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Zur „Dringlichkeit“ bei einstweiliger Verfügung

Antragsteller darf nicht zögerlich sein


Zur „Dringlichkeit“ bei einstweiliger Verfügung

Das OLG Köln entschied mit Beschluss vom 12.04.2019, Az.: 6 W 22/19, dass kein Grund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung vorliegt, wenn der Antragsteller zwischen der Kenntnis einer Werbeaussage und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung seine Ermittlungen und Vorbereitungen nur nachlässig oder zögerlich betreibt. Er habe nicht in Eile, aber zielstrebig zu handeln. Bei widerlegter Dringlichkeitsvermutung habe er darzulegen und glaubhaft zu machen, dass ein dringlicher Verfügungsgrund besteht.

Keine einstweilige Verfügung ohne „dringlichen“ Grund
Die Parteien stritten über den Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Antragsgegnerin bewarb seit mehreren Jahren einen Luftwäscher, der Pollen aus der Luft entferne. Die Antragstellerin wollte im einstweiligen Verfügungsverfahren die Unterlassung einer Werbeaussage der Antragsgegnerin erreichen, nachdem sie das beworbene Produkt selbst begutachten und testen hatte lassen. Das Landgericht Köln beschloss am 06.02.2019, dass es keinen Grund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gebe. Daraufhin erhob die Antragstellerin beim OLG Köln sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des LG Köln. Auch das OLG Köln kam zu dem Ergebnis, dass es keinen Grund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gebe und stimmte dem LG Köln sowohl im Ergebnis als auch hinsichtlich der Begründung zu. Grundsätzlich habe der Antragsteller darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der Grund für die Beantragung der einstweiligen Anordnung tatsächlich „dringlich“ sei. Im Wettbewerbsrecht gebe es hier jedoch eine Erleichterung für den Antragsteller. Nach § 12 Abs. 2 UWG werde widerleglich tatsächlich vermutet, dass die „Dringlichkeit“ der Angelegenheit gegeben ist.

„Dringlichkeit“: der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist entscheidend
Das heißt, zum Zeitpunkt der Antragstellung gilt die „Dringlichkeit“ zunächst als vermutet. Der Antragsteller braucht diese nicht glaubhaft zu machen. Sobald der Antragsgegner allerdings widerlegt, dass die „Dringlichkeit“ vermutet werden kann, ist es dann doch Sache des Antragstellers, diesen Umstand darzulegen und glaubhaft zu machen. Um die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen genügt es, wenn der Antragsgegner gewichtige Umstände vorträgt, die den Schluss auf eine dringlichkeitsschädliche Kenntniserlangung zulassen. Dieser niedrige Maßstab gilt, da der Antragsgegner in der Regel nichts darüber wissen kann, wann der Antragsteller von der Werbung, die ihn zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung veranlasste, Kenntnis erlangt hat. Der Antragsteller muss anschließend darlegen, wann er tatsächlich Kenntnis erlangt hat.

Werbeaussage bestand „im Wesentlichen unverändert“ seit 2015
Im vorliegenden Fall brachte die Antragsgegnerin vor, dass die angegriffene Werbeaussage „im Wesentlichen unverändert“ seit 2015 verwendet werde. Sowohl das LG Köln als auch das OLG Köln sahen in diesem Vorbringen eine Erschütterung der tatsächlichen Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG. Die Antragstellerin habe die Begutachtung der Werbeaussage am 23.08.2018 beauftragt. Daher sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin zumindest vor diesem Datum bereits Kenntnis von der streitgegenständlichen Werbeaussage hatte. Dieser Umstand spiele eine wichtige Rolle. Denn prinzipiell sei es unerheblich, wie lange ein Wettbewerbsverstoß schon bestehe, da die Wettbewerber keine Marktbeobachtungspflicht haben. Ausschlaggebend sei vielmehr, zu welchem Zeitpunkt der Antragsteller konkret Kenntnis davon erlangt habe.

Kenntniserlangung vier Monate vor Antragstellung – Dringlichkeit widerlegt?
In der Gesamtbetrachtung könne es also genügen, wenn eine Werbeaussage eines unmittelbaren Konkurrenten schon seit 2015 „im Wesentlichen unverändert“ verwendet wird und hinzukommt, dass der Antragsteller zumindest vier Monate vor der Antragstellung davon Kenntnis erlangt hat. Dieser Gesamtumstand könne den Schluss zulassen, dass die Antragstellerin „dringlichkeitsschädliche Kenntnis“ von der Werbung hatte und die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG erschüttert ist. Nach Ansicht der Antragstellerin sei der gegnerische Vortrag zu unklar und pauschal hinsichtlich der Behauptung, die Werbeaussage sei „im Wesentlichen unverändert“. Das OLG Köln erwiderte, dieser Vortrag könne nach Auslegung nur so verstanden werden, dass jedenfalls der Kern der Werbeaussage unverändert verwendet worden sei und sich höchstens der Aufbau oder die graphische Darstellung der Werbung verändert habe.

