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Unzulässige Werbung für Arzneimittel

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 27.09.2018, Az. 2 U 41/18


Unzulässige Werbung für Arzneimittel

In einem Urteil vom 27.09.2018, Az. 2 U 41/18 kam das Oberlandesgericht Stuttgart zu dem Ergebnis, dass eine Domain sowie der Inhalt der hierzu gehörenden Webseite gegen das Heilmittelwerbegesetz verstoßen. Grund hierfür sei, dass beides eine unzulässige Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel darstelle.

Streit um die Werbung für Arzneimittel
Dem Rechtsstreit liegt ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) zugrunde. Die Klägerin, Inhaberin der Apotheke A, klagte nach einer erfolglosen Abmahnung gegen ihren Mitbewerber, den Inhaber der Apotheke C im selben Ort, in der Meinung, dass sowohl seine Domain „www.S.th.-Apotheke.de“ (S.th. steht für ein bestimmtes Arzneimittel) als auch die Aufmachung seines Internetauftritts der Vorschrift des § 10 Abs. 1 HWG widerspreche. Diese Norm beinhält das Gebot, dass rezeptpflichtige Arzneimittel nur bei bestimmten Personengruppen beworben werden dürfen. Zwar gehöre der Beklagte zu der in der Regelung genannten Personengruppe der Apotheker. Allerdings verstoße er gegen die räumliche Komponente des Gebots, da seine Webseite im Internet mehr als nur die sachliche Information enthalte, dass in seiner Apotheke S.th.-Präparate (sog. Defekturarzneimittel, d.h. solche Arzneimittel, die in Apotheken selbst hergestellt werden) erhältlich seien, so die Klägerin. Es fänden sich auf der Homepage nämlich weiterführende Informationen zum Inhalt der Produkte, den erforderlichen Rezepten sowie zur Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Zum anderen liege laut der Klägerin in der Domain selbst bereits ein werbender Hinweis auf die entsprechenden Produkte der Apotheke.

Landgericht wies Klage ab
Das Landgericht Ravensburg wies das klägerische Begehren mit Urteil vom 23.11.2017, Az. 7 O 11/17 jedoch zurück. Es untersagte dem Beklagten nicht, weiterhin unter der Domain „S.th.-Apotheke.de“ S.th.-Präparate anzubieten und/oder für den Absatz von S.th.-Präparate zu werben. Das Gericht war der Ansicht, dass es sich bei dem beanstandeten Inhalt des Internetauftritts im Wesentlichen nicht um Werbung handele, sondern lediglich um eine Information für denjenigen, der die Webseite des Beklagten bewusst aufsuche. Begründet wurde dies mit dem Aspekt, dass der Verbraucher selbst aktiv werden müsse, um an die Informationen zu gelangen. Mangels Werbung könne daher auch kein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 HWG vorliegen. Außerdem stellte das Landgericht fest, dass die zum Teil über die Informationserteilung hinaus zu findenden Anpreisungen nicht produkt-, sondern leistungsbezogen (Herstellung eines Produkts mit einem bestimmten Wirkstoff) seien. Dies führe zu einer erlaubten Imagewerbung seitens des Beklagten. Daneben stehe bei der Domain die Information über die Spezialisierung im Vordergrund. Ebenso richte sich diese auch nur an solche Adressaten, die im Internet danach forschten. Mithin sei auch die Verwendung der Domain nicht zu beanstanden, so das Gericht weiter.

Klägerin verfolgte ihr Begehren weiter
Die Klägerin verfolgte daraufhin mit der Berufung ihren erstinstanzlichen Antrag. Sie argumentierte, dass sich die vom Landgericht vorgenommene einschränkende Auslegung des § 10 Abs. 1 HWG für sog. Defekturarzneimittel verbiete, da es sich auch bei diesen um verschreibungspflichtige Medikamente handele. Derartige dürften somit nicht vom Wortlaut der Vorschrift ausgenommen werden. Daneben bezögen sich die Angaben auf der Homepage sehr wohl auf die dargestellten Produkte, sodass die Gestaltung der Internetseite auch einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 HWG nach sich ziehe. Nach den Ausführungen der Klägerin leuchte die vom Landgericht insoweit vorgenommene Differenzierung zwischen dem Produkt als solchem und dem Herstellungsvorgang nicht ein. Zuletzt verdeutlichte sie erneut, dass sich die Domain bereits als unzulässige Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel erweise, auch wenn der Beklagte das Gegenteil behaupte.

Oberlandesgericht gab Berufung statt
In diesem zweiten Anlauf erhielt die Klägerin nun Recht. Das Oberlandesgericht Stuttgart sah die Berufung für begründet an und sprach dieser den Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 3a, 8 Abs. 1, Abs. 3 UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 HWG zu. Unstreitig handele es sich bei den beiden Parteien um Mitbewerber im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, sodass der Kläger zur Geltendmachung des Anspruchs berechtigt sei. Zudem sei der Charakter des gegenständlichen § 10 Abs. 1 HWG als Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG allgemein anerkannt, so der Senat.

