Vertragsstrafe aufgrund von nicht anklickbarem OS-Link
Nach der sogenannten ODR-Verordnung besteht für Online-Händler in der Europäischen Union die Verpflichtung, auf jeglichen Verkaufs-Webseiten einen Link zur europäischen OS-Plattform einzustellen. Ein solcher Link muss allerdings auch anklickbar sein, sich also öffnen lassen. Diese Problematik hat sich in der Praxis als häufiger Abmahngrund erwiesen. Auch mit dem zugrundeliegenden Urteil vom 10.09.2020 hat der Bundesgerichtshof die Position der Abmahner erneut gestärkt. Demnach liegt ein Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung bereits dann vor, wenn diese zur Verlinkung auf die OS-Plattform verpflichtet, ein angegebener Link aber nicht anklickbar ist.
Hintergrund
Kläger in dem Verfahren ist ein Verband von Online-Handelsunternehmen, der Beklagte bietet auf der Handelsplattform eBay Möbel an. Im Zusammenhang mit dort veröffentlichten Angeboten mahnte ihn der Kläger wegen verschiedener angeblicher Verstöße ab. Daraufhin verpflichtete sich der Beklagte unter Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher betreffend Möbel eine Webseite zu betreiben, ohne auf der Webseite dem Verbraucher Informationen über die OS-Plattform zu geben. Der Beklagte hatte in klarer und verständlicher Weise an einer leicht zugänglichen Stelle einen klickbaren Link zur OS-Plattform zur Verfügung zu stellen. Wenn der Beklagte nun seiner Verpflichtung auch grundsätzlich nachgekommen war, so hat sich der Link nicht anklicken lassen.
Um was handelt es sich bei der OS-Plattform?
Bei der OS-Plattform handelt es sich um eine Schlichtungseinrichtung der Europäischen Union. Auf diese hat jeder Online-Händler auf seiner Verkaufs-Webseite zu verweisen. Auch der Beklagte ist dieser Pflicht grundsätzlich nachgekommen, indem er in seinen Angeboten am Ende des Muster-Widerrufsformulars auf den Links zur OS-Plattform hingewiesen hat. Der Link ist jedoch nicht anklickbar gewesen, da dies an der Stelle bei eBay technisch auch gar nicht vorgesehen war. Der Kläger hat hierin einen Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung gesehen. Er verlangte von dem Beklagten die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe.
BGH zur Auslegung von Unterlassungsverträgen
Nun hat auch die höchstrichterliche Instanz bestätigt, dass gegen die Unterlassungserklärung verstoßen worden ist. Hierbei waren die Richter auch auf die Auslegung von Unterlassungsverträgen eingegangen, die nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen zu interpretieren seien. Für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung sei der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB) maßgeblich, zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände berücksichtigt werden müssen. Insbesondere sei auch die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck und die Interessenlage der Vertragschließenden heranzuziehen.
Korrekte Auslegung durch das Berufungsgericht
Der BGH bestätigte die Auslegung des Berufungsgerichts, das zutreffend auf die Gesamtumstände abgestellt habe. Insbesondere habe dieses berücksichtigt, dass die vorangegangene Abmahnung des Klägers gerade die Veröffentlichungspraxis des Beklagten auf eBay zum Gegenstand hatte. Der Frage, was der Gläubiger im Abmahnschreiben beanstandet hat, könne für die Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung maßgebliche Bedeutung zukommen. Außerdem habe das Berufungsgericht zutreffend berücksichtigt, dass der Beklagte selbst die Abmahnung und insbesondere seine Unterlassungsverpflichtung offensichtlich in dem Sinne verstanden habe, dass sie (auch) für seine Angebote auf der Handelsplattform eBay gelte. Dies beweise die Tatsache, dass der Beklagte nach Abgabe der verpflichtenden Unterlassungserklärung seine Angebote auf der Handelsplattform mit einem, wenn auch nicht klickbaren, Link auf die OS-Plattform versehen habe.
Keine rechtliche Kontrolle der Abmahnung
Die umstrittene Frage, ob das Angebot von Waren auf einer Handelsplattform wie eBay überhaupt unter den Begriff "Website" im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 fällt, war für die Sache nicht entscheidungserheblich.
Denn der Kläger hat keinen gesetzlichen Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen die konkrete Norm geltend gemacht. Vielmehr ist die Klage auf eine Verletzung der vom Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung gestützt gewesen. Dieser vertragliche Anspruch sei nicht davon abhängig, ob die Abmahnung berechtigt gewesen war, so die Richter. Dies habe das Berufungsgericht auch dazu bewegt, seine Entscheidung deshalb ausdrücklich unabhängig von der allgemeinen rechtlichen Bewertung auf eine Auslegung der Unterlassungserklärung nach §§ 133, 157 BGB zu stützen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.09.2020, Az. I ZR 237/19