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Werbung mit „99,99%“ Virenentfernung ist irreführend

Landgericht München I, Urteil vom 07.09.2020, Az. 4 HK O 9484/20


Werbung mit „99,99%“ Virenentfernung ist irreführend

Die Corona-Pandemie hat den Markt für Hygieneprodukte immens vergrößert und damit auch den Wettbewerb zwischen den Herstellern vorangetrieben. Wirbt ein Hersteller für Desinfektionsmittel mit der Aussage "Damit sind 99,99 % der schädlichen Bakterien & Viren aus der gesamten Raumluft und von sämtlichen Oberflächen entfernt", so ist diese irreführend, wenn die nahezu hundertprozentige Sicherheit nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist. Insbesondere bei gesundheitsbezogenen Wirkungsaussagen wie dieser sind besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen. Dies hat das LG München I mit seiner Entscheidung vom 07.09.2020 klargestellt.

Hintergrund
Die Antragstellerin ist selbst Herstellerin von Desinfektionsmitteln und beantragt den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen eine Mitbewerberin. Hierbei wendet sie sich gegen eine bestimmte werbliche Aussagen der Antragsgegnerin. Letztere hatte mit einem von ihr hergestellten und vertriebenen Produkt auf ihrer Webseite geworben, das über die Luft ausgebracht die Raumluft desinfizieren solle. Die Beschwerde der Antragstellerin richtete sich gegen eine konkrete Webeaussage, die wie folgt lautete:

"Damit sind 99,99 % der schädlichen Bakterien und Viren aus der gesamten Raumluft und von sämtlichen Oberflächen entfernt."

Irreführung da keine wissenschaftliche Absicherung
Das Landgericht hat die Werbeaussage als unzulässige irreführende geschäftliche Handlungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gewertet. Durch die beanstandete Werbeaussage werde beim Verbraucher der Eindruck erweckt, es sei wissenschaftlich abgesichert, dass das beworbene Produkt die Wirkung habe, 99,99% der schädlichen Bakterien und Viren zu entfernen.

Strenge Anforderungen bei gesundheitsbezogenen Wirkungsaussagen
Die Richter haben klargestellt, dass es sich bei der Werbeaussage um eine gesundheitsbezogene Wirkungsaussage handele. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie sei die Frage, ob und wie Corona-Viren aus der Raumluft und von Oberflächen entfernt werden können besonders brisant. Die Frage der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln sei ohnehin „eine der wichtigsten gesundheitlichen Fragen überhaupt“. Bei gesundheitsbezogenen Wirkungsaussagen, wie der Werbeaussage der Antragsgegnerin, seien demnach besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen zu stellen.

99,99 % haben nicht bewiesen werden können
Es hat der Antragsgegnerin oblegen darzulegen und zu beweisen, dass die Werbeaussage, das Produkt „entferne 99,99 % der schädlichen Bakterien und Viren aus der gesamten Raumluft und von sämtlichen Oberflächen“, wissenschaftlich auch abgesichert sei. Nach Ansicht der Richter habe die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren dieser Darlegungs- und Beweislast jedoch nicht nachkommen können. Die durch sie vorgelegten Unterlagen können nicht glaubhaft machen, dass nach der Verwendung des Desinfektionsmittels tatsächlich 99,99 % der Viren aus der Raumluft oder den Oberflächen entfernt worden seien.

Fazit: ein hoher Maßstab in der Pandemie
Das Gericht hat in der zugrunde liegenden Entscheidung aufgrund der gesundheitsbezogenen Wirkungsaussagen besonders strengen Anforderungen an die Korrektheit gestellt. Dabei haben die Richter betont, dass die Frage, ob und wie Viren entfernt werden können, als „eine der wichtigsten gesundheitlichen Fragen überhaupt“ bewertet werden müsse. Dies legt nahe, dass die Rechtsprechung den ohnehin schon hohen Maßstab bei Hygieneprodukten zur Bekämpfung und Eindämmung der Corona-Pandemie aktuell zusätzlich verschärft. Den Herstellern ist deshalb zu empfehlen, ihre Werbeaussagen stets mit wissenschaftlich abgesicherten Beweisen belegen zu können.


Landgericht München I, Urteil vom 07.09.2020, Az. 4 HK O 9484/20


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