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Werbeanrufe unter Pseudonym sind wettbewerbswidrig

OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 16.05.2019, Az.: 6 U 3/19


Werbeanrufe unter Pseudonym sind wettbewerbswidrig

Mit Urteil vom 16.05.2019, Az.: 6 U 3/19 entschied das OLG Frankfurt am Main, dass die Angabe eines Pseudonyms statt des bürgerlichen Namens bei einem beauftragten Werbeanrufer eines Stromanbieters wettbewerbswidrig sei. Zumindest sei es denkbar, dass diese Irreführung die Verbraucher bei ihrer Entscheidung, den Stromanbieter zu wechseln, beeinflussen könnte.

Werbeanrufer verwendete immer dasselbe Pseudonym
Zwei Strom- und Energieanbieter für Privatkunden stritten im einstweiligen Verfügungsverfahren um die Frage, ob eine Werbung unter Verwendung eines Pseudonyms gegenüber Verbrauchern zulässig ist oder nicht. Die Antragsgegnerin beauftragte einen Werber, der Kunden zu Werbezwecken anrief und dabei statt seinem wirklichen Namen ein Pseudonym angab. Die Antragstellerin beantragte beim Landgericht Darmstadt den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, es der Antragsgegnerin zu untersagen, geschäftlich handelnd Verbraucher zum Zwecke der Vermarktung von Stromtarifen anzurufen und/oder anrufen zu lassen, wenn der Anrufer anstelle seines vollen bürgerlichen Vor- und Zunamens ein Pseudonym verwendet.

Identifizierung des Anrufers war trotz Pseudonym möglich
Das Landgericht Darmstadt wies den Antrag zurück. Seine Begründung lautete, dass die unwahre Namensangabe gar nicht geeignet sei, Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen von Kunden der Antragstellerin zu nehmen. Die Antragsgegnerin habe den Werber problemlos zuordnen können, da dieser stets dasselbe Pseudonym verwendet habe. Für die Kunden mache es keinen Unterschied, ob ein Werber seinen tatsächlichen Namen oder ein Pseudonym angebe. Denn er könne später auch unter diesem Pseudonym identifiziert werden. Es sei der Kundin der Antragstellerin vorliegend auch nicht darauf angekommen, welchen Namen der anrufende Werber verwendet. In ihrer eidesstattlichen Versicherung habe sie den Anrufer namentlich weder unter seinem echten Namen noch unter seinem Pseudonym benannt.

Name des Mitarbeiters ist für die vertragliche Rechtsdurchsetzung wichtig
Gegen diese Entscheidung wendete sich die Antragstellerin erfolgreich mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält. Das OLG entschied, dass dementsprechend die Angabe eines unwahren Namens geeignet sei, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht treffen würden. Die Täuschung über Umstände, die nur eine unwesentliche Rolle für das Marktverhalten der Gegenseite spielen, sei in der Regel nicht wettbewerbsrechtlich relevant. Bei der vertraglichen Rechtsdurchsetzung komme es hingegen sehr wohl auf die telefonischen Angaben der Mitarbeiter – und damit auch auf deren echten Namen – an.

Kein Stromanbieterwechsel bei Kenntnis von Pseudonym-Mitarbeitern?
Als geschäftliche Handlung sei auch schon das Verhalten vor bzw. bei Geschäftsabschluss zu qualifizieren, auch wenn es sich erst bei der Vertragsdurchführung auswirkt. Daher sei es für den vorliegenden Verfügungsantrag unerheblich, dass die falsche Namensangabe erst für eine spätere Entscheidung der angerufenen Kunden – also bei einem potenziellen Stromanbieterwechsel – relevant wäre. Es sei jedenfalls denkbar, dass ein Verbraucher den Stromanbieter nicht wechselt, wenn er weiß, dass er den richtigen Namen des Mitarbeiters nicht kennt, der ihn geworben hat. In der Nennung eines falschen Namens liege also die Gefahr einer Irrführung, auch wenn der Mitarbeiter immer unter demselben falschen Namen auftritt.

