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Widerrufsrecht gilt auch für Online-Apotheke

Online-Apotheken dürfen Widerrufsrecht von Verbrauchern nicht generell ausschließen


Widerrufsrecht gilt auch für Online-Apotheke

Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied mit Urteil vom 15.02.2017, dass Versandapotheken das Widerrufsrecht bei der Bestellung verschreibungs- und apothekenpflichtiger Medikamente nicht generell ausschließen dürfen. Zudem müsse die Versandapotheke eine kostenlose telefonische Beratungshotline anbieten.

Eingeschränktes Widerrufsrecht bei apothekenpflichtigen Medikamenten?
Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverband gegen eine Online-Apotheke. Die Beklagte nahm in ihren Geschäftsbedingungen verschreibungs- und apothekenpflichtige Medikamente vollständig vom Widerrufsrecht aus. Dies rechtfertigte sie damit, dass bei Versand von schnell verderblicher Ware das Widerrufsrecht ausgeschlossen sei. Zudem ging es um die Frage, ob die Beklagte die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bereits vor der Bestellung durch den Kunden in speicherbarer Form zur Verfügung stellen müsse und ob sie eine kostenpflichtige Telefonnummer für die Kundenberatung betreiben durfte.

Reichweite des Klagebegehrens
Aufgrund verschiedener Angaben des Klägers hinsichtlich des Zeitpunktes einer erforderlichen Speichermöglichkeit der AGB war das Klagebegehren durch das Gericht auszulegen. Aufgrund der Begründung in der Klageschrift ging es davon aus, dass sich der Kläger ausdrücklich auf die fehlende Speichermöglichkeit vor verbindlicher Bestellung durch den Kunden beschränken wolle. Zwar stelle der Kläger an anderer Stelle auch auf den Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung bzw. den Zeitpunkt, an den sich der Verbraucher mit der Bestellung befasst, ab. Allerdings werde in der Klageschrift ausdrücklich die Auffassung vertreten, der Verbraucher solle sich vor Abgabe seiner Willenerklärung mit den AGB befassen können, um zu wissen, unter welchen Konditionen das Vertragsverhältnis zustande komme. Daher sei zu diesem Zeitpunkt auch die Notwendigkeit der Speicherung in wiedergabefähiger Form gegeben.

Keine Bereitstellung der AGB bereits vor Bestellung
Das Gericht verneinte jedoch das Erfordernis, die Beklagte müsse die AGB bereits vor der Bestellung in einer speicherfähiger Fassung bereitstellen. Das Gesetz stelle als maßgeblichen Zeitpunkt für die Abruf- und Speichermöglichkeit von AGB auf den Vertragsabschluss ab. Obwohl die Willenserklärungen im E-Commerce zwangsläufig zeitlich auseinanderfallen, werde insoweit nicht der Abgabezeitpunkt einer der beiden erforderlichen Willenserklärungen als maßgeblich festgelegt. Somit ergebe sich keine zwingende Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunktes.

Hinweis auf telefonische Beratung
Die Erfragung der Kunden-Telefonnummer durch die Beklagte müsse mit einen Hinweis auf eine mögliche telefonische Beratung durch das pharmazeutische Apothekenpersonal verbunden werden, so das Gericht. Diesbezüglich sei die gesetzliche Regelung in der Apothekenbetriebsordnung eindeutig. Dadurch solle eine Beratung durch die Versandapotheke gewährleistet werden. Nur der entsprechend informierte Kunde sei in der Lage, die Gewährleistung der Erreichbarkeit gegen mögliche andere Interessen (z.B. eingeschränkte Preisgabe der privaten Telefonnummer aufgrund Internetbestellung) abzuwägen.

Hinweis auf kostenfreie telefonische Beratung
Das Gericht entschied weiterhin, dass Online-Apotheken gesetzlich zur kostenlosen Beratung verpflichtet seien. Danach seien die Kunden auf die gebührenfreie telefonische Beratung unter Angabe der Telefonnummer und Beratungszeit hinzuweisen. Damit solle es dem Kunden ermöglicht werden, Informations- und Beratungsmöglichkeiten zu nutzen, die mit denen stationärer Apotheken vergleichbar seien. Aufgrund der überragenden Bedeutung der Arzeneimittelsicherheit sei jede weitere Kostenbelastung für den Kunden unzulässig, welche seine Entscheidung zu einer fachlichen Beratung beschränken könne. Gebühren, auch wenn sie gering seien, könnten Bestellkunden davon abhalten, die Beratungshotline zu nutzen.

Widerrufsbelehrung
Auch bei Online-Bestellungen von Medikamenten finde das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht grundsätzlich Anwendung, so das OLG Karlsruhe. Dies ergebe sich klar aus der Gesetzesbegründung. Es solle mit der Regelung die Ausweitung des Verbraucherschutzes durch Gewährleistung eines Widerrufsrechtes auch für Fernabsatzverträge über Arzneimittel sichergestellt werden. Der Umstand, dass die Online-Apotheke zurückgesandte Ware rechtlich nicht wieder veräußern dürfe, begründe nicht die Anwendbarkeit einer Ausnahmeregelung. Eine "rechtliche Verderblichkeit" werde somit nicht erfasst.

Keine Unterscheidung zwischen Kassen- und Privatpatienten
Die Verwendung der beanstandeten Widerrufsbelehrung war zu untersagen, ohne dabei zwischen der Verwendung gegenüber Kassenpatienten und anderen Kunden zu differenzieren. Hierbei könne dahinstehen, ob Kassenpatienten als Besteller aufgrund der öffentlich-rechtlichen Leistungsberechtigung und -verpflichtung des Apothekers überhaupt als Verbraucher zu behandeln seien. Denn der ausreichend häufige Fall der Bestellungen durch Privatpatienten als Verbraucher begründe bereits allein den Verstoß gegen die Pflicht zur Widerrufsbelehrung. Es komme somit nicht darauf an, ob die Klausel in anderen Fallkonstellationen als unbedenktlich zu bewerten sei.

Normenkontrolle
Das Gericht sah kein Veranlassung für eine Normenkontrollvorlage an das Bundesverfassungsgericht wegen eines nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des Beklagten. Eine Ungleichbehandlung bzw. Benachteilung gegenüber Präsenzapotheken aufgrund der Unveräußerlichkeit zurückgegebener Arzeneimittel erscheine höchst zweifelhaft. Denn man könne dies dem Vorteil von erheblich geringeren Sach-und Personalkosten bei ungleich größerem Einzugsbereich einer Internetapotheke gegenüber stellen. Außerdem war der Gesetzgeber zur Normierung des AGB-Rechts verbunden mit einer Regelung zur Berufsausübung für Versandapotheken befugt. Denn das Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit stehe im Verhältnis praktischer Konkordanz zum Verbraucherschutz, welcher ebenfalls Verfassungsrang genieße.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 15.02.2018, Az.: 4 U 87/17

von Jana Krzewsky


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