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Strenge Anforderungen an Werbung mit „umweltfreundlich“

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 19.08.2021, Az. 4 U 57/21


Strenge Anforderungen an Werbung mit „umweltfreundlich“

Das Oberlandesgericht Hamm entschied am 19.08.2021, dass an die Werbung mit Begriffen wie etwa „umweltfreundlich“ oder „umweltverträglich“ strenge Maßstäbe anzulegen seien. Denn die Irreführungsgefahr sei diesbezüglich besonders hoch. Es bedürfe daher aufklärender Hinweise zur Art des Produktes sowie dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“.

Welche Aussagen sind irreführend?
Die Parteien waren Online-Händler und Mitbewerber. Sie produzierten und vertrieben Lampen sowie entsprechendes Zubehör über das Internet. Die Beklagte bewarb per Werbebanner in ihrem Online-Shop sowie über eine Suchmaschine ihre Lampen u.a. mit einer pauschalen 5-Jahres-Garantie und Angaben wie „versandkostenfrei“. In ihren AGB war aber geregelt, dass die Versandkosten nicht im Kaufpreis enthalten seien und während des Bestellvorganges gesondert ausgewiesen werden. Auch warb die Beklagte mit „circa 1 Mio. Artikel sofort verfügbar“, obwohl sie nur rund 2000 Artikel anbot. Zudem preiste sie ihre Ware mit „Lieferzeit i.d.R 48 Stunden“ an. Ihre AGB regelten jedoch, dass die Ware in der Regel innerhalb 3-5 Tagen geliefert werde. Weiterhin bot sie ihre Leuchten als „CO2 reduziert“ und „umweltfreundliche Produkte und nachhaltige Verpackungen“ an. Die Klägerin mahnte die Beklagte daher ab und forderte die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Dem kam die Beklagte jedoch nicht nach. Die Vorinstanz wies den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen fehlender Dringlichkeit zurück. Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein.

Metatags als Werbung
Das Oberlandesgericht Hamm befand, bei der Anzeige in einer Internet-Suchmaschine sowie den entsprechenden Suchergebnissen handele es sich unstreitig um Werbung. Werbung sei nicht auf klassische Werbung beschränkt. Auch die Nutzung von sog. Metatags in den Metadaten einer Website stelle Werbung dar. Den potentiellen Kunden werde aufgrund der Nennung gewisser Stichwörter suggeriert, der Beklagte böte über ihre Homepage ausschließlich Produkte an, für die eine 5-jährige Garantie gewährt werde. Einschränkungen wie „bis zu…“ fänden sich in der Anzeige jedenfalls nicht. Ein potentieller Kunde werde daher veranlasst, die Webseite zu besuchen oder Kontakt zur Beklagten aufzunehmen, um sich über entsprechende Angebote zu informieren.

Werbung mit 5-Jahres-Garantie irreführend
Das OLG entschied, die Bewerbung der Artikel mit einer tatsächlich nicht vorhandenen 5-Jahres-Garantie stelle eine Irreführung dar. Die ohne jeglichen einschränkenden Zusatz versehene Anzeige könne nur dahingehend verstanden werden, dass die Garantiezusage für alle im Online-Shop angebotenen Produkte gelte. Dies sei aber unstreitig nicht der Fall. Denn nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten gelte die Garantie z.B. nicht für Leuchtmittel, Klein- oder Ersatzteile. Im Gegensatz dazu heiße es auf dem Werbebanner der Website zu Recht einschränkend „bis zu 5 Jahre Garantie“.

