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Unzulässiges Verbot des Verkaufs über Online-Marktplätze

LG FFM, 2-03 O 128/13


Unzulässiges Verbot des Verkaufs über Online-Marktplätze

Das Landgericht Frankfurt hat entschieden, dass selektive Vertriebsvereinbarungen, die ein pauschales Weiterverkaufsverbot der Vertragsware über Drittplattformen im Internet beinhalten, eine unzulässige Kernbeschränkung gemäß Art. 4 Vertikal-GVO darstellen. Zusätzlich liegt ein Verstoß gegen das kartellrechtliche Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gemäß § 1 GWB vor, das die Bedingungen für die Zulässigkeit eines selektiven Vertriebssystems regelt.

Der Kläger als Anbieter von Depotkosmetik kann sich nicht auf Ziffer 54 der Leitlinien der Europäischen Kommission zur Vertikal-GVO berufen. Die darin enthaltene Logo-Klausel entfaltet keine verbindliche Wirkung. Aus diesem Grund ist die Klägerin nicht berechtigt, der Beklagten den Vertrieb der Vertragsprodukte über Drittplattformen zu untersagen, wenn die angebotene Ware nicht das hauseigene Logo enthält. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Hersteller ihren Vertriebspartnern ohne qualitative Differenzierung einen wesentlichen Teil des Internetvertriebs untersagen könnten. Die zitierte Rechtsprechung „Pierre Fabre Demo“ ist dahingehend auszulegen, dass die Einführung eines selektiven Vertriebssystems mit dem ausschließlichen Ziel der Aufrechterhaltung eines prestigeträchtigen Markenimages rechtswidrig ist.

Die Gründe der Hersteller, solche Vertriebsbeschränkungen auszusprechen, sind vielfältig. In der Regel argumentieren sie wiederholt mit dem angeblich schlechten Image der verschiedenen Plattformen. Ferner bieten viele Plattformen die gleichen Produkte günstiger an. Internetnutzer sind demzufolge in der Lage, einen Preisvergleich anzustellen, der sich eventuell negativ auf den hauseigenen Umsatz auswirkt. Ein Verstoß gegen das kartellrechtliche Verbot kann gerechtfertigt sein, wenn aufgrund der Vertikal-GVO die Möglichkeit besteht, bestimmte vertikale Vertriebsbeschränkungen freizustellen. Die zweite Möglichkeit besteht in der Einzelfreistellung, wenn die mit der Vertriebsvereinbarung verbundenen Vorteile die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb effizient überwiegen.

Die Klägerin ist Herstellerin von Depotkosmetik und liefert ihre Produkte an die Beklagte auf der Grundlage eines selektiven Vertriebssystems, mit dem sie der Beklagten den Vertrieb der Vertragsprodukte über Drittplattformen im Internet untersagt. Sie geht gegen die Beklagte vor, da sie die Auffassung vertritt, die Beklagte verstoße gegen die zwischen den Parteien getroffene Vertriebsvereinbarung. Sie rügt den Vertrieb der Vertragsware durch die Beklagte auf der Händlerplattform Amazon. Dort bietet die Beklagte die Produkte im Einzelverkauf an. Das Angebot von Amazon, einen eigenen Onlineshop einzurichten, nutzte die Beklagte nicht. Es erfolgte ein Schriftwechsel betreffend den streitgegenständlichen Vertrieb der Vertragsprodukte über die Amazon-Plattform. Die Beklagte bot an, auf eigene Kosten einen Onlineshop bei Amazon einzurichten. Die Klägerin ging auf dieses Angebot jedoch nicht ein, da sie vor einer eventuellen Autorisierung des Internetvertriebs die neue Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung der EU-Kommission abwarten wollte. In der Folgezeit duldete die Klägerin den Internetvertrieb bei Amazon stillschweigend. Anschließend überarbeitete sie auf der Grundlage der zuvor zitierten Gruppenfreistellungsverordnung ihre Depot- und Internetverträge und rügte das Vertriebsverhalten der Beklagten, die im anschließenden Rechtsstreit auf das Duldungsprinzip abstellte.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Unterlassungsanspruch aufgrund der Vertriebsvereinbarung. Der zwischen den beiden Parteien vereinbarte Depotvertrag einschließlich der zusätzlichen Internet-Vereinbarung verstößt gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen im Sinne von § 1 GWB. Bei dem Absatz von Vertragsprodukten handelt es sich um einen intrabrand-Wettbewerb, der durch selektive Vertriebssysteme verhindert, eingeschränkt und verfälscht wird. Wiederverkäufer werden durch diese wettbewerbsbeschränkende Maßnahme in ihrem Handlungsspielraum beim Absatz der Vertragsprodukte und im markeninternen Wettbewerb eingeschränkt. Selektive Vertriebssysteme sind ausschließlich dann erlaubt, wenn ein selektiver Vertrieb zur „Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs des Produktes“ erforderlich ist. In diesen Fällen fördert ein selektives Vertriebssystem mit Mindestanforderungen an die Vertriebshändler den Verkauf. Ferner ist ein derartig beschränkendes Vertriebssystem ausschließlich dann zulässig, wenn der Hersteller seine Wiederverkäufer anhand objektiver Auswahlkriterien qualitativer Art auswählt und gleiche Vertriebsbedingungen für alle Vertriebspartner festlegt. Es besteht mithin ein Diskriminierungsverbot.

