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Wettbewerbsverein ohne Klagebefugnis

Ebay-Shop-Betreiber waren keine „erheblichen“ Vereinsmitglieder


Wettbewerbsverein ohne Klagebefugnis

Einem Wettbewerbsverein fehlte die Prozessführungsbefugnis, um die Unterlassung eines Wettbewerbsverstoßes vor Gericht einzuklagen. Konkret mangelte es ihm an der „erheblichen Mitgliederzahl“ im Sinne des UWG. Die Bedeutung der Vereinsmitglieder – überwiegend Betreiber von Online-Shops auf Ebay – falle nicht ausreichend ins Gewicht.
 
Verstoß gegen UWG-Informationspflichten
Der Kläger war ein eingetragener Verein, der die Interessen von Onlineunternehmen vertritt und zur Förderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder auch Abmahnungen ausspricht und Prozesse führt. Der Beklagte war ein gewerblicher Händler, der über die Auktions- und Verkaufsplattform eBay Comics verkaufte. Der Kläger mahnte den Beklagten ab und forderte ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf, weil der Beklagte beim Angebot eines Comics seinen Informationspflichten nach dem UWG nicht nachkam. So fügte er auf der Angebotsseite weder ein Musterwiderrufsformular ein, noch gab er Informationen über das gesetzliche Mängelhaftungsrecht an. Außerdem fehlten die Angaben zur Umsatzsteuer und zur Speicherung und Zugänglichmachung des Vertragstextes nach Vertragsschluss. Zum Versand gab er an: „für Lieferungen in andere Länder bitten wir um Kontaktaufnahme“. Trotz der Informationspflichtverstöße weigerte sich der Beklagte, gegenüber dem Kläger eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Vereinsmitglieder seien keine Konkurrenten
Mit Klage vor dem Landgericht verfolgte der Kläger seinen Anspruch weiter. Antragsgemäß verurteilte das Landgericht den Beklagten zur Unterlassung. Gegen das Urteil ging der Beklagte in Berufung, da er der Meinung war, der Kläger habe keine Prozessführungsbefugnis. Er begründete seine Ansicht damit, dass kein einziges Vereinsmitglied des Klägers in echter Konkurrenz mit ihm stehe. Der Kläger sei in Wahrheit ein Abmahnverein, der ausschließlich finanzielle Interessen verfolge. Die Abmahnungen des Klägers seien rechtsmissbräuchlich, da es dem Verein nur um finanziellen Gewinn durch Abmahnungen im großen Stil gehe. Der Kläger bestritt dies selbstverständlich. In der anschließenden Berufungsinstanz ging es sodann um den tatsächlichen Mitgliederbestand des klagenden Vereins.

UWG-Voraussetzungen sind zugleich Prozessführungsvoraussetzungen
Die streitentscheidende Diskussion drehte sich um die Frage, ob dem Kläger eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie der Beklagte vertreiben. Das OLG Frankfurt am Main entschied, dass der Kläger dies nicht darlegen könne. Für Wirtschafts- und Verbraucherverbände im Sinne des UWG gelte „die Lehre von der Doppelnatur“, welche der BGH in seiner Entscheidung vom 07.05.2015, Az. I ZR 158/14 bestätigt hat. Danach seien die Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung eines derartigen Verbands auch zugleich die Voraussetzungen für die Prozessführungsbefugnis. Diese Prozessvoraussetzungen seien von Amts wegen auch noch in der Revisionsinstanz zu überprüfen. Da hierfür die Grundsätze des Freibeweises gelten, können die Parteien auch in zweiter Instanz hierzu noch vortragen.

Es muss ein Wettbewerbsverhältnis vorliegen
Nach dem UWG sind Wirtschafts- und Verbraucherverbände eben nur dann anspruchsberechtigt, soweit ihnen eine erhebliche Anzahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Gemeint sind damit Unternehmen, die mit dem Beklagten um Kunden konkurrieren können, da sie mit ihm auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt agieren. Es kommt hier darauf an, ob sich die Waren oder Dienstleistungen so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann (vgl. auch hierzu Urteil das BGH vom 07.05.2015, Az. I ZR 158/14). Die Mindestanforderung sei hierbei, dass die Unternehmer, die Mitglied des klägerischen Vereins sind, wenigstens eine nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung durch den Wettbewerbsverstoß des Beklagten zu befürchten haben, selbst wenn es dafür nur eine geringe Wahrscheinlichkeit gebe. Kurz gesagt, es muss ein Wettbewerbsverhältnis vorliegen, also etwa die Zugehörigkeit zur selben Branche oder zumindest an die angrenzenden Branchen. Entscheidend sei, ob die Vereinsmitglieder potenziell Wettbewerber des Beklagten sein können.

