Anwälte müssen auch auf Drittanbieterplattformen eigenes Impressum vorhalten
Die 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart hat entschieden, dass Rechtsanwälte, die auf den Seiten Dritter, z.B. auf dem Anwalts-Suchservice kanzlei-seiten.de ihre Dienstleistungen anbieten, dort "leicht verfügbar" ein eigenes Impressum vorhalten müssen. Ansonsten verstoßen sie gegen Anbieterkennzeichnungspflichten und damit auch gegen das Wettbewerbsrecht.
Ein Rechtsanwalt aus Kornwestheim hatte eine einstweilige Verfügung gegen einen Esslinger Rechtsanwalt erwirkt. Der in dem Rechtsstreit teilunterlegene Verfügungsbeklagte hatte auf der Anwaltsplattform kanzlei-seiten.de für Leistungen seiner Kanzlei geworben, ohne in einer Anbieterkennzeichnung vollständig auf sich als Anbieter des Plattformeintrages hinzuweisen (sog. Impressumspflicht).
Das Landgericht Stuttgart sah in dem Verhalten des Verfügungsbeklagten einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und gegen das Telemediengesetz.
Dem Verfügungsbeklagten wurde verboten, weiterhin geschäftsmäßige elektronische Informations- und Kommunikationsdienste für seine anwaltliche Tätigkeit auf der streitgegenständlichen Internet-Plattform anzubieten, ohne eine (eigene!) vollständige Anbieterkennzeichnung abrufbar zu halten.
Der Sachverhalt
Der Verfügungskläger forderte den Verfügungsbeklagten auf, eine in Streitigkeiten des Wettbewerbsrechts übliche strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Da der Verfügungsbeklagte allerdings keine Unterlassungserklärung abgab, kam es zu dem gerichtlichen Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart.
Der Verfügungsbeklagte hielt den Antrag des Verfügungsklägers für unbegründet. Es sei beispielsweise unklar, wer überhaupt der richtige Beklagte (also passivlegitimiert) sei: die Privatperson, der Rechtsanwalt als solcher oder die Kanzlei, deren Partner der beklagte Rechtsanwalt ist. Auch sei der Begriff des Impressums, auf den der Verfügungskläger abhebt, inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.
Der Verfügungskläger handele außerdem rechtsmissbräuchlich, er wolle lediglich den Verfügungsbeklagten als auch andere Rechtsanwälte wegen angeblicher Impressumsverstöße mit möglichst hohen Prozesskosten und -risiken belasten und deren personelle und finanzielle Kräfte binden. Der Verfügungsbeklagte beantragte aus den genannten Gründen, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Das Gericht hielt den Antrag des Verfügungsklägers für zulässig und zumindest in Teilen für begründet.
Der Antrag sei, so das Gericht, hinreichend bestimmt gefasst. Sodann sei auch die richtige Person verklagt worden. Auch liege kein Fall des Rechtsmissbrauchs vor. Der Umstand, dass der Verfügungskläger in anderen, ähnlich gelagerten Angelegenheiten eine Vielzahl von Abmahnungen ausspreche und seine Ansprüche auch gerichtlich verfolge, lasse noch nicht darauf schließen, dass er sich bei seinem Handeln von sachfremden Motiven leiten lasse. Auch dass der Verfügungskläger sich vereinzelt in Medien, u.a. in der FAZ sowie in einem eigenen Blog über die von ihm betriebenen Abmahnungen äußere, rechtfertige nicht die Annahme, dass der Verfügungskläger missbräuchlich handelt.
Da sowohl der Verfügungskläger als auch der Verfügungsbeklagte als Rechtsanwalt tätig seien, stünden sie zueinander in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Der Verfügungsbeklagte sei Anbieter und Betreiber eines eigenen Informations- und Kommunikationsdienstes.
Nicht nur der Plattformbetreiber selbst sei impressumspflichtig, sondern, je nach Lage des Einzelfalls, auch der einzelne Rechtsanwalt, der eine eigene Internetveröffentlichung in das Portal einstelle.
Die streitgegenständliche Internetveröffentlichung auf der Plattform kanzlei-seiten.de verstoße daher gegen die Informationspflichten, da der Verfügungsbeklagte die ihm obliegenden Pflichtangaben gemäß der Vorschrift des Telemediengesetzes (§ 5 Abs. 1 TMG) nicht vollständig verfügbar gehalten habe.
Ein Link auf die Internetseite der Partnerschaftsgesellschaft, welcher der Verfügungsbeklagte angehört, und die Möglichkeit, über den Link "Impressum" die dort vorhandenen Pflichtangaben aufzurufen, sei nicht ausreichend, da die gesetzliche Voraussetzung, dass diese "leicht verfügbar" sei, nicht erfüllt sei, urteilte das Landgericht Stuttgart.
Der Verfügungsbeklagte habe aus den vorgenannten Gründen durch die streitgegenständliche Internetveröffentlichung auf der Internetplattform eine unlautere Handlung begangen. Aufgrund dieses Erstverstoßes des Verfügungsbeklagten bestehe Wiederholungsgefahr. Diese begründe einen Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers. Dem Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz sei nach Ansicht des Gerichts daher zumindest in Teilen stattzugeben. Den Streitwert hat das Landgericht auf 10.000 Euro festgesetzt. Da der Verfügungskläger seinen ursprünglichen Antrag zu weit gefasst hatte, hatte er jedoch ein Drittel, der Verfügungsbeklagte hingegen zwei Drittel des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Da es sich um eine einstweilige Verfügung handelte, ist das Urteil allerdings sofort vollstreckbar.
LG Stuttgart, Urteil vom 24.04.2014, Az. 11 O 72/14
Das Urteil können Sie HIER im Volltext abrufen.