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Werbeangaben müssen europarechtskonform sein

KG Berlin, Urteil vom 18.07.2017, Az.: 5 U 132/15 - Foto: © koya979/fotolia.com


Werbeangaben müssen europarechtskonform sein

In einem Berufungsverfahren entschied das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 18.07.2017, Az. 5 U 132/15, dass sich gesundheitsbezogene Werbeangaben stets als europarechtskonform erweisen müssen. Darüber hinaus sei eine gezielte Bezugnahme von Werbeaussagen auf die Inhaltsstoffe des Produkts, nicht jedoch auf das entsprechende Erzeugnis selbst, erforderlich.

Kritik an Werbeaussagen für ein Nahrungsergänzungsmittel
Ein Wettbewerbsverband (Kläger) war mit den Werbeaussagen einer Vertreiberin eines Nahrungsergänzungsmittels (Beklagte) nicht einverstanden. Die kritisierte Werbung bestand aus fünf Aspekten: Das Präparat führe nicht nur zur Stärkung des Immunsystems, sondern es würden dadurch auch Schadstoffe natürlich aus dem Körper geleitet. Zudem trage es zur Bindungsfähigkeit von Schadstoffen bei und das Immunsystem erhalte durch dieses eine stimulierende Wirkung. Darüber hinaus soll mittels der Einnahme die Lebensqualität von Typ-II-Diabetikern erhöht werden.

Sind die Angaben wissenschaftlich bewiesen?
Nach Auffassung des Klägers seien die Auskünfte mangels eines wissenschaftlichen Nachweises und wegen des teilweisen Krankheitsbezuges unzulässig. Er forderte daher von der Beklagten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr auf dem deutschen Markt mit solchen Angaben für das Produkt zu werben. Die Beklagte trat diesem Vortrag entgegen. Sie führte an, dass das angegriffene Erzeugnis europarechtskonform sowie verkehrsfähig sei. Ihre Werbeaussagen seien in Anbetracht der Tatsache, dass die in dem Mittel enthaltenen Algen sowohl das Immunsystem stärken als auch Schadstoffe ausleiten und diese dabei binden, sehr wohl zulässig. Es wurde von ihr lediglich der Aspekt der Erhöhung der Lebensqualität von Typ-II-Diabetikern als nicht darstellungsfähig anerkannt.

Landgericht Berlin gab Klage statt
Das Landgericht Berlin teilte mit Urteil vom 06.08.2015, Az. 91 O 19/15 die Ansicht des Klägers. Während die ersten vier Äußerungen in unzulässiger Weise die Verhütung von Krankheiten beträfen, deute die letzte Behauptung auf die Linderung oder gar die Beseitigung der entsprechenden Krankheit hin. Diese Einschätzung wurde von der Beklagten hinsichtlich der ersten drei Behauptungen jedoch nicht akzeptiert, weshalb es insoweit zu einem Berufungsverfahren kam.

Berufungsgericht schließt sich Vorinstanz an
Hierbei kam das Kammergericht Berlin aber zu keinem anderen Ergebnis. Es wies die zulässig eingelegte Berufung bezüglich der noch streitigen Werbeaussagen vielmehr als unbegründet ab.
Der Anspruch auf Unterlassung ergebe sich aus Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20.12.2006 (HCVO) in Verbindung mit §§ 3a, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG.

Beurteilung eines Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO
Maßgeblich für die vorliegende Entscheidung war, ob ein Verstoß gegen die Marktverhaltensvorschrift des Art. 10 Abs. 1 HCVO (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2014, I ZR 178/12 – Praebiotik) vorliegt.
Nach dieser Norm sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Erfordernissen in Kapitel II (Artikel 3-7) der Verordnung sowie den speziellen Anforderungen (Artikel 10-19) entsprechen, gemäß der Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind. All diese Voraussetzungen waren somit von dem Gericht zu prüfen, um eine Verletzung der genannten Vorschrift festzustellen.

Behauptungen in Werbung sind gesundheitsbezogene Angaben
Bei den Werbeaussagen handele es sich zunächst um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO. Es werde damit nämlich erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits bestehe.
Für die Einstufung entscheidend sei stets, wie der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Angaben über Lebensmittel verstehe.

Allgemeine Anforderungen nach Art. 5 und 6 HCVO nicht erfüllt
Für die – wie vorliegend erfolgte – Werbung mit Pflanzenstoffen sei die Einhaltung von Art. 5 und 6 HCVO zwingend. Es müsse also durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise abgesichert werden, dass das Vorhandensein des betreffenden Stoffs die beworbene positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat. Diesen Bestätigungen konnte die Beklagte vorliegend aber nicht gerecht werden. Die von ihr in der Vorinstanz vorgelegten Unterlagen seien nach Auffassung des Gerichts mangels ausdrücklicher Stellungnahmen im Hinblick auf die getätigten Werbeäußerungen nicht relevant. Im Weiteren fehle diesbezüglich jeder Vortrag ihrerseits.

