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Unzulässiger Verkauf von Medikamenten auf Amazon

Landgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 28.03.2018, Az. 3 O 29/17


Unzulässiger Verkauf von Medikamenten auf Amazon

Das Landgericht Dessau Roßlau entschied mit Urteil vom 28.03.2018, Az. 3 O 29/17, dass der Vertrieb von apothekenpflichtigen Medikamenten über Amazon unzulässig ist, wenn dieser ohne eine ausdrückliche Einwilligung der Kunden in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ihrer Gesundheitsdaten erfolgt. Die generelle Einwilligung in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch die Akzeptanz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Amazon bei der Einrichtung eines Kundenkontos sei für einen Verkauf der Arzneimittel nicht ausreichend. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von sensiblen Gesundheitsdaten durch einen Empfänger wie Amazon, welcher nicht einer Geheimhaltungspflicht unterliege, erfordere eine konkrete Einwilligung des Kunden in die Verwendung gerade dieser Daten.

Vertrieb von Medikamenten über Handelsplattform Amazon
Der Beklagte, Inhaber einer Apotheke, vertrieb Medikamente auf der Handelsplattform Amazon, ohne dass jedoch vor dem Kaufprozess eine spezielle Einwilligung von den Kunden in die Erhebung/Speicherung/Verarbeitung ihrer gesundheitsbezogenen Daten verlangt wurde. Mit diesem Verhalten war der Kläger, ebenfalls Betreiber einer Apotheke, nicht einverstanden. Er forderte vom Beklagten deshalb, jenes zu unterlassen. Seiner Ansicht nach verstoße ein derartiger Verkauf von apothekenpflichtigen Arzneimitteln gegen das Datenschutzrecht, §§ 4, 4a Abs. 3, 28 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), und die Berufsordnung der Apotheker. Es handele sich bei den Daten, die bei dem Kauf der Medikamente entstünden, um besondere personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG, weshalb der Umgang mit diesen grundsätzlich nur besonderen Personengruppen wie ärztlichem Personal und Mitarbeitern von Apotheken erlaubt sei. Hierzu gehöre Amazon als Verarbeiter der Daten allerdings nicht. Mithin benötige die Handelsplattform gemäß § 4a Abs. 3 BDSG innerhalb des Bestellprozesses eine vorherige explizit erteilte Einwilligung der Kunden in die Verwendung ihrer gesundheitsbezogenen Daten. Eine solche habe allerdings zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Die grundsätzliche Einwilligung von Kunden in die Erhebung/Speicherung/Verarbeitung ihrer Daten durch die Errichtung eines Kundenkontos auf Amazon könne nach Auffassung des Klägers gerade nicht mit einer ausdrücklichen Einwilligung der Erhebung/Speicherung/Verarbeitung hinsichtlich ihrer Gesundheitsdaten gleichgestellt werden.

Bedarf es einer ausdrücklichen Einwilligung in die Datenerhebung?
Der Beklagte teilte die Auffassung des Klägers nicht. Seiner Schilderung nach wähle der Kunde auf Amazon die jeweilige Arznei und deren Anbieter aus, woraufhin die gewünschte Apotheke die Daten des Käufers zur Abwicklung des Kaufvertrages und der Lieferung von der Plattform erhalte. Durch die Einrichtung eines Kontos auf Amazon habe jener aber bereits der Übermittlung und Verarbeitung der Daten an die entsprechende Versandapotheke zugestimmt. Es sei ihm bewusst, dass Amazon als Intermediär nur den allgemeinen Vertraulichkeitsverpflichtungen, nicht aber dem Berufsgeheimnis eines Arztes bzw. Apothekers unterliege. Nichtsdestotrotz entscheide er sich für eine Offenlegung seiner personenbezogenen Daten gegenüber der Plattform. Ferner sei nach Ansicht des Beklagten schon die Einstufung der übermittelten Daten als besondere personenbezogene Daten, für welche eine ausdrückliche Einwilligung in die Erhebung/Speicherung/Verarbeitung erforderlich wäre, verfehlt. Dies begründe er damit, dass an ihn nur die relevanten Bestelldaten weitergereicht werden. Qualifiziere man die Daten hingegen doch als gesundheitsbezogene Daten, sei die Datenverarbeitung seinerseits jedoch von der Ausnahmeregelung des § 28 Abs. 7 BDSG gedeckt.

Gericht sprach Kläger Unterlassungsanspruch zu
Das Gericht konnte der Beklagte mit seinem Vorbringen allerdings nicht überzeugen. Vielmehr sprach es dem Kläger den begehrten Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 3a, 7 UWG zu. Entgegen der Behauptung des Beklagten handele es sich bei dem Kläger aufgrund des Vertriebs der gleichen Produkte und des zeitlich sowie räumlich gleichen Marktes sehr wohl um dessen Mitbewerber, woraus auch seine Klagebefugnis resultiere, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.

