Reform Kaufrecht 2021
Am 11.06.2019 ist die EU-Richtlinie 2019/771 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs in Kraft getreten. Die EU-Mitgliedsstaaten werden darin verpflichtet, die Vorgaben aus der Richtlinie bis zum 01.07.2021 in nationales Recht umzusetzen, sodass die Vorgaben auf Vertragsschlüsse ab dem 01.01.2022 Anwendung finden.
Mit dem „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ vom 25.06.2021 wurde die Richtlinie nunmehr in Deutschland umgesetzt.
Folgende gesetzliche Vorgaben, die nur in Kürze dargestellt werden können, gelten dann für Vertragsschlüsse ab dem 01.01.2022.
Neuer Mangelbegriff in § 434 BGB-neu (gilt auch im B2B-Bereich)
Die neu eingeführte Definition eines Sachmangels lautet:
„Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.“
Der Gesetzeswortlaut bestimmt im Weiteren die vorgenannten Kriterien:
• Die subjektiven Anforderungen liegen vor, wenn die Sache
• die vereinbarte Beschaffenheit hat, hierzu gehören die Kriterien: Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben,
• sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und
• mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage und Installationsanleitungen, übergeben wird.
• Die objektiven Anforderungen, soweit nicht abweichend vereinbart, liegen vor, wenn die Sache
• sich für die gewöhnliche Verwendung eignet,
• eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung
a) der Art der Sache und
b) der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden. Hierzu gehören die Kriterien: Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit,
• der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und
• mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
• Soweit eine Montage durchzuführen ist, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage
• sachgemäß durchgeführt worden ist oder
• zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.
Bestehen bleibt die Vorgabe, dass es einem Sachmangel gleichsteht, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert.
Die Vorgaben zu den objektiven Anforderungen könnten zukünftig insbesondere bei Waren problematisch werden, bei denen der Verbraucher die Ware in Kenntnis des Sachmangels erwirbt. Hierzu aber nachfolgend unter § 476 BGB mehr.
Neue Regelungen zur Nacherfüllung in § 439 BGB-neu
Klarstellend regelt § 439 BGB-neu, dass der Käufer die Sache zum Zwecke der Nacherfüllung zur Verfügung stellen muss und bei Ausübung seines Herausgaberechts der mangelhaften Sache durch den Verkäufer, die Rücknahme auf seine Kosten erfolgt.
Neue Regelungen zum Rückgriffsanspruch in § 445a BGB-neu
Die gesetzlichen Anpassungen durch § 445a BGB-neu erfolgen aufgrund der generellen Änderungen der Gesetze, insbesondere wurde die diesbezügliche Geltung auf einen Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen aufgrund einer Verletzung von Aktualisierungspflichten (siehe auch nachfolgende Ausführungen zu § 475 b BGB-neu) klargestellt.
Aufhebung der Verjährungshemmung beim Rückgriffsanspruch
Die in § 445b Abs. 2 S. 2 BGB vorgesehene Begrenzung der Verjährungshemmung auf fünf Jahre wurde aufgrund der Regelungen zu digitalen Elementen ersatzlos gestrichen. Damit erfolgt eine Verlängerung der Haftung in der Lieferkette.
Anpassungen zur Nacherfüllung bei Verbrauchsgüterkäufen in § 475 BGB-neu
Eine Nacherfüllung muss aufgrund der gesetzlichen Vorgaben innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen. Im Fall des Rücktritts oder des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung wegen eines Mangels der Ware, genügt für den Rückzahlungsanspruch des Käufers der Nachweis, dass er die Ware zurückgesandt hat.
