• Anwaltskanzlei Weiß & Partner

    Katharinenstraße 16
    73728 Esslingen

    0711 - 88 241 006
    0711 - 88 241 009
    Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

„Unmittelbarer Nähe“ von Grund- und Gesamtpreisangabe nicht erforderlich

OLG Hamburg, Urteil vom 25.6.2020, Az. 3 U 184/19


„Unmittelbarer Nähe“ von Grund- und Gesamtpreisangabe nicht erforderlich

Möchte ein Kunde beim Einkaufen von Lebensmitteln Preise vergleichen, so können diesem angegebene Grundpreise von großer Hilfe sein, um Rechenoperationen zu vermeiden. Der Grundpreis ist neben dem Endpreis als Preis je Mengeneinheit, beispielsweise als Preis je Liter, angegeben. Die Preisangabenverordnung (PAngV) verlangt die Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises. Diese Anforderung geht jedoch über die europäischen Vorgaben hinaus, sie muss entsprechend europarechtskonform ausgelegt werden. Dies hat nun auch das OLG Hamburg mit Urteil vom 25.6.2020 bestätigt.

Hintergrund
Die Beklagte ist Online-Händlerin, die ihre Produkte über Google Shopping anbietet. Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, hatte die Beklagte vor dem LG Hamburg im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch genommen. Hieraus hatte der Kläger eine einstweilige Verfügung erwirkt, die der Beklagten Preiswerbungen, die nicht den Grundpreis und den Gesamtpreis klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar ausweisen, untersagt hat. Gegen das Urteil des LG hat sich die Beklagte mit ihrer Berufung zur Wehr gesetzt. Im Ergebnis mit Erfolg.

Wann muss ein Grundpreis generell angegeben werden?
Bei dem Grundpreis handelt es sich um den Preis je Mengeneinheit inklusive Umsatzsteuer und sonstiger Bestandteile. Sinn der Angabe des Grundpreises ist es, dem Käufer einen leichteren Preisvergleich zu ermöglichen, da Verpackungen oftmals uneinheitliche Füllmengen umfassen. Ein Grundpreis muss grundsätzlich neben dem Endpreis bei denjenigen Waren angegeben werden, die nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche bestimmt werden. Die alleinige Angabe des Grundpreises ist bei losen Waren ausreichend, die nach Gewicht, Volumen, Fläche oder Länge angeboten und in Anwesenheit des Käufers abgemessen und verpackt werden.

Divergierende Anforderungen an die Grundpreisangabe
Problematisch war im vorliegenden Fall, dass die Vorgabe, wie ein Grundpreis darzustellen ist, in der Preisangabenverordnung (PAngV) anders geregelt ist als in der europäischen Preisangabenrichtlinie 98/6/EG. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV ist der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben. Dagegen lautet die Vorgabe in Art. 4 Abs. 1 RL 98/6/EG, dass der Verkaufspreis und der Gesamtpreis lediglich unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein müssen.

OLG: Kriterium der „unmittelbaren Nähe“ nicht europarechtskonform
Art. 3 Abs. 5 S. 1 der RL über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) bestimmt, dass die Mitgliedstaaten der EU keine Regelungen vorsehen dürfen, die strenger sind als das EU-Recht. Demnach haben die Richter des OLG auch festgestellt, dass das in § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV genannte Kriterium der „unmittelbaren Nähe“ über die Mindestanforderungen der Preisangabenrichtlinie hinausgehe. Infolgedessen müsse die Norm richtlinienkonform ausgelegt werden. Eine europarechtskonformen Auslegung erfordere keine Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis. Das angefochtene Urteil müsse demzufolge abgeändert werden, so die Richter.

Grundpreisangabe unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar
Das Erfordernis der Angabe des Grundpreises in „unmittelbarer Nähe“ des Gesamtpreises geht über die Anforderungen der Preisangabenrichtlinie 98/6/EG hinaus. Nach Art. 4 Abs. 1 Preisangabenrichtlinie 98/6/EG müssen der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit (Grundpreis) lediglich unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein. Nach Auffassung der Richter sei nicht für jeden Fall zwingend, dass diese Voraussetzungen nur durch die Angabe des Grundpreises in „unmittelbarer Nähe“ des Gesamtpreises erfüllt werden könne. Im zugrunde liegenden Fall sei dies jedenfalls nicht erforderlich gewesen. Das Erfordernis könne nicht Teil eines Verbots sein, das sich auf § 2 PAngV stützt und müsse gestrichen werden.

Fazit
Es besteht nach wie vor die Verpflichtung, bei grundpreispflichtigen Produkten den Grundpreis anzugeben. Es ist allerdings eine Frage des Einzelfalles, ob die klare Erkennbarkeit der Grundpreisangabe nur durch deren Angabe in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises hergestellt werden kann. Eine grundsätzliche unmittelbare Nähe zwischen Grundpreis und Gesamtpreis kann in eurorechtskonformer Auslegung nicht gefordert werden. Eine unmissverständliche, klar erkennbare und gut lesbare Angabe des Grund- und Gesamtpreises ist allerdings stets erforderlich.


OLG Hamburg, Urteil vom 25.6.2020, Az. 3 U 184/19


Ihr Ansprechpartner

Bitte Kommentar schreiben

Sie kommentieren als Gast.

E-Mail: kanzlei@ratgeberrecht.eu, Telefon: 004971188241006
Katharinenstraße 16, 73728, Esslingen, Baden-Württemberg, Deutschland