Verbotstitel erstreckt sich auf kerngleiche Verletzungshandlungen
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main brachte mit einem Beschluss vom 22.11.2017, Az. 6 W 95/17 zum Ausdruck, dass ein gerichtliches Verbot nicht nur die konkrete Verletzungsform, welche dem Unterlassungsbegehren des Klägers zugrunde liegt, umfasst. Vielmehr schließe dieses auch kerngleiche weitere Verletzungshandlungen ein.
Werbung für PKW muss gewisse Pflichtangaben enthalten
Bei der Beklagten handelte es sich um ein großes Automobilunternehmen, welches ihre neuen Personenkraftwagenmodelle auch im Internet bewarb. In Bezug auf solche Werbeanzeigen wurde vom Kläger, einem Umwelt- und Verbraucherschutzverein, ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte erwirkt (Landgericht Darmstadt, Urteil vom 22.08.2012, Az. 22 O 309/11).
Dieser war darauf gerichtet, von Angeboten für die jeweiligen Fahrzeuge, welche die Motorleistung näher beschreiben („kW“- und „PS“-Angabe), aber nicht unmittelbar wahrnehmbar gleichzeitig dazu die Werte des offiziellen Kraftstoffverbrauchs und die der offiziellen spezifischen CO2-Emissionen erkennen lassen, abzusehen. Die Verpflichtung zur Angabe auch dieser Größen ergebe sich aus § 5 Abs. 1 der Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen (PKW-EnVKV). Es handle sich hierbei um wichtige Informationen, die dem Verbraucher keinesfalls vorzuenthalten seien. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung der Beklagten war nicht erfolgreich (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 06.02.2014, Az. 6 U 224/12).
Behauptung weiterer Verstöße trotz Unterlassungsanspruch
Trotz des erlassenen Verbots kam es im Folgenden laut Vortrag des Klägers zu drei weiteren Zuwiderhandlungen seitens der Beklagten, weshalb dieser ein Ordnungsgeld in Höhe von 22.500,00 € forderte. Gegen diesen Vorwurf wehrte sich die Beklagte allerdings mit der sofortigen Beschwerde.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main kam daraufhin zu dem Ergebnis, dass die Sache nur teilweise Erfolg habe. Es stufte lediglich die erste Rüge des Klägers als schuldhaften Verstoß gegen das bereits titulierte Verbot ein. Die anderen beiden getätigten Werbungen auf Facebook seien hingegen nicht als eine solche Verfehlung zu werten.
Aktuelle Werbung gehe nicht mit gerichtlichen Verbot einher
Die erste beanstandete Werbung für ein PKW-Sondermodell „X“ enthielt die Angaben 52 kW und 71 PS die Motorleistung betreffend. Informationen zum Kraftstoffverbrauch und den Abgasemissionen fanden sich in dieser Rubrik jedoch nicht. Damit wiederholte die Beklagte den bereits gerügten Verstoß. Es tat sich für das Gericht aber die Frage auf, ob dadurch tatsächlich ein entsprechendes Ordnungsgeld begründet wird. Das gerichtliche Verbot sei nach der Ansicht der Beklagten nämlich nur auf die konkrete Verletzungsform der damalig zugrundeliegenden Werbung gerichtet. Dies zeige die Formulierung „wenn dies dadurch geschieht wie in Anlage K3 wiedergegeben“ in dem vorausgehenden Urteil. Hieraus solle nach Meinung der Beklagten deutlich werden, dass ihr nur solche Handlungen untersagt worden sind, die in ihrer konkreten Art und Weise der in Anlage K3 entsprechen. Vorliegend stelle sich die angebliche Verletzung aber anders dar.
