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Zahlungskonto im EU-Ausland zulässig

Zahlungskonto im EU-Ausland bei Online-Bestellung ist zulässig


Zahlungskonto im EU-Ausland zulässig

In einem Urteil vom 20.04.2018, Az. 4 U 120/17 entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe, dass ein Online-Shop die Bezahlung von im Internetversandhandel bestellten Waren mittels Lastschriftverfahren von Kunden, die über ein Konto im EU-Ausland verfügen, nicht zurückweisen darf. Durch den Ausschluss einer solchen Bezahlung verstoße dieser gegen eine unionsrechtliche Vorschrift, welche den Verbrauchern die Möglichkeit gebe, hinsichtlich der Kontoführung frei unter den Ländern der Europäischen Union auszuwählen.

Nichtakzeptanz ausländischer Konten bei Online-Bestellung
Die Klägerin, ein Dachverband einer Vielzahl von Verbraucherorganisationen, rügte eine Zahlungsverweigerung der Beklagten, welche einen Internetversandhandel betreibt. Diese hatte bei einer Online-Bestellung das Lastschriftverfahren mittels eines in Luxemburg errichteten Kontos von Kunden mit Wohnsitz in Deutschland nicht akzeptiert. Diese Verweigerung sei nach Ansicht der Klägerin als ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 VO (EU) Nr. 260/212 (SEPA-VO) zu werten. Hiernach gebe ein Zahlungsempfänger, der eine Überweisung annehme oder eine Lastschrift verwende, um Geldbeträge von einem Zahler einzuziehen, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen sei, sofern das Zahlungskonto erreichbar sei. Die angeführte Norm diene in erster Linie Verbraucherinteressen, da die Verbraucher für die Kontoführung frei unter den Ländern der Europäischen Union auswählen könnten, ohne Zahlungseinschränkungen beispielsweise für den Fall von Wohnsitzverlängerungen oder regelmäßigem oder häufigem Auslandsaufenthalt zu unterliegen. Sie stelle mithin eine verbraucherschützende Norm im Sinne des § 2 Abs. 1 UKlaG dar und könne zudem als Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG angesehen werden. Mithin erweise sich das Verhalten der Beklagten als Wettbewerbsverstoß.

Landgericht gab Klage statt
Das Landgericht Freiburg im Breisgau teilte die Auffassung der Klägerin und gab der Klage daher statt. Die in Rede stehende unionsrechtliche Vorschrift der SEPA-VO sei entgegen der Ansicht der Beklagten als Verbraucherschutzgesetz und Marktverhaltensregel zu bewerten. Ebenso liege auch ein Verstoß ihrer Person gegen diese Vorschrift vor. Folglich habe es die Beklagte künftig zu unterlassen, Warenbestellungen durch Kunden mit Wohnsitz in Deutschland mittels auf ein Konto in Luxemburg bezogener Lastschrift zurückzuweisen.

Oberlandesgericht wies Berufung zurück
Die Beklagte akzeptierte das Urteil des Landgerichts nicht und legte Berufung hiergegen ein. Allerdings entschied auch das Oberlandesgericht Karlsruhe nicht in ihrem Sinne, sondern wies die Berufung zurück. Die Instanz teilte die Rechtsauffassung des Landgerichts vollumfänglich und nahm keine rechtfehlerhafte Bewertung an.

Verstößt die Beklagte gegen ein Verbraucherschutzgesetz?
Wie bereits in der Vorinstanz waren im Berufungsverfahren zwei Aspekte streitig: Zunächst galt es vom Oberlandesgericht zu klären, ob Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO als Verbraucherschutzgesetz und als  Marktverhaltensregel eingestuft werden könne. Daran anknüpfend war fraglich, ob ein Verstoß gegen die besagte Norm seitens der Beklagten vorliege.