Irreführung durch „ca. 1 Mio. Artikel sofort verfügbar“
Der Verbraucher werde auch durch „ca. 1 Mio. Artikel sofort verfügbar“ in die Irre geführt, so das Gericht weiter. Denn er werde über die Verfügbarkeit der Ware getäuscht. Die Aussage werde dahingehend verstanden, dass das Sortiment ca. 1 Mio. unterschiedliche Artikel umfasse und damit besonders breit gefächert sei. Dies sei vergleichbar mit großen, ggf. marktbeherrschenden Anbietern. Tatsächlich treffe dies aber gar nicht zu. Unstreitig bestehe das Sortiment der Beklagten lediglich aus rund 2.000 unterschiedlichen Artikeln. Der beworbene umfangreiche Bestand ergebe sich nur aufgrund einer entsprechenden Lagerhaltung, die den Durchschnittsverbraucher aber allenfalls am Rande interessieren dürfte.

„I.d.R. 48 Stunden“ kein Problem
Das OLG Hamm urteilte jedoch, dass hinsichtlich der beworbene Lieferzeit von „i.d.R. 48 Stunden“ kein Unterlassungsanspruch bestehe. Denn diese Werbeaussage beinhalte keinen Widerspruch. Dem durchschnittlichen Verbraucher sei bekannt, dass sich die Lieferung bestellter Waren infolge unterschiedlicher Postlaufzeiten nicht immer exakt prognostizieren lasse. Er verstehe die Werbung dahingehend, dass sich der Anbieter um eine schnellstmögliche Lieferung bemühe, soweit er dies beeinflussen könne. Daher gelinge eine Lieferung binnen 48 Stunden auch überwiegend. Aus den AGB ergebe sich außerdem, dass es keine vertragliche Zusage darstelle, binnen 48 Stunden zu liefern. Dem Kunden stünden daher keine Ansprüche vor Ablauf der in den AGB genannten Frist (3-5 Tage) zu. Eine Belieferung immer und unter allen Umständen binnen 48 Stunden solle aber überwiegend möglich sein.

AGB-Klausel zur Beschaffenheit unzulässig
Als unzulässig erachtete das Gericht die AGB-Klausel, nach der nur die Produktbeschreibung für die Beschaffenheit maßgeblich sei, nicht aber die Werbeangaben. Dadurch werde der Verbraucher unangemessen benachteiligt. Denn dies widerspreche der gesetzlichen Gewährleistung im Kaufrecht und weiche zum Nachteil der Kunden von § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB ab. Die Klausel ermögliche es der Beklagten praktisch, die Beschaffenheit ihrer Waren abweichend von jeglicher Werbung, Anpreisung u. ä. – im Zweifel zum eigenen Vorteil – zu definieren. Dadurch seien Gewährleistungsansprüche der Kunden beliebig einschränkbar. Dies könne selbst im unternehmerischen Verkehr nicht hingenommen werden.

Strenge Anforderungen bei Bewerbung mit Umweltschutz
Auch die Bewerbung als „CO2 reduziert“ und „umweltfreundliches Produkt und nachhaltige Verpackungen“ befand das OLG als unzulässig.  An die Zulässigkeit der Werbung mit Umweltschutzbegriffen seien strenge Maßstäbe anzulegen. Wegen der bestehenden Unklarheiten insbesondere über Bedeutung und Inhalt von Begriffen wie etwa „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“ oder „bio“ sowie der hierauf hindeutenden Zeichen sei eine Irreführungsgefahr im Bereich der umweltbezogenen Werbung besonders groß. Dies gelte, zumal beworbene Produkte regelmäßig nicht insgesamt und nicht in jeder Beziehung, sondern meist nur in Teilbereichen mehr oder weniger umweltschonender seien als andere Waren. Aufgrund dessen bestehe ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der Kunden über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. Diesen Anforderungen genüge die beanstandete Werbung der Beklagten aber nicht. Die Werbeaussagen „CO2 Reduziert“ und „umweltfreundliche Produkte und nachhaltige Verpackungen“ seien zu allgemein und lassen vollkommen offen, in Bezug auf welchen konkreten Aspekt eine Umweltfreundlichkeit bzw. eine CO2-Reduktion in Relation zu welchem Standard vorliegen solle. Gleiches gelte für die Verpackungen und in welcher Hinsicht diese besonders nachhaltig sein sollen.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 19.08.2021, Az. 4 U 57/21


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