Wettbewerbswidrigkeit der Werbeaussage kam erst später ans Licht
Es sei nun Sache der Antragstellerin, das Vorliegen des Verfügungsgrundes – also auch den Zeitpunkt der Kenntniserlangung – darzulegen und glaubhaft zu machen. Sie müsse ebenso vortragen, wie sie sich nach Kenntniserlangung verhalten habe und wann und wodurch sie sich veranlasst sah, die Begutachtung der Werbeaussage in Auftrag zu geben. Das OLG Köln räumte zwar ein, dass nicht allein auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Werbeaussage abzustellen sei, wenn der darin liegende Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht nicht offensichtlich erkennbar war und erst Ermittlungen und Aufklärung notwendig waren. Dann sei auch auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Antragstellerin von den die Wettbewerbswidrigkeit der Werbeaussage begründenden Umstände Kenntnis erlangte. Vorliegend sei also auch der Zeitraum vom Erhalt der Testergebnisse bis zur Beantragung der einstweiligen Verfügung maßgeblich.

Der Antragsteller muss nicht in Eile, aber zielstrebig ermitteln
Die Kenntniserlangung von der Wettbewerbswidrigkeit der Werbeaussage sei aber nicht der allein maßgebliche Zeitpunkt. Wer sich von einer Werbeaussage gemäß Wettbewerbsrecht verletzt fühlt, müsse zwar keine „besondere Eile“ bei seinen Ermittlungen und Aufklärungsbemühungen an den Tag legen oder mit „größtmöglicher Schnelligkeit“ handeln. Allerdings sei auf den Einzelfall abzustellen. Wer sich bei der Verfolgung seiner Ansprüche derart nachlässig oder zögerlich verhält, dass aus objektiver Sicht der Schluss geboten ist, ihm sei an einer zügigen Durchsetzung seiner Rechte nicht gelegen, der kann sich nicht auf die „Dringlichkeit“ berufen. Also darf zwar einerseits die Zeit, die zur Vorbereitung eines erfolgsversprechenden Verfügungsantrags, die Ermittlung des Sachverhalts und die Beschaffung geeigneter Glaubhaftmachungsmittel notwendig ist, nicht an sich „dringlichkeitsschädlich“ sein. Dies gelte andererseits nur dann, wenn der Antragsteller die erforderlichen Schritte jeweils zielstrebig in die Wege leitet und zu Ende führt.

Keine Darlegung der Antragstellerin trotz Hinweis des Gerichts
Vorliegend könne zwar nicht in Erfahrung gebracht werden, wieviel Zeit zwischen der Kenntnis der Werbeaussage bis zur Beauftragung des Gutachtens vergangen war. Hierzu gebe es weder einen Vortrag, noch sei der genaue Zeitpunkt der Kenntniserlangung bekannt. Für die abschließende Beurteilung der Dringlichkeit sei in einer Gesamtbetrachtung entscheidend, wann die Antragstellerin von der Werbeaussage Kenntnis erlangt habe und wann und unter welchen Umständen sie sich dazu veranlasst sah, die Werbeaussage zu hinterfragen und Ermittlungen durchzuführen. Denn nur so lasse sich nachvollziehen, ob die Antragstellerin trotz eines Verdachts der Wettbewerbswidrigkeit ihre Ermittlungen nur nachlässig oder eben doch ausreichend zügig betrieben habe. Das OLG Köln begründete seine Entscheidung abschließend damit, dass die Antragstellerin trotz Hinweis des LG Köln keine entsprechenden Umstände dargelegt hat. Sie hat weder den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Werbeaussage als „dringlichkeitsunschädlich“ dargetan noch vorgetragen, dass erst seit einer „nicht dringlichkeitsschädlichen Zeit“ Anlass zur Überprüfung der Werbeaussage bestand. Das LG Köln habe den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung daher zu Recht zurückgewiesen.

OLG Köln, Beschluss v. 12.04.2019 - Az.: 6 W 22/19

von Jacqueline Dischler, LL.M.


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