Wettbewerbsrechtliche Anforderungen an Konsumentenbefragungen durch externe Testveranstalter
Wirbt eine Versandapotheke damit, die beste Online-Apotheke Deutschlands zu sein, mit dem Zusatz, dass sie dazu von Verbrauchern gewählt wurde, so ist diese Werbung irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG, wenn es an der Neutralität des Testveranstalters mangelt und dies für den durchschnittlichen Verbraucher nicht ersichtlich ist. Diese fehlende Unabhängigkeit oder Neutralität des Veranstalters einer Konsumentenbefragung kann allerdings nicht allein daraus gefolgert werden, dass der Veranstalter den zu bewertenden Unternehmen Werbematerialien zur Verfügung stellt, die dazu beitragen, dass Verbraucher zur Abgabe einer Bewertung aufgefordert werden. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12.05.2022 entschieden.
Hintergrund
Eine Online-Apotheke mit Sitz in den Niederlanden hatte im Fernsehen mit dem Slogan geworben, dass sie die beste Online-Apotheke Deutschlands sei. Hierbei war der durch einen roten Balken hervorgehobene Zusatz „Von Verbrauchern gewählt!“ zu erkennen. Um diesen Titel zu erlangen, müssen Online-Unternehmen nominiert sein. Hierfür ist Voraussetzung, dass die Apotheke von einer bestimmten Zahl von Kunden beurteilt wird. Um Bewertungen zu erlangen, hat der Veranstalter der Befragung den teilnahmewilligen Unternehmen gegen Geld Werbematerial angeboten, damit diese für die Aktion bei ihren Kunden für eine Bewertung werben konnten.
Vorinstanzen: Mangelnde Unabhängigkeit des Testveranstalters
Die oben genannte Aussage hat eine Apothekerkammer als irreführend beanstandet. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Stuttgart haben dies bestätigt, wobei sich letztgenanntes auf den Standpunkt gestellt hat, es fehle an der Unabhängigkeit des Testveranstalters. Indem dieser Werbepakete verkaufe, gingen die Unternehmen als Käufer von diesen selbstverständlich davon aus, durch den Kauf ihre Chancen zu verbessern. Hierin liege mittelbar ein Anreiz für das Testunternehmen, diejenigen Unternehmen zu bevorzugen, die mehr Werbepakte gekauft hätten, damit der Kaufanreiz auch bei der nächsten Aktion wieder bestehe. Hinzu komme, dass mit der Werbung das Abstimmungsverhalten der Kunden und damit das Ergebnis der Verbraucherbefragung beeinflusst werden solle.
Keine fehlende Neutralität feststellbar
Die Sache wurde dem BGH zur höchstrichterlichen Entscheidung vorgelegt, der eine fehlenden Unabhängigkeit oder Neutralität des Veranstalters der Kundenbefragung jedoch nicht feststellen konnte. Der BGH stimmte den Vorinstanzen dahingehend zu, dass sich zumindest Zweifel an der Objektivität eines Tests oder einer Kundenbefragung ergeben, wenn (etwa mit Hilfe von Werbung) auf das Abstimmungsverhalten der Befragten oder das Abstimmungsergebnis Einfluss genommen werden soll. Dahingehend hatten die Vorinstanzen allerdings keine Feststellungen getroffen, die eine solche Annahme auch sicher rechtfertigen würden.
Zurverfügungstellung von Werbematerialien war nicht zu beanstanden
Sicher sei, dass die vom Testveranstalter zur Verfügung gestellten Werbematerialien die teilnehmenden Unternehmen dabei unterstützen sollen, Kunden zur Wahl zu motivieren, um die für eine Nominierung erforderliche Anzahl an Beurteilungen zu erreichen. Anhaltspunkte dafür, dass die Werbematerialien in irgendeiner Weise geeignet sein könnten, die dem Award zugrundeliegende qualitative Bewertung der teilnehmenden Unternehmen durch die Kunden und damit das Abstimmungsverhalten oder das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen, seien aber nicht erkennbar. Insbesondere könne hierfür eine solche Annahme nicht (allein) daraus gefolgert werden, dass der Veranstalter den teilnehmenden Unternehmen Werbematerialien zur Verfügung stelle. Dienen die Werbematerialien lediglich dazu, Kunden zur Nominierung eines Unternehmens aufzurufen, sei nicht erkennbar, dass und in welcher Weise sich der Kauf dieser Materialien auf den Umgang des Testveranstalters mit den teilnehmenden Unternehmen auswirken könnte. Damit konnte eine fehlende Unabhängigkeit oder Neutralität des Veranstalters der Kundenbefragung vom BGH nicht festgestellt werden.
Kein Verstoß gegen das Irreführungsverbot
Eine Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Beurteilung kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck die geschäftliche Handlung bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft. Die Ermittlung der Verkehrsauffassung hat im vorliegenden Fall nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung dahingehend unterlegen, ob das Berufungsgericht den Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft hat und die Beurteilung mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen in Einklang steht. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen haben auch jenseits der Erwägungen der Berufungsinstanz keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot aus § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 UWG vorgelegen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.05.2022, Az. I ZR 203/20