Versteigerung unter Wert
Ein unentgeltlich bestellter Auktionator unterliegt nicht der Sorgfaltspflicht eines bezahlten Experten - dies ist der Tenor der Berufungsentscheidung des OLG München bezüglich eines antiken persischen Teppichs. Ein um Euro 19.700,-- verkaufter Teppich war in weiterer Folge vom Auktionshaus "Christie´s" um ca. Euro 7,2 Millionen versteigert worden.
Die Klägerin hatte einige Gegenstände - stammend aus einer Verlassenschaft - vom Auktionator eines kleineren Auktionshauses schätzen lassen und zur Versteigerung freigegeben. Der streitgegenständliche Teppich wurde als "Persische Galerie, antik, blaugrundig, floral durchgemustertes Mittelfeld, Laufstellen, Sammlerstück" im Auktionskatalog angeboten und ein Rufpreis von Euro 900,-- festgesetzt.
Es gingen zahlreiche Anfragen, teilweise von renommierten Händlern, für diesen Teppich ein und wurde er am 9.10.2009 von einem telefonischen Bieter um Euro 19.700,-- ersteigert. Dieser Bieter konnte bislang nicht ausgeforscht werden.
Knapp ein halbes Jahr später wurde derselbe Teppich im Katalog des bekannten Auktionshauses "Christie´s" als einer der ersten Vasenteppiche aus der Sammlung der Comtesse de Béhague auf einen Wert von Euro 200.000,--bis Euro 300.000,-- geschätzt. Es soll sich um den im Buch des Historikers Arthur Upham Pope “A Survey of Persian Art” aus dem Jahr 1939 abgebildeten handeln. Auf der Versteigerung am 15.4.2010 erzielte dieser Teppich sodann einen Preis von ca.6,2 Millionen Pfund.
In der Folge brachte die Klägerin Schadenersatzklage beim Landgericht Augsburg ein und begehrte einen Ausgleichsbetrag in Höhe der Differenz zwischen ihrem Auktionserlös und der Schätzung von "Christie´s". Die Klage wurde unter anderem mit der Begründung abgewiesen, dass das Londoner Auktionshaus die wertvolle Herkunft des Teppichs nicht als bewiesen, sondern nur als "wahrscheinlich" nahm. Die Beschreibung im Katalog des ersten Auktionshauses sei richtig und hätte die Klägerin den Teppich vor der ersten Versteigerung zurückfordern können, wenn sie damit nicht einverstanden gewesen wäre. Der Klägerin war außerdem bekannt, dass das von ihr beauftragte Auktionshaus nicht rein auf Teppiche spezialisiert ist und hat sie keinerlei Einwände gegen den Katalogpreis erhoben.
Die Klägerin erhob gegen dieses Urteil Berufung und machte - unter Vorbehalt der späteren Ausdehnung - einen Betrag von Euro 100.000,-- geltend.
Das Oberlandesgericht München bestellte einen unabhängigen Sachverständigen und befragte einen sachkundigen Zeugen. Es entschied auf Abweisung der Berufung und begründete dies unter anderem wie folgt:
Ein Auktionator hat keine Erkundigungs- oder Nachprüfungspflicht. Er schuldet nur Aufklärung über ihm bekannte Umstände. Im speziellen Fall war der Teppich von ihm ausreichend begutachtet und nach bestem Wissen und Gewissen bewertet worden. Das von "Christie´s" benannte Buch ist kein sogenanntes Standardwerk. Es handelt sich um ein historisches Werk, welches nach Auskunft des Sachverständigen gar nicht leicht zu erwerben ist. Bei der ersten Versteigerung durch die Beklagte waren zahlreiche sachkundige Bieter anwesend, die keine Veranlassung für ein höheres Gebot als die erzielten Euro 19.700,-- abzugeben. Die Beklagte hatte daher keine Veranlassung von einer falschen Einschätzung auszugehen.
Der tatsächliche Verkehrswert des Teppichs konnte nicht mit hundertprozentiger Sicherheit festgestellt werden, zumal das Auktionshaus "Christie´s" die Herkunft als nur "wahrscheinlich" ansah. Es gab Anfang des 19.Jahrhunderts auch zahlreiche Kopien dieser Teppiche. Hinzu kommt, dass kein weiteres Fachbuch eine Abbildung des streitgegenständlichen Teppich enthält, sodass eine Zuordnung durch den Beklagten auf diesem Wege nicht möglich war. Die Optik des Teppichs gab keinen Hinweis auf das hohe Alter. Der vom Berufungssenat bestellte Sachverständige sprach sogar von einem "außergewöhnlich guten Zustand", der eher auf ein jüngeres Herstellungsdatum hinwies. Die Einschätzung des beklagten Auktionators war nach den ihm zur Verfügung stehenden Informationen richtig und war für ihn nicht erkennbar, dass es sich um ein wertvolles Stück aus einer Sammlung handelte.
OLG München, Urteil vom 20.03.2014, Az. 14 U 764/12