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Zulässige Aussagen unter Mitbewerbern

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2019, Az. 6 U 203/18


Zulässige Aussagen unter Mitbewerbern

In einem Urteil vom 28.03.2019, Az. 6 U 203/18 kam das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu dem Ergebnis, dass der Vorwurf eines Unternehmers gegenüber seinem Konkurrenten keinen Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 UWG begründe. Vielmehr hätten sich beide Parteien bezüglich ihren Äußerungen nichts geschenkt und ihren Streit unberechtigterweise auf dem Rücken eines Dritten ausgetragen.

Beanstandung der Aussage eines Mitbewerbers
In dem Verfahren stritten sich zwei Mitbewerber. Die Antragstellerin beantragte ihren Konkurrenten (Antragsgegner) zur Unterlassung der Aussage gegenüber einem Dritten, dass sie (gemeint war die Antragstellerin) noch „eine ganze Reihe von vertraglichen Pflichten zu erledigen habe“, zu verurteilen.
Nach Ansicht der Antragstellerin handelte es sich hierbei um einen Wettbewerbsverstoß im Rahmen von § 4 UWG. Diese Norm schützt grundsätzlich die Mitbewerber im Konkurrenzkampf.

Landgericht Frankfurt am Main wies Klage zurück
Das Begehren der Antragstellerin war jedoch schon in der ersten Instanz vor dem Landgericht Frankfurt am Main erfolglos. Das Gericht hielt den geltend gemachten Unterlassungsanspruch mit Urteil vom 19.09.2018, Az. 3-08 O 94/18 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für begründet.

Auch Berufung unbegründet
Zu dem gleichen Ergebnis kam im Anschluss das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Auch dieses hielt weder einen Verstoß gegen § 4 Nr. 2 UWG noch gegen § 4 Nr. 1 UWG für einschlägig, sodass es die Berufung der Antragstellerin zurückwies.

Tatsachenbehauptung oder Werturteil?
Zunächst stellte das Oberlandesgericht fest, dass es für einen Verstoß gegen § 4 Nr. 2 UWG an einer tatbestandlich notwendigen Tatsachenbehauptung fehle. Tatsachen seien grundsätzlich Vorgänge, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen dem Wahrheitsbeweis zugänglich sind (vgl. BGH, Urteil vom 31.03.2016 – I ZR 160/14). Das Gegenteil von Tatsachenbehauptungen seien Werturteile. Diese seien anders als Tatsachenbehauptungen nicht dem Beweis ihrer objektiven Richtigkeit zugänglich, sondern durch das Element des Wertens, Meinens und Dafürhaltens geprägt (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2018, Az. I ZR 264/16). Sei hingegen eine konkrete Abgrenzung nicht durchführbar, da Tatsachenbehauptung und Werturteil vermengt werden, so sei darauf abzustellen, ob das Gewicht der Äußerung mehr auf dem tatsächlichen oder mehr auf dem wertenden Moment liege. Eine solche Beurteilung müsse aufgrund der Zusammensetzung der besagten Aussage auch für den Streitfall vorgenommen werden.

Keine Tatsachenbehauptung gemäß § 4 Nr. 2 UWG
Das Berufungsgericht vertrat sodann den Standpunkt, dass der Vorwurf des rechtswidrigen oder unlauteren Verhaltens, der hier letztendlich von der Antragstellerin in den Raum geworfen wurde, grundsätzlich als Werturteil einzustufen sei, sodass der Schwerpunkt der streitgegenständlichen Äußerung insgesamt im wertenden Bereich lag. Mithin sei die Aussage generell als Werturteil anzusehen, weshalb die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 2 UWG ausscheide, so die Ansicht des Senats. 

§ 4 Nr. 1 UWG ebenso nicht einschlägig
Im Weiteren hielt das Oberlandesgericht auch § 4 Nr. 1 UWG für nicht einschlägig. Grund hierfür sei, dass das Verhalten der Antragsgegnerin in seiner Gesamtwürdigung nicht als unlautere Herabwürdigung zu qualifizieren sei. Zwar stehe auch Unternehmern im Verhältnis zu ihren Konkurrenten ihr Recht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 I GG zu, wenn die Äußerung kommerziellen Zwecken dient oder es sich um Wirtschaftswerbung mit einem wertenden, meinungsbildenden Inhalt handelt (BVerfG, GRUR 2008, 81 – Pharmakartell). Allerdings finde dieses Recht in § 4 Nr. 1 UWG auch seine Einschränkung. Formalbeleidigungen oder formale Herabwürdigungen per se seien generell unzulässig. In den übrigen Fällen sei hingegen eine Abwägung der Güter und Interessen der Beteiligten und der Allgemeinheit vorzunehmen. Hierbei müsse einerseits dem Schutz des geschäftlichen Rufs des Betroffenen nach Art. 2 I, 12 GG, andererseits dem Bedeutungsgehalt des Art. 5 I GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2018, Az. I ZR 264/16). Zu berücksichtigen sei außerdem das geschützte Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb, weshalb geschäftlichen Zwecken dienende Meinungsäußerungen strenger zu beurteilen seien als Äußerungen, die lediglich im Lichte des Deliktsrechts zu betrachten seien (vgl. BGH, Urteil vom 31.03.2016 – I ZR 160/14).

Verhalten der Antragstellerin maßgeblich
Die für die streitgegenständliche Aussage vorzunehmende Abwägung führe insgesamt dazu, die Unlauterkeit zu verneinen, so das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Entscheidend für dieses Ergebnis war der Umstand, dass es zunächst die Antragstellerin gewesen sei, die an den Dritten herangetreten war. Hierbei habe diese als erste den Vorwurf der Verletzung vertraglicher Verpflichtungen durch den Antragsgegner in den Raum gestellt. Dies geschah pauschal und ohne nähere Erläuterung. Somit trug die Antragstellerin den zwischen den Parteien geführten Streit erstmals nach außen und band einen Dritten ein, der hiervon bisher keine Kenntnis hatte. Erst nach der Behauptung der Antragstellerin erhob der Antragsgegner den streitigen, ebenso pauschalisierten Vorwurf. Diesbezüglich sei allerdings zu berücksichtigen, dass die Äußerung keinem breiten Publikum gegenüber getätigt wurde, sondern nur gegenüber einem Empfänger.

Vorwurf war insgesamt auch nicht erheblich
Auch sei nicht ersichtlich, dass der besagte Vorwurf „Kreise ziehen“ könnte. Schließlich stehe auch kein relevanter, das Ansehen der Antragstellerin erheblich beeinträchtigter Vorwurf wie etwa eine Straftat im Raum. Letztlich hätten beide Parteien nur ihren Streit auf dem Rücken eines Dritten ausgetragen. Daran ändere auch das Vorbringen der Antragstellerin, dass sich der Antragsgegner nicht auf eine Reaktion auf deren Vorwurf beschränkt habe, sondern darüberhinausgehend weitere herabsetzende Vorwürfe tätigte. Dies spiele aus Sicht des Dritten nämlich keine Bedeutung.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2019, Az. 6 U 203/18

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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