwendung der von der Beklagten benutzten Plaketten als geschäftliche Handlung im Sinne des UWG anzusehen ist. Das Aufkleben oder die Übergabe von Plaketten an Kunden hat nicht nur eine feststellende, sondern auch eine werbende Wirkung. Die Plaketten wendeten sich an Endkunden und an andere Unternehmen, die möglicherweise selbst ihre hygienischen Verhältnisse optimieren wollten. Durch die spezielle Gestaltung der Plakette, die sich an offiziellen Gütesiegeln orientierte, wurde gezielt der unzutreffende Eindruck erweckt, es handele sich um ein Zeichen offizieller Anerkennung und nicht nur um eine firmeninterne Markierung.

KG Berlin, Urteil vom 27.03.2012, Az. 5 U 39/10


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