Verpflichtung von Online-Händlern, über Herstellergarantie zu informieren
Bietet ein Online-Händler auf Websites wie Amazon eine nicht von ihm selbst hergestellte Ware an, so hat er den Verbraucher über die Garantie des Herstellers zu informieren, sofern er sie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots gemacht hat und die Information für den Verbraucher wesentlich ist. Dies hatte der EuGH in seiner Entscheidung vom 05.05.2022 zu klären, nachdem der BGH an einer derartigen Verpflichtung Zweifel gehegt hat. Der BGH warf dabei auch die Frage nach dem Umfang einer solchen Pflicht und den Voraussetzungen auf, unter denen sie entsteht. Damit wurde das nationale Verfahren zunächst ausgesetzt und die Frage dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt.
Hintergrund
Eine Online-Händlerin hat auf der Online-Handelsplattform Amazon die Ware eines Schweizer Herstellers angeboten. Hierbei hat die Angebotsseite keinerlei Angaben zu einer von der Händlerin oder einem Dritten gewährten Garantie enthalten. Unter der Rubrik „Weitere technische Informationen“ stieß der Nutzer auf einen Link, der ihn zu einem vom Hersteller formulierten Informationsblatt weiterleitete. Nun war ein Konkurrenzunternehmen der Ansicht, die beklagte Online-Händlerin habe keine ausreichenden Angaben zu der vom Hersteller gewährten Garantie gemacht. Daraufhin hat das Konkurrenzunternehmen auf Grundlage der deutschen Rechtsvorschriften über den unlauteren Wettbewerb eine Klage auf Unterlassung solcher Angebote erhoben. Letztendlich hatte sich auch die höchstrichterliche Instanz des BGH mit der Sache zu befassen, die Zweifel hegte, ob ein Online-Händler in der Situation der Beklagten auf Grundlage der mittlerweile von der Warenkaufrichtlinie abgelösten Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83/EU) verpflichtet ist, den Verbraucher über das Bestehen einer vom Hersteller angebotenen gewerblichen Garantie zu informieren. Dieser warf dabei auch die Frage nach dem Umfang einer solchen Pflicht und den Voraussetzungen auf, unter denen sie entsteht. Der BGH setzte das Verfahren aus und legte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Informationspflicht über sämtliche für die Ware bedeutsamen Informationen
Zur generellen Informationspflicht eines Online-Händlers äußerte sich der EuGH dahingehend, dass diese Pflicht, soweit sich der Vertragsgegenstand auf eine Ware bezieht, die von einer anderen Person als dem Online-Händler hergestellt wurde, sämtliche für diese Ware bedeutsamen Informationen abdecken müsse. Nur so könne der Verbraucher entscheiden, ob er sich vertraglich an den Händler binden möchte. Bei diesen Informationen handele es sich um die wesentlichen Eigenschaften der Waren sowie grundsätzlich alle untrennbar mit der Ware verbundenen Garantien. Damit sei die vom Hersteller angebotene gewerbliche Garantie stets anzugeben. Hierbei wies der Gerichtshof allerdings darauf hin, dass die Übermittlung von Informationen über die gewerbliche Garantie des Herstellers zwar grundsätzlich ein hohes Schutzniveau für den Verbraucher sicherstelle. Nichtsdestoweniger erscheine eine unbedingte Verpflichtung, solche Informationen stets zur Verfügung zu stellen, aber unverhältnismäßig. Eine solche würde dazu führen, dass Online-Händler dazu gezwungen werden, jegliche Informationen über eine solche Garantie mit erheblichem Aufwand zu sammeln und zu aktualisieren. Dabei sei es nicht selten der Fall, dass zwischen ihnen und den Herstellern keine unmittelbare vertragliche Beziehung bestehe. Auch sei die gewerbliche Herstellergarantie grundsätzlich nicht Gegenstand des Vertrags, den sie mit dem Verbraucher abschließen.
Informationspflicht nur, wenn diese für den Verbraucher wesentlich ist
Der Gerichtshof hatte nun zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit von Online-Händlern abzuwägen. Hierbei kam er zu dem Ergebnis, dass Online-Händler nur dann verpflichtet seien, Verbrauchern vorvertragliche Informationen über eine gewerbliche Garantie des Herstellers zur Verfügung zu stellen, wenn diese ein berechtigtes Interesse am Erhalt dieser Informationen haben. Nur dann können Verbraucher die Entscheidung treffen, ob sie sich vertraglich an den Online-Händler binden möchten, so der Gerichtshof. Dieses Interesse liege etwa vor, wenn der Händler die gewerbliche Garantie des Herstellers zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots mache. Insbesondere sei dies dann der Fall, wenn er daraus ein Verkaufs- oder Werbeargument herleite, welches die Wettbewerbsfähigkeit oder die Attraktivität seines Angebots im Vergleich zur Konkurrenz verbessere.
Wann stellt die Herstellergarantie ein zentrales Merkmal des Angebots dar?
Um festzustellen, ob die gewerbliche Garantie des Herstellers ein zentrales oder entscheidendes Merkmal des Angebots des Online-Händlers darstellt, sind weiterhin Inhalt sowie allgemeine Gestaltung des Angebots hinsichtlich der betroffenen Ware zu berücksichtigen. Ebenfalls bedeutsam ist, ob die gewerbliche Garantie des Herstellers als Verkaufs- oder Werbeargument erwähnt ist sowie die Positionierung einer solchen Erwähnung, aber auch die Gefahr eines Irrtums oder einer Verwechslung, die diese Erwähnung bei einem Durchschnittsverbraucher hinsichtlich der unterschiedlichen Garantierechte hervorruft, die er geltend machen kann. Grundsätzlich hat jede Erläuterung zu weiteren mit der Ware verbundenen Garantien im Angebot und jeder Gesichtspunkt, der ein objektives Schutzbedürfnis des Verbrauchers begründen kann, Bedeutung.
Informationspflicht hinsichtlich der Bedingungen der Herstellergarantie
Der Gerichtshof hatte sich auch mit der Frage zu befassen, welche Informationen dem Verbraucher zu den „Bedingungen“ der gewerblichen Garantie des Herstellers zur Verfügung gestellt werden sollen. Hierbei hat er entschieden, dass der Online-Händler dem Verbraucher alle Informationen über die Bedingungen für die Anwendung und die Inanspruchnahme der betreffenden gewerblichen Garantie zur Verfügung zu stellen hat. Ziel sei es, das berechtigte Interesse des Verbrauchers zu wahren, Informationen über die gewerbliche Garantie des Herstellers zu erhalten, sodass eine Entscheidung getroffen werden könne, sich vertraglich an den Online-Händler zu binden. Hierunter fallen etwa die Dauer und der räumliche Geltungsbereich, sowie Informationen über den Reparaturort bei Beschädigungen oder mögliche Beschränkungen der Garantie, aber auch je nach den Umständen Name und Anschrift des Herstellers als Garantiegeber.
Europäischer Gerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2022, Az. C-179/21