Zeugenbenennung im Prozess: Kunden brauchen die echten Namen
Die Antragsgegnerin und zugleich Auftraggeberin des Werbers könne diese Person unter dem Pseudonym zwar vielleicht identifizieren. Ein Verbraucher hat aber dennoch ein eigenes Interesse daran, den richtigen Namen des Werbers zu kennen. Denn nur dann kann er sicher sein, die Person etwa in einem Gerichtsprozess zutreffend als Zeugen benennen zu können. Es spiele auch nicht zur Sache, dass die Antragsgegnerin in einem derartigen Prozess möglicherweise zur Darlegung des richtigen Namens verpflichtet wäre. Es sei außerdem irrelevant, dass die angerufene Kundin in der eidesstattlichen Versicherung überhaupt keinen Namen des Werbeanrufers genannt habe. Es komme hier nur darauf an, dass auch andere Verbraucher in Zukunft durch die falsche Namensnennung beeinflusst werden könnten. Schließlich könne sich die Antragsgegnerin auch nicht auf die „Namensangabe“-Entscheidung des BGH (GRUR 2018, 950) berufen. Dieser habe ausdrücklich festgestellt, dass die Angabe des falschen Namens eines Unternehmensmitarbeiters die Anwendung von § 5 Abs. 1 UWG nicht ausschließe.

Stromanbieter ist für beauftragte Vertriebspartner verantwortlich
Das OLG führte keine weiteren Begründungen zur Gefahr der Irreführung und Beeinflussung von Verbraucherentscheidungen an. Hingegen äußerte es sich noch zur Frage, ob die Antragsgegnerin für das Verhalten des Werbers einstehen müsse. Da er als Beauftragter gehandelt hat, sei die Antragstellerin gemäß § 8 Abs. 2 UWG auch verantwortlich. In diesem Sinne sei ein Beauftragter eine Person, die zwar kein Mitarbeiter, aber für das Unternehmen aufgrund eines vertraglichen Rechtsverhältnisses tätig ist. Seine Eingliederung in die betriebliche Organisation muss sich so gestalten, dass sein Erfolg auch dem Unternehmensinhaber zugutekommt und dieser wiederum Einfluss auf die beanstandete Tätigkeit des Beauftragten nehmen kann. Dies sei vorliegend gegeben, was sich aus dem Vertriebsvertrag zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Vertragspartner in Deutschland ergibt. Danach gebe es detaillierte Vorgaben für die Art der Kundengewinnung. Die Antragsgegnerin habe sogar selbst bewiesen, dass sie auch einen tatsächlichen Zugriff auf ihre Untervertriebspartner habe. Sie legte sogar den Arbeitsvertrag des betroffenen Werbers und einen Audiomitschnitt des Telefongesprächs mit der Kundin vor.

Haftungsrisiko des Auftraggebers muss nicht beherrschbar sein
Hiergegen brachte die Antragsgegnerin vor, dass sie das Verwenden von Pseudonymen in den Verträgen mit den Subunternehmern ausgeschlossen habe. Der Unternehmensinhaber könne sich nicht damit entlasten, dass er das wettbewerbswidrige Verhalten seines Mitarbeiters oder des Beauftragten nicht gekannt hat und auch nicht verhindern hätte können. Ein Unternehmensinhaber solle sich nicht hinter Dritten verstecken können, die ihrerseits von ihm abhängig sind. Er erweitert seinen Geschäftskreis, indem er Mitarbeiter und Externe beauftragt. Damit nimmt zugleich das Risiko von Rechtsverstößen zu. Er nimmt allerdings auch die Vorteile der arbeitsteiligen Organisation in Anspruch, weshalb er entsprechend auch die Risiken tragen solle. Dabei spiele es keine Rolle, ob er die Risiken im Einzelnen auch tatsächlich beherrschen könne.

OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 16.05.2019, Az.: 6 U 3/19

von Jacqueline Dischler, LL.M.


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