Verbotstitel umfasst alle kerngleichen Verletzungshandlungen
Diese Auffassung konnte das Gericht allerdings nicht teilen. Der Verbotsbereich eines auf eine konkrete Verletzungsform bezogenen Unterlassungstitels beschränke sich nicht allein auf diese bestimmte Form. Vielmehr umfasse er auch kerngleiche Verletzungshandlungen, also Abwandlungen der konkreten Verletzungsform, in denen das Charakteristische des titulierten Verbots zum Vorschein komme. Eine andere Beurteilung könne nur dann der Fall sein, wenn sich aus der Auslegung eines Klageantrags ergebe, dass sich dieser bewusst und alleine auf die konkrete Zuwiderhandlung als Unterlassungsbegehren beschränkt (vgl. BGH GRUR 2017, 208 – Produktrückruf). In dem früheren Klageantrag des Klägers fänden sich allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Eingrenzung von ihm gewünscht war. Die Bezugnahme des Landgerichts Darmstadt auf die Anlage K3 der Akten sei lediglich dahingehend zu sehen, dass durch diese mögliche Verbotsvarianten verdeutlicht und näher bestimmt werden sollten. Insgesamt beziehe sich der gegenüber der Beklagten ergangene Verbotstenor somit allgemein auf Angebote ihrerseits im Internet. Vom Gericht wurde zudem angeführt, dass sich das Verbot nicht nur auf Übersichtslisten und Angebote Dritter, die sich auf der Plattform der Beklagten befinden, sondern erst recht auch auf deren eigens eingestellte Werbung erstreckt.
Beklagte handelte auch schuldhaft
Daneben sei die Zuwiderhandlung auch schuldhaft erfolgt, weswegen die Voraussetzungen des § 890 ZPO hinsichtlich der ersten Werbung insgesamt auch vorlägen. Es könne der Beklagten ein Organisationsverschulden vorgeworfen werden. Deren Vorbringen, dass das besagte Angebot von einer von ihr beauftragten Werbeagentur ohne die erforderliche nochmalige Prüfung der Rechtsabteilung ihres Unternehmens eingestellt wurde und ihr deshalb kein Verschuldensvorwurf gemacht werden könne, wies das Gericht ab. Es treffe die Beklagte nämlich die Pflicht, alles Mögliche und Zumutbare zur Unterbindung derartiger Verstöße in die Wege zu leiten. Dazu gehöre nicht nur die entsprechende Information an ihre Mitarbeiter das Unterlassungsgebot betreffend, sondern auch die Benachrichtigung einer womöglich beauftragten Werbeagentur. Es sei ferner nicht ersichtlich, welche genauen Absprachen zwischen der Beklagten und der Agentur hinsichtlich der nochmaligen Vorlage der Werbung vor Veröffentlichung getroffen wurden. Hierfür trage erstere aber die Darlegungs- und Beweislast.
Denkbarer Hinweis auf Hubraum begründet keine Pflichtangaben
In den anderen beiden vom Kläger kritisierten Angeboten fand sich dagegen keine „kW“ und auch keine „PS“-Angabe. Die Neuwagen wurden hierin lediglich unter Nennung der Modellbezeichnungen auf Facebook beworben. Diese Äußerungen (beispielsweise „1.2.“ bzw. „2.2“) könnten nach Ansicht des Gerichts womöglich einen Indikator auf den entsprechenden Hubraum des Fahrzeugs darstellen und somit als Angabe zur Motorleistung gewertet werden. Dies würde dann bedeuten, dass in den Angeboten sehr wohl auch der Kraftstoffverbrauch sowie der CO2-Emissionswert des Fahrzeugs zu nennen gewesen wären. Allerdings obliege die Einschätzung diese Frage betreffend nicht der Entscheidungsgewalt des vorliegenden Gerichts. Dieser Umstand müsse demnach vielmehr im Erkenntnisverfahren geprüft werden, schließlich sei eine solche Beurteilung sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz nicht erfolgt. Dies sei daran festzumachen, dass die bislang festgestellte Verletzungsform „lediglich“ Informationen zu „PS“ und „kW“ zum Inhalt hatte und das ergangene Verbot allein hierauf basiert.
Höhe des Ordnungsgeldes ist angemessen
Darüber hinaus kam das Oberlandesgericht zu dem Schluss, dass die Höhe des für jede weitere Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes von 7.500,00 € angemessen erscheint.
Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Kriterien wie Umfang und Dauer des Verstoßes oder den Verschuldensgrad solle sich eine Titelverletzung für den Schuldner schließlich nicht lohnen (vgl. BGH GRUR 2004, 264 – Euro-Einführungsrabatt).
Anhängiges Verfahren beim Bundesgerichtshof
Anzumerken ist noch, dass derzeit noch ein Verfahren beim Bundesgerichtshof hinsichtlich des vorliegenden Geschehen anhängig ist (BGH – I ZR 44/14).
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.11.2017, Az.: 6 W 95/17
von Sabrina Schmidbaur