Was ist ein Verbraucherschutzgesetz?
Das Gericht beschäftigte sich hinsichtlich des ersten Aspekts zuerst damit, wodurch sich Verbraucherschutzgesetze generell auszeichnen. Eine Vorschrift diene demnach dem Schutz der Verbraucher, wenn der Verbraucherschutz ihr eigentlicher Zweck sei. Zwar könne die Norm grundsätzlich auch anderen Zwecken nutzen. Allerdings genüge es nicht, wenn der Verbraucherschutz in der Regelung nur untergeordnete Bedeutung habe oder als zufällige Nebenwirkung auftrete. Es könnten daher neben den in § 2 Abs. 2 UKlaG ausdrücklich genannten Normen alle Vorschriften, welche Verhaltenspflichten des Unternehmers gegenüber einem Verbraucher begründeten und deren Verletzung Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigten, als solche Regelungen klassifiziert werden.

Ist Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO ein Verbraucherschutzgesetz?
Die Beklagte begründete ihre Ansicht, dass Art. 9 Abs. 2 SEPA-Verordnung kein Verbraucherschutzgesetz darstellt, auch in der Berufungsbegründung mit der Intention des Verordnungsgebers. Ziel dessen sei es nämlich gewesen, die Abwicklung von bargeldlosen Zahlungen zu harmonisieren, um ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes zu ermöglichen. Ferner richte sich die Norm als einzige Vorschrift der Verordnung an Zahlungsdienstnutzer. Ein Schutz der Verbraucher sei daher also, wenn überhaupt nur als untergeordnetes Ziel des Gesetzgebers anzunehmen. Dieser Meinung widersprach das Oberlandesgericht im Einklang mit der Auffassung des Klägers. Die aus der Schaffung des integrierten Marktes unmittelbar resultierende Vereinfachung des Zahlungsverkehrs gerade auch für Verbraucher sei nicht nur Ausdruck eines untergeordneten Verordnungszweckes oder gar nur eine zufällige Nebenwirkung. Vielmehr sei dies als unmittelbar verbraucherschützendes Ziel der streitigen Regelung zu werten. Hierfür spreche die Gesamtheit der Erwägungsgründe, auch wenn hin und wieder missverständlich einschränkende Formulierungen zu erkennen seien. Insbesondere der Erwägungsgrund 24 belege die vom Gericht vertretende Zielrichtung. Es stehe der vorliegenden Annahme auch nicht entgegen, dass ebenfalls andere Zahler wie Unternehmen oder Behörden durch die Regelung bestimmungsgemäß begünstigt werden. Überdies handele es sich bei Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO nach Ansicht des Gerichts um eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG. Die Vorschrift  sei – wie Verbraucherschutzvorschriften in der Regel – dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Liegt ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO vor?
Im Weiteren teilte das Gericht das Vorbringen der Beklagten, dass der Kläger jedenfalls keinen Verstoß ihrerseits gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO bewiesen hat, nicht. Entgegen der Berufungsbegründung könne nicht angenommen werden, dass die Zahlung per Lastschrift im konkreten Fall des Klägervortrags ausnahmsweise aus zulässigen Gründen aufgrund interner Sicherheitsmaßnahmen abgelehnt worden war und die Beklagte im Übrigen Überweisungen oder Lastschriften, welche von Konten außerhalb von Deutschland veranlasst werden, selbstverständlich akzeptiert. Der Kläger habe nach Ansicht des Gerichts bereits in der Klageschrift glaubhaft dargelegt, dass eine generelle Ablehnung der Bezahlung durch Lastschrift von einem in Luxemburg unterhaltenen Konto durch einen in Deutschland wohnhaften Besteller erfolgte. Dieser Rückschluss lasse sich durch die Fehlermeldung, welche bereits bei der Eingabe der auf ein luxemburgisches Konto bezogenen IBAN-Nummer auftauche, ziehen. Eine Zurückweisung, die auf einer individuellen Prüfung beruhe, sei mithin abzulehnen.

Revision wurde zugelassen
Die Revision wurde im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage der verbraucherschützenden Wirkung des Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO im Sinne des § 2 Abs. 1 UKlaG und der Einstufung der Norm als Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG zugelassen. Entscheidungen bezüglich dieser Problematik lägen von Seiten anderer Gerichte bislang nämlich noch nicht vor. Einer Entscheidung über den fürsorglich von der Beklagten gestellten Antrag auf Vorlage an den EuGH bedürfe es nach Zulassung der Revision nach Ansicht des Oberlandesgerichts aber nicht.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 20.04.2018, Az. 4 U 120/17

von Sabrina Schmidbaur


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