Bestelldaten sind besondere personenbezogene Daten
Die Kammer kam zunächst zu dem Ergebnis, dass die durch eine Bestellung von Medikamenten möglichen und typischen Hinweise auf eventuell dahinterstehende Krankheiten oder gesundheitliche Situationen der betroffenen Kunden als eine besondere Art der personenbezogenen Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG einzustufen sind. Es bedurfte somit beim Bestellprozess einer Einwilligungserklärung seitens des Kunden, welche sich explizit auf die Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten beziehen hätte müssen, § 4a Abs. 3 BDSG. Dies bedeute, dass sich dieser ausdrücklich damit einverstanden erklären hätte müssen, in welchem Kontext die Daten unter welchen Bedingungen für welche Zwecke verwendet werden konnten. Aufgrund der Tatsache, dass der Beklagte selbst eine solche Einwilligung von seinen jeweiligen Kunden nicht verlangte und laut seinem Vortrag auch nicht von Amazon übermittelt bekam, verstoße er gegen die Bestimmungen des §§ 4, 4a BDSG. Das Gericht bestätigte zugunsten des Klägers, dass die generelle Einwilligung der Kunden in die Datenverarbeitung über die AGB von Amazon mit einer konkreten Einwilligung in die Verarbeitung der besonderen personenbezogenen Daten gerade nicht identisch ist. Mangels eines gesonderten Hinweises hierin sei den Kunden die Erhebung und Verarbeitung solcher Daten eben nicht bewusst.

Datenschutzrecht als Marktverhaltensvorschrift
Zu klären war anschließend vom Gericht die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die angeführten Vorschriften des Datenschutzrechts als Marktverhaltensregeln im Sinne von § 3a UWG fungieren. Diese wurde vom Gericht bejaht. Zwar würden die innerstaatlichen Regelungen grundsätzlich das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen vor Zugriffen Dritter schützen. Jedoch werde diesen ein ergänzender lauterkeitsrechtlicher Schutz im Falle der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten zu Zwecken der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung, des Adresshandels oder zu vergleichbaren kommerziellen Zwecken zugebilligt. Nach Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 02.03.2017, Az. 327 O 148/16), welcher sich das entscheidende Gericht anschließe, sei dies gerade im Hinblick auf §§ 4, 4a, 28 Abs. 7 BDSG der Fall. Die genannten Vorschriften sollen nämlich jedenfalls auch die wettbewerbliche Entfaltung der Mitbewerber schützen.
Es läge seitens der Beklagten eine kommerzielle Datenverwendung vor, da die erhobenen Daten aufgrund des Vertriebs der Arzneimittel über Amazon als wirtschaftliches Gut wie eine Ware verwendet und gespeichert werden würden und mithin für Werbezwecke oder andere kommerzielle Zwecke in Betracht kämen.

Gleiches gilt für Apothekenbetriebsordnung
Dieselbe Eigenschaft müsse auch der Apothekenbetriebsordnung zugesprochen. Sie verkörpere nicht nur eine Marktzutrittsregelung, sondern auch eine Marktverhaltensregelung, sodass § 3a UWG unmittelbar Anwendung finde. Der Zweck ihrer Vorschriften sei nämlich, dass Medikamente im Interesse der Verbraucher nur von fachkundigen und zuverlässigen Personen ausgegeben werden.

Ausnahme des § 28 Abs. 6 bzw. § 28 Abs. 7 BDSG greift nicht
Entgegen der Behauptung des Beklagten sah das Gericht die Vorschriften des § 28 Abs. 6 bzw. § 28 Abs. 7 BDSG, wonach eine Verarbeitung der besonderen Art personenbezogener Daten ohne eine ausdrückliche Einwilligung zulässig wäre, als nicht einschlägig an. Es läge weder eine lebenswichtige Situation noch ein Fall der offenkundigen Öffentlichmachung der Daten nach § 28 Abs. 6 BDSG vor. Das Argument des Beklagten, dass infolge der Einrichtung des Kundenkontos und des Logins bereits eine Einwilligung des Kunden in die Datenverarbeitung und eine offenkundige Öffentlichmachung vorliege, überzeugte das Gericht nicht. Vielmehr brachte dieses zum Ausdruck, dass die AGB von Amazon gerade nicht auf die besonderen personenbezogenen Arten gesondert hingewiesen haben, weshalb sich dem Kunden eine Erhebung und Verarbeitung solcher Daten nicht aufdrang. 
Außerdem könnte sich der Beklagte trotz seiner Eigenschaft als Apotheker nicht auf § 28 Abs. 7 BDSG berufen. Aufgrund des von ihm beschriebenen Verkaufsvorgangs müsse der Kunde seine sensitiven Daten zunächst beim Bestell- und Auswahlvorgang gegenüber Amazon angeben und erst im Weiteren werden jene dem Beklagten übermittelt. Die Handelsplattform unterliege aber gerade nicht den Geheimhaltungsregeln, weshalb die Datenerhebung auf Grundlage des § 28 Abs. 7 BDSG nicht gerechtfertigt werden könne. Es kämen gerade Personen mit den gesundheitsbezogenen Daten in Kontakt, welche nicht der besonderen Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflicht unterfallen und in den Organisationsablauf der Apotheke des Beklagten eingebunden seien.

Landgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 28.03.2018, Az. 3 O 29/17

von Sabrina Schmidbaur


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