Sonderbestimmungen bezüglich einer Fristsetzung vor Rücktritt § 475 d BGB-neu
Die grundsätzliche Notwendigkeit einer Fristsetzung vor dem Rücktritt aufgrund eines Mangels gemäß § 323 BGB und § 440 BGB wird für Verbrauchsgüterkaufverträge modifiziert. § 475 d BGB-neu enthält Sonderbestimmungen. Demnach entfällt beispielsweise die notwendige Fristsetzung, wenn der Verkäufer als Unternehmer die Nacherfüllung gegenüber einem Verbraucher nicht innerhalb einer bestimmten Frist nach Anzeige eines Mangels vornimmt. Der Verbraucher hat daher einzig den Mangel anzuzeigen, eine Frist zur Nacherfüllung muss er allerdings nicht setzen. Diese wird gesetzlich mit der Mangelanzeige „in Gang“ gesetzt. Die Dauer der angemessenen Frist bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls, hier wird aber auf die Rechtsprechung zu § 323 Absatz 1 BGB zurückgegriffen werden können.
Für andere Sachverhalte, neben dem vorgenannten Beispiel, wurde die Notwendigkeit der Fristsetzung ebenfalls ausgenommen.
Vorsicht: Abweichungen zur objektiven Beschaffenheit § 476 Abs. 1 BGB-neu
Wurde vom Verkäufer bisher in dem Angebot auf einen vorhandenen Mangel hingewiesen und der Verbraucher erwarb die Ware, konnte er wegen diesem Mangel keine Ansprüche geltend machen. Diese Regelung war insbesondere bei dem Verkauf von gebrauchten Waren für den Unternehmer von Vorteil.
Dies wird zukünftig nicht mehr gelten.
§ 476 BGB-neu verlangt zunächst ein „gesondertes“ in Kenntnis setzen des Verbrauchers und zudem eine Vereinbarung zwischen den Parteien, in der die Abweichung ausdrücklich und gesondert vereinbart wird. Eine Nennung des Mangels in der Produktbeschreibung soll hierfür nicht mehr ausreichen. In dem Regierungsentwurf heißt es hierzu:
„Dazu reicht es im Onlinehandel auch nicht aus, ein schon vorangekreuztes Kästchen vorzusehen, das der Verbraucher deaktivieren kann. Der Unternehmer kann im Online-Handel aber eine ausdrückliche und gesonderte Erklärung des Verbrauchers etwa dadurch herbeiführen, dass er auf seiner Webseite ein Kästchen oder eine Schaltfläche vorsieht, das die Verbraucher anklicken oder auf andere Weise betätigen können.“
Vorsicht: Neuregelung zur Verjährung von Mängelansprüchen § 476 Abs. 2 BGB-neu
§ 476 Absatz 2 BGB-neu regelt die Voraussetzungen an eine Vereinbarung über die Verkürzung von Verjährungsfristen neu.
Bei neu hergestellten Sachen bleiben die bisherigen Regelungen. Eine Verkürzung auf eine Verjährungsfrist von weniger als zwei Jahren ist nicht wirksam.
Bei gebrauchten Sachen erfolgt jedoch eine Neuregelung, die den Vorgaben der EU-Richtlinie geschuldet ist. Bis zum Inkrafttreten der neuen Regelung galt, dass die Verjährungsfrist beispielsweise in Form von einer AGB Klausel für gebrauchte Sachen auf ein Jahr verkürzt werden konnte.
Nach den neuen Regelungen muss eine Vereinbarung zur Verkürzung der Verjährungsfrist ausdrücklich und gesondert erfolgen. Die Umsetzung müsste demnach wie in dem vorgenannten Beispiel von § 476 Abs. 1 BGB erfolgen. Eine Verkürzung über eine AGB Klausel würde demnach nicht ausreichen.
Vorsicht: Neuregelung zur Beweislastumkehr § 477 BGB-neu
In den bisherigen gesetzlichen Regelungen galt bei Verträgen zwischen Unternehmern und Verbraucher in Bezug auf den Beweis des Mangels folgendes:
Tritt innerhalb von 6 Monaten nach Übergabe - Gefahrübergang - der Sache ein „mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung)“ (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 – VIII ZR 103/15) auf, gilt die gesetzliche Vermutung, dass dieser Zustand schon zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war. Der Unternehmer kann diese Vermutung aber widerlegen, was praktisch nur in seltenen Fällen erfolgsversprechend ist. Nach dem Ablauf der 6 Monate muss der Verbraucher den Beweis erbringen, dass der Zustand schon zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag, was wiederum praktisch nur in seltenen Fällen erfolgsversprechend ist.