Sammlerartikelhändler stehen nicht im Wettbewerb mit einem Comic-Händler
Zum Kreis der potenziellen Wettbewerber zählte das OLG Frankfurt am Main die Vereinsmitglieder, die Bücher und/oder Spielwaren vertreiben. Der Beklagte biete u. a. auch eine Comic-Figur an. Daher zählen auch diejenigen Vereinsmitglieder des Beklagten zu den „Anbietern gleicher oder verwandter Art“, die Spielwaren verkaufen. Auf die Menge der angebotenen Comic-Figuren des Beklagten komme es nicht an. Das Angebot einer einzelnen Figur reiche aus. Entscheidend sei am Ende immer, wie „nahe“ die möglichen Konkurrenten dem Anbieter tatsächlich kommen. Händler von „Sammlerartikeln“ kämen dagegen nicht in Betracht. Hier wies der Beklagte darauf hin, dass diese Unternehmen mit ganz verschiedenen Artikeln handeln und willkürlich unter dem Begriff „Sammlerartikelhändler“ zusammengefasst werden – der nicht greifbar sei. Sammler hätten oft gar keine Berührungspunkte. Man vergleiche einen Sammler von Luxusautomobilen mit einem Sammler von Feuerzeugen.

Die Anzahl der konkurrierenden Vereinsmitglieder muss „erheblich“ sein
Zwar hatte das OLG Frankfurt am Main nun geklärt, welche Vereinsmitglieder des Klägers Waren „gleicher oder verwandter Art“ auf demselben Markt wie der Beklagte vertreiben. Verbände wie der Kläger seien jedoch nur dann anspruchsberechtigt, soweit ihnen eine „erhebliche Zahl“ von Unternehmen dieser Art angehört. Problematisch sei hierbei, dass nicht von vornherein und nicht generell bestimmbar sei, welche Anzahl an Gewerbetreibenden dabei „erheblich“ sei. Jedenfalls gebe es keine Mindestanzahl. Nach Rechtsprechung des BGH müssen lediglich Unternehmen aus dem Kreis der Mitbewerber auf dem relevanten Markt nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht in der Weise repräsentativ vertreten sein, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann. Im Zweifel sei darauf abzustellen, ob objektiv „kollektive“ gewerbliche Interessen der Wettbewerber oder nur Individualinteressen Einzelner wahrgenommen werden, was auch bei einer geringen Zahl tätiger Mitglieder der Fall sein kann.

Ebay-Online-Shops fallen weniger „erheblich“ ins Gewicht
Zu berücksichtigen sei hierbei auch, dass Ladengeschäften ein größeres Gewicht zukommt, als Online-Shops auf Plattformen wie Ebay, die ebenso schnell wieder verschwinden, wie sie entstehen. Der Kläger habe in erster Instanz Listen mit Mitgliedern vorgelegt, von denen mehr als die Hälfte nicht mehr oder nicht mehr so tätig ist, wie der Kläger es in erster Instanz behauptet hat. Der Kläger nehme überwiegend Verkäufer bei Ebay als Mitglieder auf, unabhängig davon, dass die Verkäufer ganz unterschiedliche Waren anbieten. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände konnte das OLG Frankfurt am Main keine „erhebliche Zahl“ von Mitgliedern feststellen. Der Großteil der Vereinsmitglieder in den Rubriken „Spielzeug“ und „Bücher und Comics“ vertreibe Waren gleicher oder verwandter Art wie der Beklagte nur in unerheblichem Umfang. Diejenigen Unternehmen, die Bücher oder Spielwaren in erheblicherem Umfang vertreiben, bewegen sich hingegen in weit entfernten Themen, wie z. B. „Blumen“ oder „Thermomix“. Der Kläger habe daher mangels „erheblicher Zahl“ an Mitgliedern keine Prozessführungsbefugnis. Unerheblich sei daher auch, ob das Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich sei. Die Revision wurde nicht zugelassen.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.05.2019, Az.: 6 U 58/18

von Jacqueline Dischler, LL.M.


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