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Wettbewerbswidrige Verwendung von Gütesiegeln

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.12.2019, Az. I ZR 117/17


Wettbewerbswidrige Verwendung von Gütesiegeln

Viele Verbraucher verlassen sich beim Kauf verschiedenster Produkte auf „Öko Test“-Label, mit denen die Hersteller und Verkäufer werben. Diese sind jedoch nicht immer seriös und stehen deshalb nicht selten in großem Widerspruch zu den Zielen des Verbraucherschutzes. Hierzu hat sich der Bundesgerichtshof mit seinen Urteilen vom 12.12.2019 geäußert und entschieden, dass Produkte ohne Lizenz nicht mit einem solchen Siegel beworben werden dürfen.

Verwendung des „Öko Test“-Siegels ohne Lizenzvertrag
Klägerin ist die Herausgeberin des seit 1985 existierenden Magazins „Öko Test“, in dem Waren und Dienstleistungen veröffentlicht werden. Im Jahr 2012 wurde sie Inhaberin einer eingetragenen Unionsmarke, die das „Öko Test“-Siegel an Marktteilnehmer weitergibt. Hierdurch gewährt sie markenrechtlichen Schutz für die Dienstleistungen durch „Verbraucherberatung und Verbraucherinformation bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen“. Sofern die Hersteller und Vertreiber der von ihr getesteten Produkte mit der Klägerin einen entgeltlichen Lizenzvertrag schließen, gestattet sie diesen die Werbung mit dem „Öko Test“-Siegel. Im November 2013 hat die Beklagte auf ihrer Internetseite ein Kopfkissen und einen Lattenrahmen angeboten. Das in der Werbung verwendete „Öko Test“-Siegel enthielt unter dem Schriftzug „ÖKO-TEST“ in kleinerer Schrift den Zusatz „RICHTIG GUT LEBEN“. Der Lattenrost und das Kopfkissen waren von der Klägerin jeweils nur in einer der angebotenen Größen getestet worden. Die Klägerin hielt die Zeichenverwendung durch die Beklagte für eine Verletzung der Klagemarke und hat die Beklagte ohne Erfolg vorgerichtlich abgemahnt.

Klagen gegen mehrere Unternehmen
Darüber hinaus hatte die Klägerin zwei weitere Unternehmen verklagt, ebenfalls Versandhändler, die in ihren jeweiligen Onlineshops mit dem „Öko Test“-Siegel geworben haben, ohne zuvor einen Lizenzvertrag mit der Klägerin abzuschließen (BGH, Az. I ZR 173/16, Az. I ZR 174/16). Darin sah die Klägerin ungeachtet einer vorherigen Testung der Produkte eine Verletzung ihrer Rechte an der Unionsmarke, sodass sie auch in diese Fällen die Unternehmen auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch nahm.

Vorangegangene Rechtsprechung des EuGH
Der Europäische Gerichtshof hatte sich bereits im April 2019 zu der Problematik geäußert, indem er Testsiegeln einen grundsätzlichen markenrechtlichen Schutz im Falle ihrer markenrechtlichen Bekanntheit zugesprochen hat und damit Testanbietern den Rücken gestärkt (Urteil des EuGH vom 11.04.2019, Az. C-690/17). Insofern war bereits im Vorfeld der nun ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu erwarten, dass dieser die drei Revisionsverfahren nutzen würde, um markenrechtliche Fragen der Testwerbung umfassend zu klären.

BGH: rechtsverletzende Ausnutzung der Wertschätzung der Marke
Der BGH sah in allen drei parallellaufenden Verfahren eine Verletzung der bekannten Marke der Klägerin durch die Zeichennutzung, da diese entgegen der Bestimmungen aus Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 Buchst. C GMV und Art. 9 Abs. 1 Und 2 Buchst c UMV stattfand. Eine rechtsverletzende Benutzung der Klagemarke sei gegeben, weil der Verkehr das von den Beklagten verwendete Logo mit der Klagemarke gedanklich sofort verknüpfe und Assoziationen hervorrufe, so die Richter. Durch diese Verwendung hätten die Beklagten den potenziellen Kunden bestimmte Informationen über die Beschaffenheit und Qualität ihrer Produkte vermittelt und darüber hinaus durch Bezugnahme auf die bekannte Marke der Klägerin einen bestimmten Eindruck hervorgerufen.

Zeichenähnlichkeit bei unähnlichen Dienstleistungen
Aufgrund der Bekanntheit der Klagemarke und der hohe Zeichenähnlichkeit war von einer Verletzung durch Zeichenähnlichkeit auszugehen, nicht hingegen von einer Verletzung der Zeichenidentität. Dies sei damit zu begründen, dass die Beklagten jeweils das als Marke geschützte „leere“ Test-Logo um die Angaben zum Testergebnis und der Testfundstelle ergänzt haben. Demgegenüber seien die von der Marke erfassten Dienstleistungen (Verbraucherberatung und -information) und die von den Beklagten jeweils erbrachten Handelsdienstleistungen einander nicht ähnlich.

Werbewirkung der Marke ohne finanziellen Beitrag
Somit hat der BGH den Berufungsgerichten dahingehend zugestimmt, dass die jeweils angegriffene Zeichenverwendung die Wertschätzung der Klagemarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutze und beeinträchtige. Im Vergleich zur Klägerin, die zur Schaffung und Erhaltung des guten Rufs und der Bekanntheit ihrer Marke enorme Anstrengungen auf sich nehmen müsse, haben die Beklagten sich die Werbewirkung der Marke ohne finanziellen Beitrag und Anstrengung zu Nutze gemacht. Insofern sei nicht zu beanstanden, dass die Berufungsgerichte das Interesse der Klägerin daran, die Werbung mit ihrem Zeichen daraufhin zu kontrollieren, ob sie ihren testbezogenen Maßstäben genüge, höher bewertet haben als das Interesse der Beklagten, ihre Kunden auf die Bewertung ihrer Produkte durch die Klägerin hinzuweisen.

Weitreichende Folgen
Nicht nur für Testanbieter, sondern auch für Verbraucher ist das Urteil ein großer Erfolg. Testanbieter haben nach der höchstrichterlichen Entscheidung nun Rechtssicherheit im Hinblick auf ihre Rechte an ihren Testsiegeln. Darüber hinaus bedeutet die Entscheidung für Verbraucher eine erhöhte Zuverlässigkeit bei Testwerbung, da Testanbieter nun sicherstellen können, dass unter ihrem Siegel beworbene Testergebnisse auch tatsächlich für das konkrete Produkt gelten. Für Hersteller und Händler gilt von nun an in besonderer Weise: Sie dürfen Gütesiegel künftig nur noch mit einer zuvor erworbenen Lizenz zu Werbezwecken nutzen. Insofern muss für jedes weitere Produkt, und sei es noch so ähnlich, ein neuer Lizenzvertrag geschlossen werden, der ein entsprechendes Testverfahren mit sich bringt.


Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.12.2019, Az. I ZR 117/17


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