Erfüllung der speziellen Anforderungen erforderlich
Weiterhin war zu klären, ob auch die speziellen Anforderungen des Art. 10 Abs. 1 HCVO nicht erfüllt werden. Diese konkretisieren sich in Art. 13 und Art. 14 Abs. 1 HCVO. Erstgenannte Vorschrift regele die Zulässigkeit anderer gesundheitsbezogener Angaben als solche über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos. Aussagen über die Verringerung eines Krankheitsrisikos seien hingegen Inhalt des Art. 14 HCVO. Das Gericht betonte, dass die angegriffenen Darstellungen der Beklagten entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht von Art. 14 HCVO erfasst werden. Diese würden nämlich nur ganz allgemein die körpereigene Abwehr von gesundheitlichen Risiken ansprechen, ohne jedoch einen Bezug zu bestimmten Krankheiten aufzuzeigen. Letzterer Aspekt sei aber gerade für die Bejahung von Art. 14 HCVO typisch. Damit sei es erforderlich, dass sich die Aussagen in der Liste der erlaubten Angaben gemäß Art. 13 HCVO wiederfinden (vgl. Verordnung (EU) Nr. 432/2012 vom 16.05.2012).

„Das Immunsystem stärken“
Die Werbeaussage, dass durch das Präparat das Immunsystem gestärkt werde, beziehe sich auf dessen Inhaltsstoff Vitamin B12. Diese Substanz sei grundsätzlich in der Gemeinschaftsliste aufgeführt, was bedeute, dass deren Nachweis zu bestimmten Werbeangaben berechtigt, vorausgesetzt, die Bedingungen für die Verwendung der Aussage werden erfüllt. Die Formulierung, dass Vitamin B12 das Immunsystem stärke, enthalte die Liste so allerdings nicht. Es stellte sich daher für das Kammergericht die Frage, ob die darin zugelassene Angabe „Vitamin B12 leistet einen Beitrag zur normalen Funktion des Immunsystems“ die vorliegende Behauptung der Beklagten umfasse. Dies müsse jedoch verneint werden. Grund hier sei, dass die verwendete Aussage zum Ausdruck bringe, dass die normale Funktion des Immunsystems durch die Zufuhr von Vitamin B12 sogar über das bei einem gesunden Menschen vorhandene Niveau weiter gesteigert werden könne. Die Darstellung gehe damit aber insgesamt weiter als die zugelassene Bemerkung zur Erhaltung des Immunsystems.

„Schadstoffe natürlich ausleiten“ und „Bindungsfähigkeit von Schadstoffen“
Die Aussagen, dass Schadstoffe durch die Einnahme des besagten Mittels natürlich ausgeleitet und gebunden werden, seien laut Vortrag der Beklagten auf den Inhaltsstoff „chlorella pyrenoidosa“ zurückzuführen. Allerdings finde sich diesbezüglich keine zulässige Angabe in der Liste der besagten Verordnung oder auch deren Ergänzungen (vgl. Verordnung (EU) Nr. 536/2013 vom 11.06.2013 und Nr. 1018/2013 vom 23.10.2013). Aus diesem Grund seien die beiden Ausführungen unzulässig. Insgesamt seien damit auch die nötigen Voraussetzungen nicht erfüllt, weshalb ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO bejaht werden könne.

Werbeaussagen beziehen sich nicht gezielt auf Inhaltsstoffe
Überdies stellte das Gericht fest, dass sich all die gerügten Werbeaussagen nicht gezielt auf die  besagten Inhaltsstoffe bezogen haben. Vielmehr sei auf das eigentliche Produkt hingewiesen worden. Dies widerspreche einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 07.04.2016, I ZR 81/15 – Repair-Kapseln). Hiernach dürften gesundheitsbezogene Angaben nur für den jeweiligen Nährstoff, die Substanz oder das Lebensmittel gemacht werden, für die sie zugelassen sind, nicht aber für das Lebensmittelprodukt, dass diese enthält. Das Vorbringen der Beklagten, dass es keinen Sinn mache, den konkreten Nährstoff zu nennen, weil der Verbraucher nicht etwa diesen, sondern das Erzeugnis kaufen wolle, billigte das Gericht nicht. Der Erwägungsgrund 9 der Verordnung verdeutliche, dass wahrheitsgemäße, klare, verlässliche und für den Verbraucher hilfreiche gesundheitsbezogene Angaben sichergestellt werden sollen, sodass diese Behauptung mit der HCVO nicht vereinbar sei.

Revision nicht zugelassen
Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Entscheidung folgte der höchstrichterlichen Rechtsprechung und beruht zudem in erheblichem Maße auf den besonderen Umständen des gegebenen Einzelfalls.

KG Berlin, Urteil vom 18.07.2017, Az.: 5 U 132/15

von Sabrina Schmidbaur


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