Der Vertrieb von Vertragsware über Drittplattformen im Internet ist sowohl in der Rechtsliteratur als auch in der Rechtsprechung umstritten. Befürworter und Gegner streiten sich darum, ob ein selektives Vertriebssystem ein kartellrechtlich zulässiges Kriterium darstellt, oder ob es sich um eine wettbewerbswidrige Kerneinschränkung der Vertriebspartner gemäß Art. 4 Vertikal-GVO handelt. Die Logo-Klausel entfaltet keine rechtliche Bindungswirkung, da in diesem Fall Hersteller ihren Vertriebspartnern einen großen Teil ihres Absatzes über Drittplattformen im Internet untersagen könnten, da diese regelmäßig ihr hauseigenes Logo führen. Der von der Klägerin vorgetragene Massenumsatz von Waren über die Amazon-Plattform stellt keine Einschränkungen an die hauseigene Geschäftspolitik einer qualitativ hochwertigen Warenpräsentation dar. Die fehlerhafte Zuordnung der streitgegenständlichen Vertragsware auf Drittplattformen ohne hauseigenes Logo besteht nicht, da der durchschnittlich gut informierte Internetnutzer Amazon als eigenständige Marke und zuverlässigen Lieferanten wahrnimmt. Das etwaige bestehende Interesse einer Wettbewerbsbeschränkung durch die Klägerin entfällt. Die Kammer kann keine erforderliche Spürbarkeit der durch die Klägerin auferlegten Wettbewerbsbeschränkung erkennen, etwa dann, wenn diese notwendig wäre, um den Preisdruck innerhalb des jeweiligen Markensegments zu reduzieren. Eine Dämpfung des markeninternen Preiswettbewerbs ist demzufolge nicht gerechtfertigt, um durch diese Vorteile ein effizientes und verbessertes Markenimage zu erreichen. Die Kammer geht von der Verfassungsmäßigkeit des § 1 GWB aus, da keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, das streitgegenständliche Selektiv-Vertriebssystem aus diesem Schutzbereich herauszulösen.

Die Klägerin war zudem nicht in der Lage, substantiiert und schlüssig darzulegen, inwieweit sie die Markeninhaberin der streitgegenständlichen Marken oder Lizenznehmerin und demzufolge aktivlegitimiert ist. Ferner ist die Klägerin ihrer Beweispflicht, inwieweit tatsächlich ein konkreter Imageschaden durch den Vertrieb über Amazon eingetreten ist, nicht nachgekommen.

Die Kammer sieht keine Notwendigkeit, den Fall zur Vorabentscheidung beim EuGH im Sinne des Feststellungsinteresses nach § 256 ZPO vorzulegen.

LG FFM, Urteil vom 31.07.2014, Az. 2-03 O 128/13


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