Ab 01.01.2022 wird die „Vermutung“ der ersten 6 Monate auf ein Jahr erweitert. Demnach wird bei einem „mangelhaften Zustand (eine Mangelerscheinung)“ der innerhalb von einem Jahr ab Übergabe - Gefahrübergang - an den Verbraucher auftritt vermutet, dass dieser schon bei Übergabe - Gefahrübergang - vorlag.
Vorsicht: Neuregelung zu Garantieerklärungen § 479 BGB-neu
Abweichend zu den bisherigen Regelungen gilt: Die Garantieerklärung ist dem Verbraucher in jedem Fall auf einem dauerhaften Datenträger (z.B. per E-Mail) spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung zur Verfügung zu stellen und nicht lediglich wie nach bisherigem Recht auf dessen Verlangen.
Bei einer Haltbarkeitsgarantie des Herstellers muss zumindest eine Nacherfüllung nach den Vorgaben des § 439 Absatz 2, 3, 5 und 6 Satz 2 und des § 475 Absatz 5 BGB-neu vorgesehen sein.
Besonderheiten „Sachen mit digitalen Elementen“
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, welches ebenfalls zum 01.01.2022 in Kraft tritt, wurden grundsätzliche Regelungen zu Verbraucherverträgen über digitale Produkte erlassen. Insbesondere eine Pflicht zur Aktualisierung - funktionserhaltende Updates und Sicherheitsupdates – während des maßgeblichen Vertragszeitraumes wurde eingeführt.
In dem „Gesetz zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags“ wurden hierzu „flankierend“ Anpassungen für Waren mit digitalen Elementen vorgenommen:
• § 475 b BGB-neu Sachmangelbegriff bei digitalen Elementen
Dem Grunde nach, entspricht die Definition der Sachmangelfreiheit des 434 BGB-neu, auch hier sind die Kriterien die subjektiven Anforderungen, die objektiven Anforderungen, die Montageanforderungen. Hinzutreten bei den digitalen Elementen jedoch noch die Installationsanforderungen. Alle Kriterien werden in § 475 b BGB-neu definiert. Insbesondere die Aktualisierungen sind hier aber in Bezug auf die Mangelfreiheit zu beachten.
Anwendung finden soll dies auf Waren, die digitale Produkte in einer solchen Weise enthält oder mit diesen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne Letztere nicht erfüllen kann (vgl. § 327a Abs. 3 Nr. 1 BGB-neu).
• § 475 c BGB-neu Sachmangelbegriff bei digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung
Nach § 475c II BGB-neu haftet der Unternehmer bei einer vertraglich geschuldeten dauerhaften Bereitstellung während des Bereitstellungszeitraums, mindestens aber für zwei Jahre nach Ablieferung der Ware dafür, dass diese den Anforderungen des § 475b II BGB-neu an die Sachmangelfreiheit entspricht. Die Beweislastumkehr gilt demnach bei solchen Waren nicht nur ein Jahr, sondern so lange, wie der Vertrag läuft.
Die Regelungen bringen einigen „Zündstoff“ in Bezug auf die Sachmängelhaftung mit sich. Dies auch im B2B-Bereich. Insbesondere die Verlängerung der Beweislastumkehr auf ein Jahr ab Gefahrübergang wird zu zunehmenden Auseinandersetzungen führen. Aber auch der Verkauf von Ware, bei der ein „Mangel“ vorliegt, wird sich zukünftig in Bezug auf die neuen Vorgaben verändern müssen. Zu begrüßen sind sicherlich die Regelungen in Bezug auf digitale Elemente.
Die praktischen Auswirkungen und die diesbezüglichen Lösungen werden sich sicherlich erst mit der Zeit zeigen. Hier wird auf die Rechtsprechung einiges zukommen.