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Verstoß gegen rechtliches Gehör bei Verfügungsverfahren unschädlich

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.02.2019, Az. 15 U 45/18


Verstoß gegen rechtliches Gehör bei Verfügungsverfahren unschädlich

In einem Urteil vom 27.02.2019, Az. 15 U 45/18 kam das Oberlandesgericht Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass ein Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs in einem einstweiligen Verfügungsverfahren nicht per se zur Aufhebung einer Beschlussverfügung bzw. eines Urteils führt. Vielmehr könne ein Gericht einen etwaigen Verstoß heilen, wenn dieses seine Entscheidung infolge eines Widerspruches gegen die Beschlussverfügung unter Berücksichtigung des gesamten Sach- und Rechtsvortrages bestätige.

Pressemitteilung informierte über Vertriebsstopp
Streitgegenständlich war eine Pressemitteilung. Hierin informierte die Verfügungsbeklagte die Öffentlichkeit, dass ihr der Vertrieb von Einmalkathetern wegen angeblicher Patentverletzungen sowohl im In- als auch im Ausland gerichtlich untersagt worden war. Die Verfügungsklägerin beanstandete vier Äußerungen dieser Mitteilung. Ihrer Ansicht nach stelle die Verfügungsbeklagte die Ursache für den ihr auferlegten Vertriebsstopp falsch dar. Sie lasse es in den streitigen Aussagen nämlich so aussehen, als führe allein das Verhalten der Verfügungsklägerin, genauer gesagt die Vollstreckung zweier im Inland ergangener, noch nicht rechtskräftiger Urteile, zu dem besagten Verbot und nicht die patentrechtliche Auseinandersetzung als solche.

Landgericht gab Begehren der Klägerin statt
Das Landgericht Düsseldorf entschied zunächst mit Urteil vom 08.05.2018, Az. 4a O 113/17 vollumfänglich zugunsten der Verfügungsklägerin und sprach dieser in einem einstweiligen Verfügungsverfahren einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der gerügten Aussagen zu.

Beklagte rügte insbesondere Verstoß gegen rechtliches Gehör
Hiergegen wehrte sich die Verfügungsbeklagte mit dem Rechtsmittel der Berufung. Laut dieser sei die einstweilige Verfügung insbesondere schon deshalb aufzuheben, weil das Landgericht die Beschlussverfügung ohne eine Anhörung ihrer Person erlassen und damit ihr grundrechtsgleiches Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (Gebot auf rechtliches Gehör) verletzt habe. Dieser Umstand sei nach der Auffassung der Verfügungsbeklagten gerade auch vor dem Hintergrund, dass sie im Vorfeld des Verfahrens nicht einmal von der Verfügungsklägerin abgemahnt worden war und somit zu keinem Zeitpunkt eine Stellungnahme zu der veröffentlichten Pressemitteilung abgeben konnte, nicht akzeptabel. Darüber hinaus handele es sich bei den streitigen Äußerungen auch nicht um unzulässige Herabsetzungen bzw. Anschwärzungen der Verfügungsklägerin im Sinne von § 4 UWG , so die Verfügungsbeklagte weiter.

Berufung nur teilweise begründet
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hielt die Berufung nur teilweise für begründet. Während es dem Begehren der Verfügungsbeklagten im Hinblick auf die vierte streitige Passage nachkam und die Beschlussverfügung des Landgerichts insoweit aufhob, wies es das Rechtsmittel bezüglich der ersten drei Äußerungen zurück.

Landgericht verstieß gegen Gebot des rechtlichen Gehörs
Maßgeblich für die berufungsgerichtliche Anerkennung der Zulässigkeit der vierten Äußerung war jedoch nicht der von der Verfügungsbeklagten vorgebrachte Verstoß gegen das Gebot auf rechtliches Gehör durch das Landgericht. Zwar müsse der gegnerischen Partei das besagte Recht gerade auch im Presse- und Äußerungsrecht gewährt werden, auch wenn hierbei häufig eine Eilbedürftigkeit anzuerkennen sei, so der Senat in seinen Ausführungen. Demnach hätte das Landgericht der Verfügungsbeklagten mangels einer vorprozessual erfolgten Abmahnung vor dem Erlass der Beschlussverfügung zunächst rechtliches Gehör gewähren müssen, sprich die Verfügungsbeklagte zu den Vorwürfen im einstweiligen Verfügungsverfahren anhören müssen.

Heilung des Verstoßes aber durch Bestätigung der Entscheidung
Allerdings sei ferner festzuhalten, dass der Verstoß gegen das Gebot auf rechtliches Gehör durch das Landgericht selbst geheilt worden sei, indem dieses seine Entscheidung nach dem Widerspruch der Beklagten gegen die ergangene Beschlussverfügung unter Berücksichtigung des gesamten (erstinstanzlichen) Sach- und Rechtsvortrages bestätigt hat. Nach Einlegung des Widerspruchs sei es der Verfügungsbeklagten schließlich möglich gewesen, sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Argumente ihrerseits in den vorbereitenden Schriftsätzen sowie in dem Termin zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch vorzubringen. Somit begründe der ursprüngliche Verstoß keinen unheilbaren Verfahrensfehler, der per se zur Aufhebung der Beschlussverfügung oder gar des auf eine mündliche Verhandlung hin ergangenen Urteils des Landgerichts führt, so das Oberlandesgericht.

