Vergleichende Werbung mit subjektiver Einschätzung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied am 10.02.2022 zum einen, dass § 513 Abs. 2 ZPO auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Anwendung findet. Somit könne eine Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Zum anderen sei vergleichende Werbung mit dem Ergebnis einer von unabhängigen Dritten durchgeführten Kundenbefragung nicht allein deswegen unlauter, weil die Antworten der befragten Kunden subjektiv sind.
Welche vergleichende Werbung ist erlaubt?
Die Parteien erbrachten jeweils Telekommunikationsdienstleistungen. Sie boten u.a. Endkunden Telefonie- und Internetdienste sowie Mobiltelefone an. Eine Zeitschrift veröffentlichte unter dem Titel "Kundenbarometer Mobilfunk 2020" die Ergebnisse einer Meinungsumfrage. Darin konnten sich Teilnehmer in fünf Kategorien zur Zufriedenheit mit ihrem Mobilfunkanbieter äußern. Die Antragsgegnerin thematisierte ihr Abschneiden bei diesem "Kundenbarometer Mobilfunk" in verschiedenen Werbungen, u.a. zwei Werbebannern. Das Werbebanner zeigte ein Siegerpodest mit den Logos dreier Mobilfunkanbieter; darunter das der Antragsgegnerin mit einem Siegel "Gesamtsieger Kundenzufriedenheit Mobilfunk-Netzbetreiber 2020". Die Antragstellerin hielt die Werbungen unter verschiedenen Gesichtspunkten für irreführend. Die Vorinstanz untersagte der Antragsgegnerin per einstweiliger Verfügung, in der vorgefallenen Form zu werben. Dagegen legte sie zunächst Widerspruch und nach dessen Ablehnung Berufung ein.
§ 513 Abs. 2 ZPO auch bei einstweiliger Verfügung anwendbar
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied, das Gericht der Vorinstanz sei örtlich zuständig. Denn § 513 Abs. 2 ZPO finde auch im einstweiligen Verfügungsverfahren Anwendung. Die ZPO enthalte keine Norm, die diesen Paragrafen im Eilverfahren für nicht anwendbar und/oder einen (generellen) Vorrang der Regelung zum zuständigen Gericht (§ 937 Abs. 1 ZPO) statuiert. Insbesondere § 513 Abs. 2 ZPO) enthalte dazu keinerlei Einschränkungen. Eine Einschränkung erwachsen auch nicht aus dem Zweck des Rügeausschlusses. Nach der Gesetzesbegründung seien mit Hilfe des § 513 Abs. 2 ZPO Rechtsmittelstreitigkeiten zur Entlastung der Berufungsgerichte zu vermeiden. Zeitgleich solle die Regelung dafür sorgen, dass die vom der ersten Instanz geleistete Arbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig werde. Diese Ziele gelten für jedes Berufungsverfahren. Es ergebe sich aus der Gesetzesbegründung nicht, dass und weshalb von diesen Zielen in Eilverfahren abgewichen werden kann. Ein (genereller) Vorrang des § 937 Abs. 1 ZPO vor § 513 Abs. 2 ZPO werde ebenso wenig in der Gesetzesbegründung thematisiert.
§ 937 Abs. 1 ZPO greift nur nach Anhängigkeit der Hauptsache
Zwar solle § 937 Abs. 1 ZPO dafür sorgen, dass nicht verschiedene Gerichte mit „derselben“ Sache befasst werden, so das OLG. Dies führe aber nicht zu einer einschränkenden Auslegung des § 513 Abs. 2 ZPO. § 937 Abs. 1 ZPO bestimme nur, dass für den Erlass einer einstweiligen Verfügung das Gericht der Hauptsache zuständig ist. Sobald also die Hauptsache anhängig sei, ist das damit befasste Gericht auch für das Eilverfahren ausschließlich zuständig. Sei dagegen die Hauptsache noch nicht anhängig, greife § 937 Abs. 1 ZPO nicht ein. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung könne daher bei jedem Gericht gestellt werden, das für die Hauptsache zuständig wäre. Treffe das auf mehrere Gerichte zu, bestehe für den Antragsteller ein Wahlrecht. Die Ausübung des Wahlrechts habe keine Folgen für die Auswahl des Gerichts, bei dem später das Hauptsacheverfahren anhängig sei. Der Antragsteller sei vielmehr frei zu entscheiden, bei welchem zuständigen Gericht er die Hauptsache später anhängig machen möchte. Bei der genannten Reihenfolge – erst Eilverfahren, dann Hauptsacheklage – können daher verschiedene Gerichte (der Sache nach) mit derselben Angelegenheit befasst werden.
