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Widerrufsbelehrung in Werbeprospekt mit Bestellpostkarte

BGH, Urteil v. 11.04.2019, Az. I ZR 54/16


Widerrufsbelehrung in Werbeprospekt mit Bestellpostkarte

Der BGH hat mit Urteil vom 11.04.2019, Az. I ZR 54/16 entschieden, dass auch ein Werbeprospekt mit Bestellpostkarte die Widerrufsbelehrung nebst Muster-Widerrufsformular enthalten muss, wenn Verbraucher mittels der Postkarte einen Fernabsatzvertrag abschließen können. Die Ausnahme für reduzierte Informationspflichten bei begrenztem Darstellungsraum sei nicht gegeben, wenn die Belehrung nicht mehr als 1/5 des gesamten Darstellungsraums einnehme.

Ein Werbeprospekt enthielt weder Widerrufsbelehrung noch -formular
Ein Unternehmen legte im Jahr 2014 in diversen Zeitungen und Zeitschriften seinen ausklappbaren Werbeprospekt im Umfang von sechs Seiten, Format 19 x 23,7 cm, bei. Auf der rechten Ausklappseite konnten die Leser in der unteren Hälfte eine Bestellpostkarte heraustrennen. Auf beiden Seiten der Karte wurde auf das gesetzliche Widerrufsrecht hingewiesen. Nicht auf der Postkarte selbst, sondern auf einem Abschnitt neben der Vorderseite der Bestellpostkarte wurden Angaben zu Telefon- und Faxnummer sowie Internetadresse und Anschrift des Unternehmens gemacht. Die Überschrift dazu lautete „So bestellen Sie bei…“. In den Fußzeilen der Vorder- und Rückseite des Prospekts war die Telefonnummer und Internetadresse angegeben, darüber die Überschrift: „Bestellservice“. Auf der Website fand sich über den Link „AGB“ unter „Rechtliches“ die Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular.

Informationspflichten bei „begrenztem Raum“ auf dem Prospekt?
Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs fand diesen Prospekt so nicht in Ordnung. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung und dem Muster-Widerrufsformular. Aufgrund des unlauteren Verhaltens mahnte die Wettbewerbszentrale die Gesellschaft ab – erfolglos. Daraufhin erhob die Zentrale Klage auf Unterlassung sowie Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten. Dreh- und Angelpunkt war die gesetzliche Regelung des Art. 246a § 3 S. 1 Nr. 4 EGBGB. Diese Regelung gewährt Erleichterung für die umfangreichen Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen. Bietet ein Fernkommunikationsmittel nämlich nur „begrenzten Raum oder begrenzte Zeit“ für die zu erteilenden Informationen, so kann sich der Unternehmer darauf beschränken, nur auf das Bestehen des Widerrufsrechts hinzuweisen. Hierauf berief sich die Beklagte. Auf ihrem Werbeprospekt sei nur „begrenzt Platz“.

Beklagte verlor in 1. und 2. Instanz
Das Landgericht Wuppertal stimmte der Klägerin im Wesentlichen zu. Das OLG Düsseldorf änderte dieses Urteil im Berufungsverfahren teilweise ab und entschied: die Beklagte habe in ihrem Printmedium mit der Bestellpostkarte über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren und das Muster-Widerrufsformular beizufügen. Außerdem seien die Abmahnkosten zu erstatten. Die Beklagte verfolgte ihren Antrag auf Klageabweisung mit der Revision weiter.

BGH legte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor
Der BGH beschloss am 14.06.2017, dem Gerichtshof der Europäischen Union zum Thema „begrenzter Raum“ auf einem Fernkommunikationsmittel einige Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Mit Urteil vom 23.01.2019, Az. C-430/17 gab der EuGH folgende Antworten:

1.    Zur Frage, ob auf einem Kommunikationsmedium nur begrenzter Raum für Informationen zum Widerrufsrecht zur Verfügung steht: es müssen sämtliche technische Eigenschaften einer Werbebotschaft berücksichtigt werden. Konkret folgende Eigenschaften: Raum und Zeit, die von der Botschaft eingenommen werden; Mindestgröße des Schrifttyps, der für einen durchschnittlichen Verbraucher angemessen ist. Der BGH habe unter dieser Berücksichtigung zu prüfen, ob alle gesetzlich vorgeschriebenen Informationen in der Werbebotschaft dargestellt werden können.