§ 10 Abs. 1 HWG gilt für alle Arzneimittelarten
Diskussionswürdig war hingegen die Frage, ob die streitgegenständlichen S.th.-Präparate als verschreibungspflichtige Arzneimittel einzustufen sind und deshalb in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 HWG fallen. Hierfür seien nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts § 48 Arzneimittelgesetz (AMG) in Verbindung mit § 1 der Verordnung über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (AmVV) maßgeblich. Von dieser Regelung seien aber weder Defekturarzneimittel (Arzneimittel, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs im Voraus in bis zu hundert abgabefertigen Packungen hergestellt werden) noch Rezepturarzneimittel (Arzneimittel, die aufgrund einer Einzelanforderung und einer individuellen Rezeptur hergestellt werden) ausgenommen. Ob es sich bei den S.th.-Präparaten letztendlich um Defektur- oder Rezepturarzneimittel handele, könne daher offen gelassen werden, so das Gericht. Damit verwarf der Senat die Argumentation des Beklagten, dass § 10 Abs. 1 HWG nur für Fertigarzneimittel gelte und im Streitfall gerade keine Anwendung finde. Da der Wirkstoff S.th. auch nach der Änderung des AMG im Jahr 2016 noch als verschreibungspflichtig gelte, greife grundsätzlich § 10 Abs. 1 HWG, so das Gericht weiter.

Werbung für Präparate stand im Vordergrund
Schließlich galt es im Weiteren zu klären, ob sich der Inhalt der Homepage sowie die Nutzung der Domain auch als Werbung im Sinne von § 10 Abs. 1 HWG qualifizieren lasen. Diesbezüglich schloss sich das Oberlandesgericht nicht dem Landgericht an, welches der Domain und dem Webseiteninhalt lediglich den Charakter einer Imagewerbung zusprach. Generell gelte ein weiter Werbungsbegriff. Hierunter fielen alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, Abgabe, Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern (vgl. EuGH, Urteil vom 05.05.2011, C-316/09). Laut Gericht sei das Gesamterscheinungsbild der Werbung entscheidend. Dieses gebe Aufschluss, ob die Darstellung des Unternehmens oder die Anpreisung bestimmter Arzneimittel im Vordergrund stehe. Für den Streitfall sei eindeutig letzteres der Fall. Dies machte der Senat an folgenden Aspekten fest: Auf der Homepage fänden sich direkte Hinweise auf namentlich genannte Medikamente. Die S.th.-Präparate würden im Einzelnen aufgelistet und beschrieben werden. Die Aufmerksamkeit des Publikums werde mithin gerade nicht auf die Qualität und Preiswürdigkeit pauschal beworbener Produkte, sondern auf die explizit dargestellten Präparate gelenkt. Im Vordergrund stehe daher der Werbeeffekt hinsichtlich der S.th.-Präparate und nicht die Firmenwerbung. Nichts Anderes könne laut der Feststellung des Gerichts für die Verwendung der besagten Domain gelten. Zwar sei es richtig, dass ein Verbraucher aus der Domain, welche als Wortbestandteil den Wirkstoff „S.th.“ vorweise, nicht zwingend auf das konkrete Medikament schließe. Nichtsdestotrotz führe die Domain auf die Webseite des Beklagten, auf welcher die Präparate mit dem besagten Inhaltsstoff genannt werden. Eine isolierte Betrachtung der Domain sei nach der Meinung des Gerichts abwegig.

Kein Widerspruch zur EuGH und BVerfG-Rechtsprechung
Diese Einschätzung laufe auch nicht der Rechtsprechung des EuGH, wonach die Werbung von der rein informatorischen Angabe ohne Werbeansicht abgegrenzt werden müsse, zuwider, so das Gericht weiter. Zwar sei eine Abgrenzung oftmals nur schwer vorzunehmen, trotzdem herrsche für den Streitfall Klarheit. Der Hinweis auf die Präparate erscheine bereits in allgemeinen Rubriken wie „Über uns“, „Bestellung“, „Preise“ sowie „Häufige Fragen“ und dränge sich so auch schon all denjenigen auf, die sich über das Arzneimittel nicht gezielt aus eigener Initiative informieren möchten. Dieser Umstand habe im Grunde genommen dieselbe Wirkung wie sog. „Pop-Up“- Fenster, da der Verbraucher mit derartigen Informationen in den genannten Rubriken gerade nicht rechnen müsse. Außerdem werde ein Verbraucher, der nach einem ganz bestimmten Medikament sucht, gleichzeitig mit Informationen zu anderen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln konfrontiert, sodass ihn die Werbung unaufgefordert treffe. Des Weiteren hielt das Gericht fest, dass ein Verbraucher durch die Domain auch von ihm nicht gesuchte und daher unnötige Informationen erhalte, schließlich tue sich die Bezeichnung schon bei der Suche nach der Apotheke C auf. Zuletzt kam der Senat zu dem Ergebnis, dass auch die Rechtsprechung des BVerfG nicht die Zulässigkeit des beanstandeten Verhaltens begründe, sodass sich der Unterlassungsantrag der Klägerin insgesamt rechtfertige.
Zwar wurde die Revision vom Gericht nicht zugelassen, allerdings gilt für das Geschehen zu berücksichtigen, dass die Beklagte Zulassungsbeschwerde beim BGH eingereicht hat. Eine endgültige Entscheidung steht somit noch aus.
 
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 27.09.2018, Az. 2 U 41/18

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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