Vierte Aussage traf objektiv unstreitig zu
Das Berufungsgericht erklärte die vierte angegriffene Äußerung der Pressemitteilung vielmehr für zulässig, da die Aussage objektiv unstreitig zutraf. Der Senat hielt fest, dass das Landgericht die Passage aufgrund des einleitenden Wortes „Auch“ falsch ausgelegt. Vielmehr entnehme der verständige Leser der Äußerung allein, dass vorherige deutsche Gerichtsentscheidungen betreffend der Patentverletzungen zugunsten der Verfügungsbeklagten ausgefallen seien, was auch der Wahrheit entspreche. Mithin stelle die Aussage keine Anschwärzung im Sinne von § 4 Nr. 2 Hs. 1 UWG dar.

Erste Aussage: Unzulässige Herabsetzung, § 4 Nr. 1 UWG
Hinsichtlich der drei anderen Äußerungen schloss sich das Oberlandesgericht jedoch vollumfänglich der Ansicht des Landgerichts an. So handele es sich bei der ersten Äußerung, in welcher die Verfügungsbeklagte die Öffentlichkeit darüber informierte, dass die Verfügungsklägerin zwei nichtrechtskräftige Urteile, gegen die sie Berufung eingelegt hat, vollstreckt hat, um eine unzulässige Herabsetzung im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG. Selbst wenn der verständige Leser der Pressemitteilung entnehmen könne, dass die Patentverletzungen mitursächlich für den Vertriebsstopp seien, erfolge in der Aussage eine einseitige Bewertung zulasten der Verfügungsklägerin in dem Sinne, dass allein diese für den Vertriebsstopp verantwortlich sei, weil sie die nichtrechtskräftigen Urteile vollstreckte. Ein verständiger Leser gewinne den Eindruck, die Entscheidung der Verfügungsklägerin, die besagten Urteile zu vollstrecken, stelle ein nicht nachvollziehbares, zu missbilligendes Verhalten dar, so das Oberlandesgericht.

Zweite Aussage: Unlautere Anschwärzung, § 4 Nr. 2 Hs.1 UWG
Im Weiteren lasse sich die zweite Aussage als unlautere Anschwärzung im Sinne von § 4 Nr. 2 Hs. 1 UWG einordnen. In der streitigen Passage bezeichnet die Verfügungsbeklagte die Vollstreckungen der Verfügungsklägerin als umso bedauerlicher, als die Gerichte in anderen Ländern (insbesondere in den Niederlanden, Frankreich und Spanien), die sich ebenso mit der Patentverletzung beschäftigten, keine Rechte der Verfügungsklägerin als verletzt ansahen. Die Äußerung sei laut Oberlandesgericht deshalb geeignet, zumindest einen erheblichen Teil der Verkehrskreise in die Irre zu führen. Dabei berufe sich die Verfügungsbeklagte ohne Erfolg auf den die Äußerung umfassenden Grundrechtsschutz der Art. 5 und 12 GG. Zwar möge es zutreffen, dass die Verfügungsbeklagte ein erhebliches Interesse daran hatte, den Kunden ihre Einschätzung mitzuteilen, dass die die Patentrechtsverletzungen betreffenden vollstreckten Urteile falsch seien und wahrscheinlich aufgehoben würden. Allerdings hätte sie sich insoweit auf zutreffende Schilderungen der Umstände beschränken müssen.

Dritte Aussage: Irreführung, § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG
Zuletzt untersagte das Oberlandesgericht der Verfügungsbeklagten auch die sich an die zweite Aussage anschließende dritte Äußerung. Diese stellt fest, dass außerhalb Deutschlands bislang alle von der Verfügungsklägerin eingeleiteten Klagen bzw. Anträge auf eine einstweilige Verfügung gegen die Einmalkatheter zurückgewiesen wurden. Hierin sah das Berufungsgericht eine Irreführung der Leser im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Ein solcher schlussfolgere aus dieser Passage nämlich, dass die ausländischen Verfahren allesamt rechtskräftig abgeschlossen seien. Eine entsprechende Präzisierung der Verfügungsbeklagten erfolge im Vergleich zu den inländischen Gerichtsverfahren gerade nicht. Schließlich werden letztere Verfahren, die den vollstreckten Urteilen zugrunde liegen, in der Pressemitteilung zuvor als „noch laufend“ bezeichnet, sodass der Leser diese nicht als Endergebnisse, welche in Stein gemeißelt sind, versteht. Dagegen halte er die ausländischen Urteile aufgrund der Formulierung hingegen als endgültig abgeschlossen und nicht mehr abänderbar.

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.02.2019, Az. 15 U 45/18

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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