2.    Sollte auf dem Fernkommunikationsmittel, mittels dessen ein Vertrag mit Verbrauchern geschlossen wird, nur begrenzter Raum bzw. begrenzte Zeit zur Verfügung stehen, so gilt Folgendes: der Unternehmer muss vor Abschluss des Vertrages über das jeweilige Fernkommunikationsmedium die Information über die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrecht erteilen. In diesem Fall muss er dem Verbraucher das Muster-Widerrufsformular außerdem auf andere Weise und in klarer und verständlicher Weise zu Verfügung stellen.

Informationspflicht auch beim „Kauf auf Probe“
Entsprechend diesen Antworten entschied der BGH zugunsten der klagenden Wettbewerbszentrale. Ihre Ansprüche auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten seien begründet. Für den Werbeprospekt der Beklagten gelten keine erleichterten Informationspflichten wegen begrenzter Darstellungsmöglichkeit. Mit Ausfüllen und Einsenden der Bestellpostkarte mache der Verbraucher eine Vertragserklärung zum Abschluss eines Fernabsatzvertrags. Die Beklagte habe die Informationen zum Widerrufsrecht daher bereits in dem Prospekt zur Verfügung zu stellen. Das gelte auch für „Käufe auf Probe“, bei denen der Kunde die Ware später zurückschicken könne. Die Informationspflicht bestehe für jede Vertragserklärung eines Verbrauchers, die zum Abschluss eines Fernabsatzgeschäfts führe. Es sei einem Verbraucher auch nicht zumutbar, das Fernkommunikationsmittel zu wechseln, also die Informationen zum Widerrufsrecht im Internet abzurufen, obwohl die Bestellung über eine Postkarte erfolgt. Nicht jeder verfüge über Internet oder könne damit umgehen.

Freie Wahl des Werbemittels, aber keine Wahl der Informationspflichten
Entscheidend sei jedenfalls, dass sich die Beklagte nicht auf erleichterte Informationspflichten bei begrenzter Darstellungsmöglichkeit („begrenzter Raum oder begrenzte Zeit“) berufen könne. Die Begrenzung müsse entweder auf die dem Medium innewohnenden Eigenschaften oder auf die wirtschaftliche Entscheidung des Unternehmers, u. a. bezüglich der Dauer und des Raums der Werbebotschaft, zurückzuführen sein. Die Entscheidung des Unternehmers zur Aufteilung und Nutzung des Raums sei hingegen irrelevant. Der Unternehmer bestimme bei der Printwerbung, ob er mit einem Flyer, Prospekt oder Katalog werben wolle und welchen Umfang dieses Werbemittel haben solle. Anschließend sei zu prüfen, ob alle Informationen bei Fernabsatzverträgen in angemessenem Schrifttyp dargestellt werden können. Bei dieser Prüfung sei die Vorstellung des Unternehmers, wie er den verfügbaren Raum aufteilt und nutzt, ohne Bedeutung. Andernfalls könnte der Unternehmer durch die Gestaltung selbst bestimmen, ob er von der Ausnahme der reduzierten Informationspflicht Gebrauch macht oder nicht.

Pflichtinformationen dürfen max. 1/5 des Werbemittels einnehmen
Die vollständige Information zum Widerrufsrecht nebst Muster-Widerrufsformular umfasse nach Angabe der Beklagten bei Schriftgröße 12 Pt und Schriftart Times New Roman etwa 1,5 DIN-A4-Seiten. Bei dem insgesamt sechs Seiten umfassenden Werbeprospekt sei es technisch und tatsächlich möglich, die Seiten so zu gestalten, dass genug Raum für die Pflichtinformationen gewonnen werde. Die Werbebotschaft trete nicht hinter dem Text zu den Pflichtinformationen zurück, wenn hierfür nicht mehr als ein Fünftel des verfügbaren Raums benötigt werde. Die Widerrufsbelehrung nebst Muster-Widerrufsformular könne vorliegend mit einem Umfang von etwa einem Sechstel des Prospekts untergebracht werden. Von einem „begrenzten Raum“ könne hier also nicht die Rede sein.


BGH, Urteil v. 11.04.2019, Az. I ZR 54/16


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