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Zur Irreführung durch den Begriff Manufaktur

Oberlandesgericht Frankfurt/Main, Beschluss vom 29.06.2021, Az. 6 U 46/20


Zur Irreführung durch den Begriff Manufaktur

Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main beschloss am 29.06.2021, dass eine Firmierung mit "Manufaktur" irreführend sein könne, wenn die Produkte nicht überwiegend in Handarbeit gefertigt werden.

Wann ist eine Manufaktur eine Manufaktur?
Beide Parteien vertrieben nostalgische Blechschilder. Die Klägerin ging gegen die Beklagte vor, da diese mit einer mehr als 100-jährigen Tradition bei der Herstellung ihrer Blechschilder warb und ihre Firma mit dem Zusatz „Manufaktur“ bezeichnete. Die Beklagte ging allerdings aus der D und Plakat-Industrie GmbH hervor und war erst 2017 gegründet worden. Die 1. Instanz gab dem Begehren der Klägerin nur teilweise statt, weshalb sie in Berufung ging.

Wirtschaftliche Fortdauer und wesensgleiche Aktivität
Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main befand, die Beklagte könne eine Unternehmertradition von mehr als 100 Jahren behaupten. Diese Werbung sei nicht unlauter und führe nicht in die Irre. Der Altershinweis suggeriere Kontinuität. Daher müsse eine wirtschaftliche Fortdauer während der behaupteten Jahre vorliegen. Trotz der im Laufe der Zeit eingetretenen Änderungen müsse die Beklagte also mit dem früheren Unternehmen als wesensgleich angesehen werden können. Dies sei vorliegend der Fall. Die Beklagte könne - obwohl erst 2017 gegründet - auf eine wirtschaftliche Aktivität der D und Plakat-Industrie GmbH zurückgreifen. Die Herstellung der Blechschilder durch die vorherige D und Plakat-Industrie GmbH und die von der Beklagten durchgeführten „Veredelungstätigkeiten“ seien als wesensgleiche Aktivität anzusehen. Dies habe die Beklagte mit dem Kaufvertrag D und Plakat-Industrie GmbH nachgewiesen. Unstreitig sei zudem, dass die Vorgängergesellschaft seit 1904 selbst Blechschilder gefertigt habe.

Überwiegender Anteil des gesamten Herstellungsprozesses
Für eine Geschäftskontinuität sei es nicht erforderlich, dass die frühere Beklagte auch heute noch sämtliche Produktionsschritte selbst vornehme, so das Gericht. Der Durchschnittsverbraucher rechne mit gewissen Änderungen aufgrund technischer Entwicklungen. Er erwarte aufgrund der um sich greifenden Kostenoptimierung nicht mehr, dass sämtliche Produktionsschritte in einem Unternehmen durchgeführt werden. Vorliegend finde die weit überwiegende Produktion des angebotenen Endprodukts im Betrieb der Beklagten statt. Dies nehme auch den weit überwiegenden Anteil der Arbeitszeit des gesamten Herstellungsprozesses in Anspruch. Der Beklagten werde eine Art „Rohling“ geliefert, der bis zum Verkauf einer nicht unerheblichen weiteren Verarbeitung bedürfe. Erst danach könne dieser als nostalgisches Blechschild und Dekorationsware angeboten werden.

Manufaktur ist nicht mit Fabrik, Firma oder Unternehmen gleichzusetzen
Das OLG entschied allerdings, dass die Firmierung als „Manufaktur“ irreführend sei. Zwar könne der Begriff einem Bedeutungswandel unterliegen. Vorliegend sei aber nicht davon auszugehen, dass sich der Begriff „Manufaktur“ bereits vollständig hin zum Synonym für „Fabrik“, „Firma“, „Unternehmen“ oder „Werk“ gewandelt habe. Zwar finde der Begriff bei vielen Unternehmen Anwendung. Es sei aber unklar, mit welcher Bedeutung dies geschieht und welche Bedeutung die jeweils angesprochenen Verkehrskreise diesem beimessen. Aus dem Duden ergebe sich, dass das Wort „Manufaktur“ als Synonym für „Handarbeit“ Verwendung findet, und zwar vor den Begriffen „Unternehmen“ und „Werk“.

Manufaktur bedeutet Tradition und Handfertigung
Das OLG war der Ansicht, dass der maßgebliche Verkehrskreis mit dem Begriff „Manufaktur“ eine Herstellungsstätte mit langer Tradition und Handfertigung verbinde. Dies ergebe sich bereits aus dem Wort „Manufaktur“ selbst (manus = Hand und facerere = erbauen, tun, herstellen). Zudem müsse auch gesehen werden, dass der angesprochene Verkehr die Blechschilder mit der angegebenen Produktionsstätte „Manufaktur“ in Verbindung bringt. Dies lasse eine Herstellung auf „althergebrachte“, handgearbeitete Art erwarten.

Keine überwiegende Handarbeit bei Beklagten
Diese Verbrauchervorstellung werde aber durch die Beklagte enttäuscht, so das Gericht weiter. Sie habe nicht dargetan, dass bei ihr überwiegend in Handarbeit gefertigt werde. Es fehle an einer substantiierten Darlegung zum Anteil der Handarbeit bei den durchgeführten Veredlungsschritten. Zwar werden große Schilder und Sonderformate per Hand umgekantet. Dies spreche aber eher dafür, dass das „Normalformat“ im Gegensatz dazu (überwiegend) unter Einsatz von Maschinen erfolge.

Anteil der Handarbeit ist wesentlich bei Kaufentscheidung
Das OLG Frankfurt befand, die Nutzung des Firmenbestandteils „Manufaktur“ sei auch geeignet, dadurch den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Der Anteil der Handarbeit an einem Produkt könne durchaus für eine Kaufentscheidung wesentlich sein. Denn er vermittele gegenüber einer rein maschinellen Fertigung eine höhere Wertigkeit des Produkts.

Oberlandesgericht Frankfurt/Main, Beschluss vom 29.06.2021, Az. 6 U 46/20


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