Kundenzufriedenheit als relevante, nachprüfbare Eigenschaft
Im Folgenden befasste sich das Gericht mit der Darstellung des Siegerpodestes in der Bannerwerbung. Diese Werbung sei nicht irreführend und damit zulässig. Denn sie erfülle nicht den Unlauterkeitstatbestand. Der Vergleich beziehe sich objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften. Auch die Kundenzufriedenheit sei eine Eigenschaft, die den genannten Kriterien genügt. Sie sei insbesondere eine nützliche und wesentliche Information, die für die Entscheidung relevant ist, ob bzw. bei welchem Mobilfunkanbieter ein Vertrag abgeschlossen werden soll. In der Werbung seien durch das verwendete Siegel und dessen Inschriften die erforderlichen Anknüpfungspunkte hinreichend genannt. Zudem gehe hervor, wo und wie der Verbraucher Näheres zum Vergleich erfahren könne. Damit liege auch die erforderliche Nachprüfbarkeit vor.
Zeitschrift selbst war objektiv
Es mangele dem Vergleich auch nicht an der erforderlichen Objektivität, so das Gericht weiter. Entscheidend sei, ob es sich bei dem „Kundenbarometer Mobilfunk“ um einen Vergleich handelt, der sich objektiv auf die verglichene Eigenschaft „Kundenzufriedenheit“ bezieht. Dies sei zu bejahen. Zwar beruhen (einzelne) Antworten der befragten Mobilfunkkunden auf subjektive Einschätzungen. Allerdings handele es sich dabei nicht um einen subjektiven Vergleich der Zeitschrift selbst. Die Zeitschrift nehme keine subjektive Bewertung der Kundenzufriedenheit vor. Vielmehr habe sie unabhängige Dritte befragt, die ihre subjektive Einschätzung zu den jeweiligen Anbietern abgegeben haben. Die Zeitschrift habe die Antworten gesammelt, bewertet bzw. in ein Notensystem umgerechnet. Darauf beruhend sei das Ergebnis präsentiert worden. Die Befragung sei sachkundig und nach vertretbaren Prüfungsmethoden durchgeführt worden. Daher habe die Zeitschrift den ihr zustehenden Ermessenspielraum nicht überschritten.
Test an objektiven Maßstäben gemessen
Es sei nicht erkennbar, ob bei der Durchführung der Befragung ein erheblicher Fehler erfolgt sei, so das OLG weiter. Die Kategorien Kundenservice, Marke/Anbieter, Netz, Software, Tarif & Rechnung der Befragung seien Elemente bzw. Umstände, die objektiv sind. Nur die Antworten der Kunden seien subjektiv. Dafür, dass die Zeitschrift auf die Antworten der befragten Kunden Einfluss genommen hat, gebe es keine Anhaltspunkte. Somit könne es sich auch nicht „in Wahrheit“ um eine subjektive Einschätzung der Zeitschrift handeln.
Subjektive Einschätzen machen Vergleich nicht per se unlauter
Das OLG befand, es bestehe keinerlei Grund, den Vergleich per se als unlauter zu qualifizieren, weil er subjektive Einschätzungen der Kunden enthält. Die durch die Kunden beantworteten Fragen hätten objektive Elemente bzw. Umstände enthalten. Auch die Befragung selbst sei nicht zu beanstanden. Aus der Rechtsprechung folge auch keine andere Bewertung. Weder der EuGH noch der BGH stellen allein auf die „Subjektivität“ ab. Vielmehr erachten sie Vergleiche mit subjektiven Einschätzungen der Urheber selbst – also der Zeitschrift - als wettbewerbswidrig.
Subjektive Kriterien auch offensichtlich
Somit sei auch nicht erforderlich, jede vergleichende Werbung, die subjektive Wertungen enthält, automatisch als verboten gem. § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu beurteilen. Aus Sinn und Zweck der Richtlinie, die § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG in nationales Recht umgesetzt hat, folge für die vorliegende Konstellation nichts anderes. Bei der vorliegenden Werbung bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass in ihr nur die subjektive Einschätzung der Zeitschrift (oder des mit ihr Werbenden) eingeflossen seien. Damit verzerre der Vergleich weder den Wettbewerb noch schädigt sie die Mitbewerber. Mit ihr werde vielmehr (nur) die Einschätzung von Kunden zu einer mit objektiven Kriterien abgefragten Eigenschaft präsentiert. Andere (potentielle) Kunden werden damit über einen Vorteil unterrichtet. Die Zufriedenheit der Kunden mit ihrem jeweiligen Anbieter könne für potentielle Neukunden eine entscheidende Rolle spielen. Überdies sei dem Siegel der Zeitschrift zweifelsohne zu entnehmen, dass es auf einer Kundenbefragung beruht. Für die Verbraucher sei deshalb ohne Weiteres ersichtlich, dass subjektive Einschätzungen von Kunden eingeflossen sind.
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.02.2022, Az. 15 U 16/21