Schockbilder am Tabakwarenautomaten im Kassenbereich
Am 05.07.2018 entschied das Landgericht München I, dass Schockbilder nicht notwendigerweise auch an den Tabakwarenautomaten der Supermarktkassen angebracht werden müssten. Denn die Bilder stellten keine Abbilder der Zigarettenschachteln dar und seien auch keine Werbung für eine bestimmte Zigarettensorte. Vielmehr dienten sie der Produktpräsentation, da der Kunde wissen müsse, hinter welcher Taste sich seine Marke verberge.
Müssen Warnhinweise auch beim Anbieten von Zigaretten sichtbar sein?
Kläger war eine Antiraucher-Initiative; Beklagter der Betreiber zweier Supermärkte. Der Beklagte bot in seinen Verkaufsräumen auch diverse Tabakwaren an. Die Zigaretten wurden in einem Warenautomaten im Kassenbereich bereitgehalten. Wenn der Kunde eine bestimmte Zigarettenmarke wünschte, musste er auf die jeweilige Wahltaste des Automaten drücken. Die Warnhinweise auf den Packungen wurden durch diesen Automaten allerdings vollständig verdeckt. Somit waren sie für die Kunden nicht sichtbar. Der Kläger hielt dies für wettbewerbsrechtlich unzulässig, da auch im Zeitpunkt des Anbietens und Inverkehrbringens die Warnhinweise sichtbar sein müssten. Es gelte ein Verdeckungsverbot. Daher mahnte er den Beklagten ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Als sich der Beklagte weigerte, reichte der Kläger Unterlassungsklage ein.
Verdeckungsverbot allein auf die Verpackung bezogen
Das Landgericht ging davon aus, dass das in Rede stehenden Kennzeichnungs- und Hinweisgebot allein die Verpackung der Tabakerzeugnisse erfasse. Daher könne sich das Verdeckungsverbot auch nur auf die eigentliche Verpackungsgestaltung beziehen und nicht auch auf die Produktpräsentation. Dies ergebe sich nach Auslegung der entsprechenden Norm der Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV). Denn bereits die Überschrift spreche von der Kennzeichnung von Tabakerzeugnisse und beziehe sich ausschließlich auf Packungen und Außenverpackungen. Somit sei die Regelung auf die Verpackungsgestaltung beschränkt. Die Art und Weise der Produktpräsentation beim Inverkehrbringen der Ware sei davon nicht erfasst. Auch die nachfolgenden Regelungen würden nur Vorgaben für die Verpackungs- und Produktgestaltung enthalten, nicht aber auch für den Verkauf und den Vertrieb.
Zugrundeliegende EU-Richtlinie auch nur auf Produktgestaltung bezogen
Zudem sei auch die europäische Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der TabakerzV auf Packungen und Außenverpackungen beschränkt. Verkaufsmodalitäten seien gerade nicht Gegenstand gewesen, so das Gericht weiter. Auch sei die Ermächtigungsgrundlage vom Regelungsgehalt her ausschließlich auf die Produktgestaltung von Tabakerzeugnissen beschränkt. Wie die Produkte aber zu verkaufen bzw. zu vertreiben seien, sei nicht Gegenstand gewesen. Dies ergebe sich bereits aus Inhalt und Wortlaut der zugrundeliegenden EU-Richtlinie. Wenn der deutsche Verordnungsgeber den Anwendungsbereich auf Verkaufsmodalitäten hätte erweitern wollen, hätte er dies ohnehin nicht rechtswirksam tun können. Denn hierfür fehle es an der erforderlichen Gesetzesgrundlage. Weder das Gesetz über Tabakerzeugnisse noch die maßgebliche EU-Richtlinie erlaube es, die Art und Weise des Verkaufs von Zigarettenschachteln zu regeln. Eine die Grenze der Ermächtigung aber nicht einhaltende Verordnung wäre nichtig und könne auch nicht Grundlage einer Unterlassungsklage sein.
Gesundheitsbezogene Hinweise als wesentliche Information
Die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Hinweise stellten nach Meinung des Gerichts für die angesprochenen Verkehrskreise unzweifelhaft eine wesentliche Information dar. Eine Information sei dann als wesentlich anzusehen, wenn deren Angabe erwartet werden könne und ihr erhebliches Gewicht für die zu treffende geschäftliche Entscheidung zukomme. Beides sei vorliegend gegeben. Der Käufer benötige die gesundheitsbezogenen Hinweise, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können. Zudem seien derartige Warnhinweise auch geeignet, den Verbraucher gegebenenfalls vom Kauf der Tabakware abzuhalten. Auch kämen den Warnungen für die Kaufentscheidung des Kunden eine grundsätzliche Bedeutung zu. Denn die Aufklärung über die Gefahren des Rauchens könne ihn zweifelsfrei davon abhalten, überhaupt Tabakerzeugnisse erwerben zu wollen.
Kein Vorenthalten wichtiger Informationen durch fehlende Schockbilder
Jedoch stellten die Verkaufsmodalitäten des Beklagten nach Überzeugung des Gerichts kein Vorenthalten dar. Ein Vorenthalten liege nämlich nur dann vor, wenn der Verbraucher die Information nicht oder nicht so erhalte, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen könne. Im vorliegenden Fall nehme der Verbraucher die gesundheitsbezogenen Warnhinweise aber dann zur Kenntnis, wenn er die Automatenwahltaste betätigt habe. Denn dann erhalte er die von ihm gewünschte Zigarettenmarke, auf deren Schachtel die Hinweise aufgedruckt seien. Somit erlange er davon Kenntnis.
Rechtzeitiges Bereitstellen der wesentlichen Informationen sichergestellt
Das Gericht erkannte auch keine zu späte Bereitstellung der Informationen. Wesentliche Informationen seien dann nicht rechtzeitig bereitgestellt, wenn der Verbraucher sie nicht bis zum Zeitpunkt seiner geschäftlichen Entscheidung erhalte. Er müsse sie also bei der Kaufentscheidung noch berücksichtigen können. Dies könne er vorliegend auch, sobald er die Schachtel in der Hand halte. Denn die finale Kaufentscheidung falle erst, wenn der Verbraucher die entsprechende Zigarettenpackung tatsächlich an der Kasse kaufen wolle. Davor habe er noch genügend Zeit, die Packung in Augenschein zu nehmen. Er könne somit auch immer noch die Warnhinweise wahrnehmen und Schlussfolgerungen daraus in seine Kaufentscheidung einfließen lassen.
Landgericht München I, Urteil vom 05.07.2018, Az. 17 HK O 17753/17