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Unberechtigte Zahlungsaufforderung an Verbraucher ist wettbewerbswidrig

Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 28.01.2021, Az. 15 U 128/19


Unberechtigte Zahlungsaufforderung an Verbraucher ist wettbewerbswidrig

Versendet ein Unternehmen Zahlungsaufforderungen an Verbraucher, die Opfer sogenannter „Fake-Bestellungen“ geworden sind, indem deren Identität zum Abschluss eines Vertrags genutzt worden ist, so liegt hierin ein Wettbewerbsverstoß. Dies hat das Oberlandesgericht Hamburg mit seinem Urteil vom 28.01.2021 klargestellt.

Hintergrund
Auf der Beklagtenseite stand ein Telekommunikations-Unternehmen, das an eine Verbraucherin eine Zahlungsaufforderung geschickt hatte. Diese basierte auf einem vermeintlichen Vertrag, den die Verbraucherin aus Sicht der Beklagten in der Vergangenheit bei ihr abgeschlossen haben soll. Tatsächlich war die Verbraucherin Opfer einer sogenannten „Fake-Bestellung“ geworden, indem ihre Identität zum Abschluss des Vertrags genutzt worden war. Die daraus entstandene Forderung war aus diesem Grund nicht beglichen worden. Zunächst waren zwei Schreiben an eine Berliner Adresse gegangen. Diese kamen jedoch als unzustellbar zurück. Infolgedessen ermittelte die Beklagte eine neue Anschrift in Stuttgart.

Die Adressatin hat auf die außergerichtlichen Schreiben allerdings nicht reagiert, sodass durch die Beklagte des zugrundeliegenden Streits Klage erhoben worden war. In dem Verfahren stellte sich jedoch heraus, dass es zwischen den Parteien nie zu einem Vertragsschluss gekommen war. Die Verbraucherin war offensichtlich Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden. In diesem Vorgehen des Telekommunikations-Unternehmens hat der Kläger, ein Verbraucherschutzverband nun einen Wettbewerbsverstoß gesehen. Nach der klägerischen Auffassung sei der irreführende Eindruck erweckt worden, die Verbraucherin hätte zahlen müssen.

Schuldhaftes Handeln war für Irreführende Handlung nicht maßgeblich
Die Kammer hat die klägerische Auffassung geteilt und eine irreführende Handlung angenommen, indem die Beklagte unberechtigt Forderungen verschickt habe. Hierfür sei ein schuldhaftes Handeln nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schließe die Übersendung einer unberechtigten Zahlungsaufforderung an einen Verbraucher aus dessen Sicht nicht nur die unwahre Behauptung einer Bestellung der in Rechnung gestellten Dienstleistung ein. Diese sei darüber hinaus zur Täuschung des Verbrauchers geeignet (BGH, GRUR 2019, 1202 Rn. 21 – Identitätsdiebstahl). Insofern sei es unerheblich, ob die Beklagte bei der Versendung der Zahlungsaufforderung darüber irrte, dass die Empfängerin selbst den Vertrag abgeschlossen habe. Eine Unverhältnismäßigkeit zugunsten der Beklagten ist im Ergebnis ebenfalls abgelehnt worden.

Wann liegt eine Unverhältnismäßigkeit vor?
Das Gericht hat in Erwägung gezogen, dass für die Beklagte neben dem unverschuldeten Irrtum eine Unverhältnismäßigkeit sprechen könnte, indem der Irrtum auf dem mutmaßlich rechtswidrigen und einem die Beklagte potentiell schädigenden Handeln eines unbekannten Dritten beruhe. Der Verbraucher wisse oder könne jedenfalls im Gegensatz zum Gewerbetreibenden ermitteln, ob er den Vertrag nicht geschlossen habe. Eine Unverhältnismäßigkeit hätte sich möglicherweise auch daraus ergeben können, dass Unternehmer, die wie vorliegend formlos mögliche Vertragsschlüsse anbieten, einen wirtschaftlich unverhältnismäßigen Aufwand betreiben müssten, um Identitätsdiebstähle wirksam ausschließen zu können.

Keine Unverhältnismäßigkeit zugunsten der Beklagten
Zur Begründung einer Unverhältnismäßigkeit habe die Beklagte allerdings nicht hinreichend vorgetragen. Der ausschließliche Vortrag, dass eine Prüfung der Identität des Verbrauchers beim Abschluss des in Rede stehenden Vertragstyps „schlicht unmöglich und wirtschaftlich unzumutbar“ sei, habe sie nicht entlasten können. Das Gericht bemängelte überdies, es sei durch die Beklagte schon nicht dargelegt worden, auf welche Weise der in Rede stehende Vertrag unter dem Namen konkret geschlossen worden war. So sei offengeblieben, ob der Vertrag über das Internet geschlossen worden war, indem die Beklagte hierzu nicht vorgetragen habe. Insofern konnten schon keine ausführlichen Erwägungen hinsichtlich einer erforderlichen Identitätsprüfungen angestellt werden.

Anforderungen an eine Identitätsprüfung
Eine Identitätsüberprüfung des Vertragspartners bei einem Vertragsschluss in Anwesenheit des Verbrauchers kann ohne weiteres durch Vorlage und Überprüfung eines Ausweisdokuments erfolgen. Entsprechendes gilt für online abgeschlossene Verträge, z.B. mit Blick auf das „Post-Ident-Verfahren“. Demnach war der Aussage, dass eine Identitätsüberprüfung „schlicht unmöglich“ sei, im vorliegenden Fall keine Entlastung beizumessen. Ohnehin war nicht konkret dargelegt worden, dass bzw. warum alle bestehenden Möglichkeiten der Identitätsüberprüfung wirtschaftlich unzumutbar gewesen seien. Ferner war dies auch nicht ersichtlich.

Fazit
Die Entscheidung zeigt, welche Folgen immer wieder vorkommende, unverschuldete Fake-Bestellungen für Unternehmen in wettbewerbsrechtlicher Sicht haben können. Zwar gibt das OLG Hamburg mit dem aktuellen Urteil eine Entlastungsmöglichkeit für betroffene Unternehmen, indem es anerkennt, dass in bestimmten Fällen der Unterlassungsanspruch ausgeschlossen ist. Es bleibt allerdings unklar, in welchen Fällen genau eine Unverhältnismäßigkeit und somit kein Wettbewerbsverstoß vorliegt. Da grundsätzlich kein Unternehmen vor Fake-Bestellungen sicher ist, ist stets Vorsicht geboten. Eine hinreichende Identitätsprüfung des Bestellers vor Vertragsschluss kann wettbewerbsrechtliche Folgen jedenfalls vorbeugen.


Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 28.01.2021, Az. 15 U 128/19


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